Die Nachricht von Hondas Formel-1-Ausstieg aufgrund der allgemeinen Wirtschaftskrise schlug ein wie eine Bombe. Mitarbeiter, Fans und Funktionäre reagierten geschockt. F-1-Boss Bernie Ecclestone sieht die Königsklasse dennoch nicht in Gefahr. Er hält "seine" Rennserie für stark genug, um der Finanzkrise zu trotzen.
Mercedes-Benz-Motorsportchef Norbert Haug und Premiere-Experte Marc Surer können mit Hondas Ausstiegsbegründung sowieso nichts anfangen. Beide sehen die andauernden Wirtschaftskrise nicht als einzigen Grund für das Ende des japanischen Rennstalls.
"Nach zwei schlechten Jahren hat Honda einen Grund zum Ausstieg gebraucht", sagt Marc Surer, von 1979 bis 1986 selbst Formel-1-Pilot. Vielleicht seien die Japaner sogar froh, mit der Finanzkrise eine Ausrede gefunden zu haben, mutmaßt der Schweizer.
Surer weiter: "Honda ist in der Formel 1 zwei Jahre ohne Sponsor gefahren. Für mich ist es sehr erstaunlich, dass ein großer Hersteller keinen großen Sponsor findet."
Ist die Formel 1 in Gefahr?
Honda hatte am Freitagvormittag den sofortigen Rückzug aus der Königsklasse bekanntgegeben. Jetzt suchen die Japaner nach einem Käufer für Rennteam und Motorenabteilung. Als Grund für das überraschende Aus wurde die Wirtschaftskrise genannt.
Damit würden in der kommenden Saison nur noch neun Teams an den Start gehen. Droht der Formel 1 sogar ein weiterer Aderlass?
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Haug beruhigt die Fans auf Nachfrage von SPOX: "Unser Formel-1-Engagement steht auf finanziell soliden Beinen und wird zu einem Großteil von unseren Sponsorpartnern finanziert", so der 56-Jährige. "Der Beitrag von Mercedes-Benz ist kosteneffizient gestaltet, das Medien- und Publikumsecho, das die letzte Saison und der Titelgewinn von Lewis Hamilton generierte, war ein Vielfaches dessen wert, was wir an Finanzen eingesetzt haben."
"Es war auffällig, dass Honda extrem aufgerüstet hat"
Der Abschied von Honda kommt für Haug offenbar nicht ganz überraschend. "Es war innerhalb der Formel 1 auffällig, dass Honda in den letzten Jahren extrem aufgerüstet hat und in Windkanäle, technische Ausrüstung und deutlich mehr Belegschaft investiert hat", so der Mercedes-Motorsportchef. "Zahlungskräftige Sponsorpartner auf den Rennfahrzeugen waren indes nicht erkennbar, der Erfolg stellte sich nicht ein - das alles hat dann wohl zu der Ausstiegs-Entscheidung geführt."
Die Vereinigung der Formel-1-Teams (FOTA) arbeite intensiv an Kostensenkungsmaßnahmen. Über die nächsten zwei Jahre müsse man eine Kürzung von mindestens 50 Prozent erreichen. "Es ist sehr traurig, dass dieser Ausstieg passiert, dies zeigt nur, wie wichtig die von uns seit über fünf Jahren geforderten Kostensenkungsmaßnahmen sind, die bisher nur zu einem kleineren Teil umgesetzt sind", so Haug.
Mit dem Ausstieg von Honda geht für Surer ein Ruck durch die Motorsport-Welt. "Es ist ein Warnschuss für alle, die in der Formel-1-Welt involviert sind", so der Schweizer weiter. Wenn jemand mit Ausstiegsgedanken spiele, gebe ihm das nun zusätzliche Argumente. "Wenn weitere Teams aussteigen würden, wäre die Lage prekär."
Ecclestone: "Große Schande"
"Das ist ein Weckruf", sagt Bernie Ecclestone, doch der F-1-Boss gibt sich in einem Interview mit der "BBC" ungeachtet dessen optimistisch: "Die Formel 1 ist in keiner größeren Krise als jede andere Firma der Welt."
Das Ende des Engagements von Honda sieht der Brite allerdings als "eine große, große Schande". Die weltweite Wirtschaftskrise werde die Formel 1 aber nicht stoppen.
Karriereende für Barrichello?
Neben 700 Mitarbeitern in der englischen Zentrale in Brackley müssen auch die beiden bisherigen Honda-Piloten Jenson Button und Rubens Barrichello um ihre Zukunft in der Königsklasse fürchten.
"Sollte kein Käufer gefunden werden, wird Barrichello definitiv zurücktreten müssen", so Surer. Button sei ein möglicher Kandidat für Toro Rosso.
Ein herber Rückschlag ist der Rückzug zudem für Bruno Senna, Neffe der tödlich verunglückten Rennlegende Ayrton Senna. Der Nachwuchsfahrer war zuletzt bei Honda als Testpilot im Einsatz.
Surer: "Brawn ist ein gutes Argument"
Ob sich für das Team um Superhirn Ross Brawn ein Käufer findet, hängt in erster Linie vom Preis ab. Neben dem japanischen Rennstall steht auch das zuletzt erfolgreichere Toro-Rosso-Team zum Verkauf.
In den vergangenen drei Jahren (54 Rennen) triumphierte Honda nur ein einziges Mal: Button siegte 2006 in Ungarn. 2007 landeten die beiden Piloten nicht einen Podestplatz, in der vergangenen Rennzeit reichte es gerade noch zu einem dritten Platz.
"Es wird nicht einfach, aber Ross Brawn und seine Mannschaft wären ein gutes Argument. Es gibt sicherlich jede Menge Interessenten, aber seriöse Käufer fallen mir jetzt keine ein", sagt Surer.
Fry und Brawn basteln am Rettungspaket
Teamchef Brawn und Geschäftsführer Nick Fry basteln nach dem überraschenden Aus fieberhaft an einem möglichen Rettungspaket. "Es wird hart, aber es gibt gute Gründe zur Hoffnung", sagte Fry dem TV-Sender Sky. Mindestens drei Übernahme-Interessenten hätten sich bereits gemeldet, als Motorenlieferant ist Ferrari im Gespräch.
Und auch Pilot Button glaubt an den Rennstall: "Wir müssen positiv bleiben und als Team zusammenstehen, sonst wird keiner an einer Übernahme interessiert sein."
Mosley fordert weiter Einheitsmotoren
Mit Hondas Ende in der Königsklasse sprach sich auch FIA-Präsident Max Mosley für Kostensenkungen in der Formel 1 aus und bot bereits knapp zwei Stunden nach dem offiziellen Ausstieg der Japaner günstige Motoren an.
Er will die bisherigen jährlichen Kosten eines kompletten Aggregates von derzeit rund 10 Millionen Euro bis 2012 auf 6,42 Millionen Euro drücken. "Wenn die Teams jetzt nicht merken, was passiert ist, muss man alle Hoffnung aufgeben", warnt Mosley.
Mercedes, BMW und Ferrari wehren sich heftig gegen die Einführung eines Einheitsmotors. Aber nicht nur von den drei großen Teams der Branche bekommt Mosley Gegenwind.
Surer: "Mit kleinen Änderungen viel Geld sparen"
"Mit den Einheitsmotoren würde man der Formel 1 die Identifikation nehmen, wenn alles praktisch aus dem Regal kommt", warnt Surer
Man könne mit kleinen Änderungen viel Geld einsparen, aber nicht indem man für komplett neue Entwicklung sorge. "Alles was in den letzten Jahren Geld gekostet hat, hat die FIA verbrochen. Das fing mit neuen V8-Motoren an und ging mit KERS, das bis zu 50 Millionen Euro pro Team verschlungen hat, weiter."
Ohne Zweifel, nach dem Ausstieg von Honda ist die Königsklasse in einer prekären Situation.