Silly Season in der Formel 1. Es ist Tradition, dass ab August die Gerüchteküche über eventuelle Cockpit-Wechsel brodelt. Doch so unübersichtlich wie in diesem Jahr war die Lage noch nie. Es ist nicht einmal klar, bei welchen Teams man 2010 fahren kann. Ein Überblick über die Unmenge an Spekulationen, die durchs Fahrerlager geistern.
13 Rennställe sollen 2010 26 Autos an den Start bringen. Und selbst nach dem Ausstieg von BMW gibt es genügend Bewerber für diese Plätze. Aber wie seriös sind deren Programme und wie konkurrenzfähig können sie sein?
Fragen, denen die Top-Teams offensichtlich skeptisch gegenüberstehen, sonst würden sie beim nächsten Rennen in Monza nicht über einen möglichen Einsatz von drei Autos der Top-Teams diskutieren.
Die FIA geht im sportlichen Reglement für 2010 allerdings davon aus, dass 13 Teams mit je zwei Autos an der WM teilnehmen werden. Also tun wir das für diesen Überblick auch.
Das könnte 2010 endgültig Wirklichkeit werden, verspricht Ferrari-Boss Luca di Montezemolo. Er will Schumi in einen dritten Ferrari setzen. In einem der ersten beiden wäre aber wohl kein Platz für den siebenmaligen Weltmeister. Giancarlo Fisichella wird bis zum Saisonende für die Scuderia an den Start gehen. Danach will er seine Karriere beenden und für Ferrari als Testfahrer seine Runden drehen.
Die Kandidaten:
Felipe Massa: Gültiger Vertrag, ist nach Aussage der Ärzte 2010 wieder fit.
Kimi Räikkönen: Gültiger Vertrag, überzeugt zuletzt mit sehr guten Leistungen.
Fernando Alonso: Sein Wechsel steht angeblich schon lange fest, bestätigen tut das jedoch niemand. Käme er, müsste Ferrari Räikkönen eine horrende Abfindung zahlen.
Auf der anderen Seite steht Mercedes. Deren Sportchef Norbert Haug erklärt einen deutschen Fahrer zwar nicht zum Dogma, freuen würde er sich aber trotzdem. Wenn der dann auch noch regelmäßig um Siege fahren kann, umso besser.
Die Kandidaten:
Lewis Hamilton: Ist gesetzt, die Frage ist nur, ob als unumstrittene Nummer eins.
Heikki Kovalainen: Sein Vertrag läuft aus, er wackelt, ist aber nicht chancenlos.
Nico Rosberg: Der Wunschkandidat von Mercedes. Er und Hamilton kennen sich noch gut aus den Nachwuchsklassen, hätten menschlich sicher keine Probleme miteinander. Aber sportlich wäre Rosberg für Hamilton eine Bedrohung - und umgekehrt Hamilton auch für Rosberg. Der Deutsche pocht allerdings auf einen Wechsel zu einem Top-Team.
Adrian Sutil: Er wäre der Kompromiss zwischen Mercedes und dem Hamilton-Clan. Er wäre Deutscher und dazu noch ein guter Freund von Hamilton. Sportlich würde er wohl eher in der Kovalainen-Liga spielen als in der Rosberg-Liga.
Kimi Räikkönen: Das neueste Gerücht. Sollte der Iceman bei Ferrari Alonso weichen müssen, könnte er dank der von den Roten fälligen Abfindung oder Gehaltsfortzahlung zu einem Schnäppchen werden. Und er kennt sich bei den Silbernen bestens aus.
Sky-Experte Marc Surer glaubt nicht an ein absichtliches Vergehen des ehemaligen Piloten Nelson Piquet Jr.
Die Kandidaten
Fernando Alonso: Mal angenommen, die Ferrari-Blase platzt doch noch auf wundersame Weise, dann würde Teamchef Flavio Briatore Alonso mit Kusshand behalten.
Romain Grosjean: Trotz seiner dummen Aktion in Spa gegen Jenson Button will Briatore den jungen Mann halten. Es sei denn, er baut in den letzten Rennen noch ein paar Mal Mist.
Robert Kubica: Wenige werden sich daran erinnern, dass Kubica seine ersten F-1-Kilometer in einem Renault gedreht hat. 2005 kam er als Sieger der Renault-World-Series zu seinem ersten Test. Jetzt ist er nach dem BMW-Ausstieg relativ billig zu haben.
Kimi Räikkönen: Noch ein neues Gerücht um Räikkönen. Angeblich könnte er zusammen mit einem neuen Hauptsponsor Nokia als Finnland-Doppelpack bei Briatore andocken.
Die Kandidaten:
Timo Glock: Toyota hat eine Option auf ihn, will diese auch ziehen. Nur getan haben sie es wegen der ungewissen Zukunft noch nicht. Glock würde gerne bleiben, bekommt aber langsam kalte Füße und sieht sich nach Alternativen um.
Jarno Trulli: Sportlich spricht eigentlich nichts dafür, Trulli ziehen zu lassen, aber Team-Präsident John Howett sagte zuletzt sehr offen, dass er 2010 nicht mehr mit dem Italiener plant.
Robert Kubica: Die sportlich wohl beste Alternative zu Trulli. Jung, schnell - aber eventuell für den zu befürchtenden Sparkurs zu teuer.
Kazuki Nakajima: Sollte der Japaner bei Williams keine Zukunft haben, wäre er dank seiner Herkunft der perfekte zweite Mann neben Glock. Nakajima wäre billig zu haben und würde zudem das Bedürfnis des Konzerns nach einem japanischen Fahrer befriedigen.
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Zum einen stehen neue Sponsoren - Gerüchte ranken sich um Google - vor der Tür. Zum anderen hat das Team schon in diesem Jahr deutlich an Personalkosten gespart.
Die Kandidaten:
Jenson Button: Egal ob als Weltmeister oder nicht, Button wird aller Voraussicht nach bei Brawn GP bleiben.
Rubens Barrichello: Die Aussagen von Teamchef Ross Brawn widersprechen sich. Zum einen sagt er: "Es gibt keinen guten Grund, beide Fahrer nicht zu behalten." Dann sagt er aber: "Es wäre nicht angemessen, jetzt schon darüber zu sprechen, was wir machen werden." Fest steht: Der unermüdliche Barrichello möchte bleiben - und seine Leistungen in den letzten Rennen passen. Und wer weiß? Als Weltmeister würde man ihn wohl kaum gehen lassen können.
Nico Rosberg: Für den Fall, dass sich bei McLaren-Mercedes die Engländer mit ihrem Fahrerwunsch durchsetzen sollten, könnte Mercedes Rosberg beim ebenso konkurrenzfähigen Kundenteam unterbringen.
Nick Heidfeld: Sein Name wird etwas überraschend auch gehandelt. Da muss man aber ehrlich sagen: Es gibt keinen vernünftigen Grund, Barrichello durch Heidfeld zu ersetzen.
Robert Kubica: Gleiches Spiel wie bei Toyota. Schnell, jung, relativ billig zu haben - warum nicht?
Bruno Senna: Er stand schon 2009 vor seinem Debüt, ehe sich das Team für ein Festhalten an Barrichello entschied. Trotz seines großen Namens könnte ihm 2010 ein ähnliches Schicksal blühen.
Red Bull will weg von Renault und hin zu Mercedes. Die Entscheidung fällt vielleicht schon am 13. September in Monza.
Die Fahrer 2010:
Sebastian Vettel: Gültiger Vertrag.
Mark Webber: Gültiger Vertrag.
Wobei Renault sicher die bessere Alternative wäre, denn angeblich hat Cosworth Probleme mit seinem Einheitsmotor. Die Fahrerfrage hängt entscheidend von Rosbergs Zukunft ab.
Die Kandidaten:
Nico Rosberg: Kommt er nicht bei einem absoluten Top-Team unter, spricht nichts gegen einen Verbleib bei Williams. Er fühlt sich dort sehr wohl, die Zeichen stehen aber auf Abschied. Rosberg hat sich bei Teamchef Frank Williams Bedenkzeit erbeten.
Kazuki Nakajima: Solange Toyota die Motoren liefert, wird Nakajima bei Williams fahren, das ist sicher. Sollte sich das aber ändern, wackelt der zwar solide, aber nicht gerade hochtalentierte Japaner. Vielleicht geht er ja zum Werksteam Toyota.
Nico Hülkenberg: Mit Ausnahme von Giorgio Pantano 2008 ist bisher jeder GP2-Meister in der Formel 1 untergekommen. Warum sollte das ausgerechnet bei Nico Hülkenberg, der den Titel in der Nachwuchsklasse wohl sehr souverän einfahren wird, anders sein? Einziges Argument: Er konzentriert sich zu sehr auf Williams, obwohl er dort keineswegs für einen Stammplatz gesetzt ist. Aber sein Manager heißt immerhin Willi Weber, da wäre es doch gelacht, wenn ein Talent wie Hülkenberg 2010 zusehen müsste.
Daher gibt es kaum einen Grund, an der Fahrerpaarung etwas zu ändern, auch wenn es noch keine Verträge für 2010 gibt.
Die Kandidaten:
Sebastien Buemi: Seine Leistungen liegen über den Erwartungen, er scheint gesetzt.
Jaime Alguersuari: Der 19-Jährige hat alle Skeptiker überrascht und sich ohne Testfahrten gut verkauft.
Die Kandidaten:
Giancarlo Fisichella: Der Italiener wird für den Rest der Saison das Ferrari-Cockpit bekleiden. Danach soll er als Test- und Ersatzfahrer der Scuderia erhalten bleiben. Eine Rückkehr scheint also ausgeschlossen.
Adrian Sutil: Sollte es für ihn nicht mit dem Wechsel zu McLaren-Mercedes klappen, wird auch er wohl bleiben, wo er ist.
Vitantonio Liuzzi: Bekommt bis zum Saisonende die Chance, Fisichella zu ersetzen und macht sich Hoffnungen auf ein langfristiges Engagement. Wird aber aus eigener Kraft weder Fisichella noch Sutil verdrängen können. Muss hoffen, dass einer von beiden geht.
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Das Team konnte aufgrund der unsicheren Lage das neue Concorde Agreement nicht unterschreiben, der offene 13. Platz im Starterfeld 2010 ist aber reserviert, sollte man eine Finanzierung gestemmt bekommen.
Die Kandidaten:
Nick Heidfeld: Ihm wäre es lieber, frühzeitig irgendwo anders unterzukommen, aber wenn ein BMW-Fahrer im Team bleibt, dann eher Heidfeld als Kubica.
Christian Klien: Für den Testfahrer wäre ein Fortbestand des Teams eine gute Chance aufzusteigen.
Jacques Villeneuve: Der Weltmeister von 1997 will unbedingt zurück in die Formel 1, aber irgendwie scheint niemand ihn so richtig zu wollen. Der BMW-Nachfolger könnte für ihn zur Last-Minute-Lösung werden, immerhin ist er schon einmal bei Sauber gefahren und kennt das Team.
Vitaly Petrov: Der Russe liegt in der GP2-Gesamtwertung auf Platz zwei hinter Hülkenberg, ist also ein talentierter junger Mann. Außerdem bringt er eine Menge Sponsorengelder mit. Sein Name kursierte in Spa im Fahrerlager.
Glaubt man spanischen Medien, sind sogar beide Cockpits schon vergeben, bestätigt ist das aber noch nicht.
Die Kandidaten:
Pedro de la Rosa: Der McLaren-Testfahrer scheint als Nummer eins im Team gesetzt zu sein. Das macht Sinn, schließlich hat er jede Menge Erfahrung und ist als Spanier auch noch eine Identifikationsfigur.
Vitaly Petrov: Die Sponsorengelder, die Petrov angeblich im Gepäck hat, würden nicht nur dem BMW-Nachfolger sondern auch einem neuen Team wie Campos sehr gut tun.
Bruno Senna: Sponsorengelder und einen guten Namen hat auch Senna. Trotzdem sind die Verhandlungen laut spanischer Presse gescheitert.
Verdächtig erscheint Insidern, dass sich die Teamchefs Ken Anderson und Peter Windsor alles andere als gewissenhaft auf die Formel 1 vorbereiten. Mögliche Nachrücker wie Epsilon Euskadi oder Litespeed setzen ihre Entwicklung jedenfalls unbeirrt fort. Entsprechend vage sind auch die Spekulationen um mögliche Fahrer.
Die Kandidaten:
Jonathan Summerton: Der 21-Jährige fährt 2009 in der Atlantic Championship und liegt auf Platz drei der Gesamtwertung. Er gilt als einer der heißesten Kandidaten auf den Platz des US-Boys im Team.
Alexander Rossi: Der Sieger des Formel-BMW-Weltfinals 2008 wird in diesem Jahr noch die Chance bekommen, bei einem Test für BMW-Sauber zu zeigen, ob er für die Königsklasse geeignet ist oder nicht. Der Kalifornier ist erst 17 Jahre alt und wäre damit der jüngste F-1-Pilot aller Zeiten.
Danica Patrick: Die Presse würde es lieben, sie im Formel-1-Cockpit zu sehen, aber Fakt ist, dass noch niemand mit Patrick über einen möglichen Vertrag gesprochen hat. Sie wird wohl in der IRL bleiben.
Jacques Villeneuve: Auch bei ihm gibt es zwar nichts Konkretes, aber er würde die Erfahrung mitbringen, die US F1 gerne im zweiten Cockpit hätte.
Die Kandidaten:
Eigener Nachwuchs. Manor könnte ein Cockpit aus seinem Pool an Formel-3-Piloten besetzen. Der besteht aus dem Brasilianer Pedro Enrique, dem Spanier Roberto Merhi und dem Brasilianer Cesar Ramos.
Erfahrung: Das zweite Manor-Cockpit könnte zum Auffangbecken für einen derjenigen werden, die sonst nirgends untergekommen sind. Mögliche Namen: Nick Heidfeld, Alexander Wurz, Jacques Villeneuve. Die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen.