"Wir haben kein All-Star-Team"

Von Interview: Florian Regelmann
Bundestrainer Uwe Krupp drückt sich nicht vor unpopulären Entscheidungen
© Getty

ExklusivBundestrainer Uwe Krupp erklärt bei SPOX, warum Deutschland bei der WM in der Schweiz für eine Überraschung gut ist. Außerdem beklagt er mangelnde Nachwuchsarbeit und spricht über unpopuläre Personalentscheidungen a la Jürgen Klinsmann.

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SPOX: Herr Krupp, ich bin überzeugt, dass Deutschland bei der WM ins Viertelfinale kommt. Bin ich ein Träumer?

Uwe Krupp (lacht): Das würde ich doch nicht sagen. Wir alle hoffen, dass es möglich ist, aber das wird eine schwierige Angelegenheit. Da muss schon alles passen.

SPOX: Bei den letzten Turnieren wäre es eigentlich immer drin gewesen.

Krupp: Das stimmt. Vor zwei Jahren sind wir wegen des Torverhältnisses nicht ins Viertelfinale gekommen, im letzten Jahr haben wir gegen Norwegen nicht gewinnen können - die Chance ist also für uns immer da. Gerade vor dem Super-Eishockey-Jahr 2010 mit den Olympischen Spielen und der Heim-WM wäre das ein großer Erfolg für uns.

SPOX: Was ist denn das realistische Ziel?

Krupp: Für uns ist die Weltrangliste ganz wichtig. Wir stehen aktuell auf Platz zehn und wollen den Abstand zu Weißrussland auf Rang neun möglichst verringern. Der Neunte braucht keine Olympia-Qualifikation zu spielen und muss durch keine Zitterpartie durch, wie wir es mussten. In der Weltrangliste kommen wir nur mit einem guten Abschneiden bei der WM nach oben.

SPOX: Am besten man ärgert als Zugabe noch einen Großen.

Krupp: Ja, absolut. Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir dazu in der Lage sind. Vor zwei Jahren war es Tschechien, im letzten Jahr die Slowakei. Wir sind immer für eine Überraschung gut. Aber wichtiger ist, dass wir die Teams schlagen, die mit uns auf Augenhöhe sind.

SPOX: Da zählt die Schweiz eigentlich gar nicht mehr dazu, oder?

Krupp: Ganz sicher nicht. Die Schweiz ist für mich eine Mannschaft, die es ins Halbfinale schaffen kann. Sogar weiter. Ich rechne damit, dass die Schweiz in diese Region vordringen wird. Ich wäre überrascht, wenn es nicht so wäre. In unserer Gruppe ist es so, dass die Schweiz das Zeug hat, Russland zu ärgern, wir können unter Umständen die Schweiz ärgern, und die Franzosen können uns bis zur letzten Sekunde ärgern. Das ist das Kräfteverhältnis.

SPOX: Wie können wir die Schweizer mal wieder schlagen?

Krupp: Ganz einfach: Wir hätten vor 15 Jahren anfangen müssen, so Nachwuchsarbeit zu machen wie die Schweiz. Dann könnten wir sie jetzt schlagen. So brauchen wir einen guten Tag, der Gegner einen nicht so guten, dann haben wir eine Chance. Aber wenn wir die Schweiz schlagen würden, wäre das eine Überraschung. Sie gewinnen seit vier Jahren konstant gegen uns, da braucht man über die Qualitäten nicht zu sprechen.

Hier geht's zur deutschen Gruppe B

SPOX: Bei der U18-WM hat die Schweiz Deutschland mit 8:3 geschlagen, die DEB-Auswahl ist am Ende abgestiegen.

Krupp: Das zeigt, dass es im deutschen Eishockey zwar einige gute Ansätze gibt, dass sich aber noch deutlich mehr tun muss. Wir verlassen uns auf die Nachwuchsarbeit von wenigen guten Vereinen. Wir haben 60 Profi-Vereine in Deutschland, und davon arbeiten fünf auf einem Top-Niveau. Es wäre gut, wenn in unseren großen Standorten intensive Nachwuchsarbeit betrieben werden würde.

SPOX: Trotz aller Probleme verfolgen Sie einen klaren Plan und haben eine klare Eishockey-Philosophie. Wie würden Sie diese beschreiben?

Krupp: Deutschland hat schon unter Hans Zach aus einer kompakten Defensive gespielt, aber ich denke, dass wir jetzt ein anderes Eishockey spielen. Wir checken vor, wenn wir die Möglichkeit haben. Wir machen Druck und haben eine laufstarke Mannschaft. Wir haben eine talentierte Truppe zusammen.

SPOX: Was ist die größte Stärke des deutschen Teams?

Krupp: Unsere größte Stärke ist die Kampfkraft. Wir können uns in den entscheidenden Spielen steigern. Gerade gegen die großen Gegner. Wir spielen immer gut, wenn wir nach oben spielen. Dazu kommt noch, dass wir läuferisch starke Spieler haben. Wir sind eine gute, schnelle Mannschaft.

SPOX: Auch das Power Play, lange Zeit eine Schwäche deutscher Teams, ist unter Ihnen eine Stärke geworden.

Krupp: Unser Power Play ist recht gut geworden, das ist richtig. Wir wollen eine Art Eishockey spielen, die den Gegner zwingt, Strafen zu nehmen, weil er uns behindern oder runter ziehen muss. Die Mannschaft, die mehr arbeitet, bekommt mehr Power-Play-Chancen, diese Mannschaft wollen wir sein.

SPOX: Sie setzen auf ein eingespieltes Team und verzichten größtenteils auf Spieler von den Finalisten aus Berlin und Düsseldorf. Warum?

Krupp: Diese ganze Sache wurde komplett falsch dargestellt und aus dem Kontext genommen. Was ich gesagt habe, ist, dass in Berlin acht potenzielle Nationalspieler spielen und dass wir aufgrund der mangelnden Vorbereitungszeit leider nicht allen acht Spielern die Möglichkeit geben können, bei der WM zu spielen. Für die Zukunft gesehen bleiben sie aber, genau wie einige Spieler aus Düsseldorf, natürlich Kandidaten für die Nationalmannschaft. Mit einer anderen Vorbereitung hätten sicher mehr Spieler eine Chance verdient gehabt. So setzen wir auf die Spieler, die wir kennen und die wir kurzfristig ins Team einbauen können.

Das WM-Aufgebot der deutschen Mannschaft

SPOX: Wegen Ihrer "kontroversen" Personalpolitik wurden Sie schon mit Bayern-Coach Jürgen Klinsmann verglichen.

Krupp: Ob das Jürgen Klinsmann ist oder ob ich das bin, jeder Trainer muss unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn er davon überzeugt ist, dass es für das Team das Beste ist. Das ist nichts Besonderes. Wir haben kein All-Star-Team. Das haben die Kanadier, Schweden, Tschechen, Finnen oder Russen. Wir nicht. Wir müssen als geschlossene Einheit auftreten. Mit diesem Hintergrund treffe ich die Entscheidungen.

SPOX: Zwei Spieler, die aus der NHL als Verstärkung kommen, sind Jochen Hecht und Christoph Schubert. Was können die beiden dem Team geben?

Krupp: Beide hatten eine schwierige Saison in den USA. Christoph hat nicht viel gespielt, weder als Verteidiger noch als Stürmer, er konnte sich in Ottawa nicht durchsetzen und hat viel zugeschaut. Wir werden genau abwägen müssen, wie wir ihn einsetzen, aber er wird uns besser machen. Er hat immer eine gute Einstellung und ist gerne dabei. Jochen hatte es in Buffalo auch nicht leicht, er hat erst gegen Ende der Saison auf dem Level gespielt, wo er zufrieden war. Wir wollen ihn so einsetzen, dass er eine gute WM für uns spielen wird.

SPOX: Wie immer wird viel vom Goalie abhängen. Wer ist die deutsche Nummer eins?

Krupp: Dimitri Pätzold ist unsere Nummer eins. Dahinter haben wir mit Dennis Endras und Dimitrij Kotschnew zwei Jungs, die wir jederzeit einsetzen können und die auch einen guten Job für uns machen würden.

SPOX: War der Wechsel von Pätzold aus Russland zurück nach Hannover in die DEL goldrichtig?

Krupp: Sein Wechsel nach Nordamerika zu Anfang seiner Karriere war goldrichtig. Er wurde in der Torhüter-Schule der San Jose Sharks ausgebildet und hat sich dort entwickelt. Er ist rundherum ein solider Goalie. Da sind wir genauso gut aufgestellt wie die Top-Mannschaften.

SPOX: Was erwarten Sie grundsätzlich für eine WM?

Krupp: Das internationale Eishockey wird immer schneller. Läuferische Qualitäten sind immer mehr gefordert. Wir müssen versuchen, da mitzuhalten und dem gewachsen zu sein. Das größte Problem für unsere Spieler ist, es dass sie einer Liga spielen, in der nicht so schnell gespielt wird. Wir versuchen, die Spieler in der Vorbereitung an das höhere Tempo heranzuführen, aber wenn du das in deinem Alltag nicht hast, ist es nicht leicht. Damit müssen wir klarkommen und deshalb treten wir mit einer Mannschaft an, die von den Grundvoraussetzungen dazu tendiert, schnell spielen zu wollen und es hoffentlich auch zu können.

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