21.12.2009 um 02:09 Uhr
Als die Liebe starb
Wer meine Blogs bei spox.com bislang verfolgt hat, weiß, dass ich leidgeprüfter Fan des Karlsruher SC bin. Und das schon, seit ich denken kann bzw. mich für Fußball interessiere.
In meiner Eigenschaft als Fan habe ich miterleben müssen, wie das DFB-Pokalfinale 1996 ausgerechnet gegen den 1.FC Kaiserslautern mit 0:1 in die Binsen ging. Als KSC-Fan in der Pfalz nicht gerade die höchste aller Wonnen. Aber ich habe es ertragen.
Die Saison 1997/1998 sah den Abstieg meines KSC, während gleichzeitig der vor der Saison wieder aufgestiegene FCK ausgerechnet unter Otto Rehagel das Kunststück vollbrachte, als erster und bislang einziger Aufsteiger die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Ich ertrug auch das.
1999/2000 stieg der KSC, zu Beginn der Saison übrigens trainert von einem Mann, dem man kürzlich noch das Vertrauen ausgesprochen hat, die deutsche Nationalmannschaft bis 2012 zu führen (der Mann, der im Übrigen für die EM 2008 David Odonkor nominierte), in die Regionalliga ab, kämpfte gegen die Insolvenz, während Kaiserslautern in der Champions League erst vom FC Bayern München gestoppt werden konnte. Auch das ertrug ich.
Im darauffolgenden Jahr ausgerechnet mit einem gewissen Stefan Kuntz der Wiederaufstieg in Liga 2.
Die nächsten Jahre: Abstiegskampf. Ich war im Stadion, als der KSC im letzten Heimspiel der Saison 2004/2005 gegen Rot-Weiß-Erfurt den Klassenerhalt klarmachte – und holte mir dank des Dauerregens eine zünftige Bronchitis. Der Leser ahnt: Ich ertrug es.
Kurz gefasst: Ich bin mit dem KSC durch die schwärzesten Stunden der jüngeren Vereinsgeschichte gegangen. Danach folgte 2006/2007 der Wiederaufstieg in die 1.Liga, im Jahr darauf ein respektabler 11.Platz, gefolgt vom Wiederabstieg. Nun dümpelt der KSC im Mittelfeld der 2.Liga vor sich hin, Kontakt zu den Abstiegsrängen wurde erfolgreich hergestellt, und langsam, ganz langsam, ist im letzten halben Jahr in mir etwas zerbrochen, von dem ich dachte, es würde ewig währen.
Seien wir mal ehrlich: Was man sich vom Verein seines Herzens bieten lässt, was man zu ertragen gewillt ist, was man durchleidet, übersteigt das Ausmaß dessen, was man in einer Partnerschaft erdulden würde. Auch wenn der Vergleich zugegebenermaßen hinkt: Wenn jede Niederlage wie ein Beziehungsstreit, jeder Abstieg wie Fremdgehen ist: Wie oft würde man das – bei aller Liebe – mitmachen? Da kann das Management seit Jahren nur Grütze einkaufen, die besten jungen Spieler für ein Butterbrot an den ärgsten Konkurrenten abgeben oder Edmond Kapllani für einen Torjäger halten: Man erträgt es wie ein Mann, mit einem Stoizismus, der selbst Seneca neidisch gemacht hätte.
Und vielleicht bin ich einfach – einige von euch werden sehr schnell dabei sein, das zu unterstellen – kein "echter Fan", wenn ich sage: Das Maß ist voll! Vielleicht darf für einen "echten Fan" das Maß nie voll sein. Vielleicht muss man sehenden Auges und hilflos dabeistehen und zusehen, wie der Verein, den man liebt, systematisch zerstört wird – und das ausgerechnet von Leuten, die für sich in Anspruch nehmen, ihn mehr als jeder andere zu lieben und zu "besitzen". Die für sich das Recht beanspruchen, "wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot" zu singen, Morddrohungen auszusprechen und Steine auf den Mannschaftsbus zu werfen. Wir haben alle noch die Bilder der marodierenden VfB-"Fans", respektive Ultras, von vor einigen Wochen vor Augen. So gesehen bin ich wohl doch kein Fan.
Ich habe, nachdem der Abstieg aus der Bundesliga traurige Gewissheit geworden war, geweint. Ich saß in Heidelberg in der Kneipe, und habe geweint. Doch all jenes, was danach passierte, seien es die unwürdigen Rahmenbedingungen rund um die Jahreshauptversammlung, die Tatsache, dass man in Personalbelangen scheinbar mehr von persönlichen Eitelkeiten als von sportlichem Augenmaß geleitet zu sein scheint, oder die blutleeren und lustlosen Auftritte der Mannschaft, haben mich vom Verein entfremdet. Resignieren lassen.
Ich war gegen den MSV Duisburg im Stadion. Das war vorvergangenen Freitag. Früher habe ich eine Woche auf ein Heimspiel hingefiebert, habe mich stolz mit Schal und Trikot geschmückt und bin so früh wie möglich angereist, um einen guten Stehplatz zu ergattern. Ich habe mir die Kehle heisergebrüllt, die Choreos mitgemacht, und selbst bei Niederlagen, von der üblichen, typisch deutschen Meckerei abgesehen – keine Aggressionen entwickelt. Ich kann behaupten: Ich habe meine Mannschaft immer unterstützt.
An besagtem Freitag allerdings – ich hatte diesmal Sitzplatzkarten – saß ich mit einer merkwürdigen Distanz im Stadion. Einer meiner wenigen Kommentare war: "Die Mauer steht falsch". Ich sollte Recht behalten, der Freistoß brachte das 0:1. Den Rest des Spiels war ich nur noch wütend. Nicht auf die Mannschaft, das Präsidium, die sportliche Leitung, sondern dass ich einen Freitagabend, den ich genauso gut mit einem Bier in der Kneipe hätte verbringen können, dafür verschwendet habe, mir so eine Grütze anzutun. Der einzige Lichtblick an diesem Abend war meine Begleitung – eine sehr gute Freundin von mir und eine wundervolle Frau, die mich ein wenig beruhigen konnte. Wir gingen in der 75.Minute.
Meine Liebe ist erloschen. Ihr dürft mich nun in den Kommentaren gerne einen "Modefan" zeihen.
Wie man sich in der "Beziehungspause" tröstet: Fremdgehen ist okay!
Die tränenreiche Wiedervereinigung: Wer Liebe lebt...
In meiner Eigenschaft als Fan habe ich miterleben müssen, wie das DFB-Pokalfinale 1996 ausgerechnet gegen den 1.FC Kaiserslautern mit 0:1 in die Binsen ging. Als KSC-Fan in der Pfalz nicht gerade die höchste aller Wonnen. Aber ich habe es ertragen.
Die Saison 1997/1998 sah den Abstieg meines KSC, während gleichzeitig der vor der Saison wieder aufgestiegene FCK ausgerechnet unter Otto Rehagel das Kunststück vollbrachte, als erster und bislang einziger Aufsteiger die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Ich ertrug auch das.
1999/2000 stieg der KSC, zu Beginn der Saison übrigens trainert von einem Mann, dem man kürzlich noch das Vertrauen ausgesprochen hat, die deutsche Nationalmannschaft bis 2012 zu führen (der Mann, der im Übrigen für die EM 2008 David Odonkor nominierte), in die Regionalliga ab, kämpfte gegen die Insolvenz, während Kaiserslautern in der Champions League erst vom FC Bayern München gestoppt werden konnte. Auch das ertrug ich.
Im darauffolgenden Jahr ausgerechnet mit einem gewissen Stefan Kuntz der Wiederaufstieg in Liga 2.
Die nächsten Jahre: Abstiegskampf. Ich war im Stadion, als der KSC im letzten Heimspiel der Saison 2004/2005 gegen Rot-Weiß-Erfurt den Klassenerhalt klarmachte – und holte mir dank des Dauerregens eine zünftige Bronchitis. Der Leser ahnt: Ich ertrug es.
Kurz gefasst: Ich bin mit dem KSC durch die schwärzesten Stunden der jüngeren Vereinsgeschichte gegangen. Danach folgte 2006/2007 der Wiederaufstieg in die 1.Liga, im Jahr darauf ein respektabler 11.Platz, gefolgt vom Wiederabstieg. Nun dümpelt der KSC im Mittelfeld der 2.Liga vor sich hin, Kontakt zu den Abstiegsrängen wurde erfolgreich hergestellt, und langsam, ganz langsam, ist im letzten halben Jahr in mir etwas zerbrochen, von dem ich dachte, es würde ewig währen.
Seien wir mal ehrlich: Was man sich vom Verein seines Herzens bieten lässt, was man zu ertragen gewillt ist, was man durchleidet, übersteigt das Ausmaß dessen, was man in einer Partnerschaft erdulden würde. Auch wenn der Vergleich zugegebenermaßen hinkt: Wenn jede Niederlage wie ein Beziehungsstreit, jeder Abstieg wie Fremdgehen ist: Wie oft würde man das – bei aller Liebe – mitmachen? Da kann das Management seit Jahren nur Grütze einkaufen, die besten jungen Spieler für ein Butterbrot an den ärgsten Konkurrenten abgeben oder Edmond Kapllani für einen Torjäger halten: Man erträgt es wie ein Mann, mit einem Stoizismus, der selbst Seneca neidisch gemacht hätte.
Und vielleicht bin ich einfach – einige von euch werden sehr schnell dabei sein, das zu unterstellen – kein "echter Fan", wenn ich sage: Das Maß ist voll! Vielleicht darf für einen "echten Fan" das Maß nie voll sein. Vielleicht muss man sehenden Auges und hilflos dabeistehen und zusehen, wie der Verein, den man liebt, systematisch zerstört wird – und das ausgerechnet von Leuten, die für sich in Anspruch nehmen, ihn mehr als jeder andere zu lieben und zu "besitzen". Die für sich das Recht beanspruchen, "wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot" zu singen, Morddrohungen auszusprechen und Steine auf den Mannschaftsbus zu werfen. Wir haben alle noch die Bilder der marodierenden VfB-"Fans", respektive Ultras, von vor einigen Wochen vor Augen. So gesehen bin ich wohl doch kein Fan.
Ich habe, nachdem der Abstieg aus der Bundesliga traurige Gewissheit geworden war, geweint. Ich saß in Heidelberg in der Kneipe, und habe geweint. Doch all jenes, was danach passierte, seien es die unwürdigen Rahmenbedingungen rund um die Jahreshauptversammlung, die Tatsache, dass man in Personalbelangen scheinbar mehr von persönlichen Eitelkeiten als von sportlichem Augenmaß geleitet zu sein scheint, oder die blutleeren und lustlosen Auftritte der Mannschaft, haben mich vom Verein entfremdet. Resignieren lassen.
Ich war gegen den MSV Duisburg im Stadion. Das war vorvergangenen Freitag. Früher habe ich eine Woche auf ein Heimspiel hingefiebert, habe mich stolz mit Schal und Trikot geschmückt und bin so früh wie möglich angereist, um einen guten Stehplatz zu ergattern. Ich habe mir die Kehle heisergebrüllt, die Choreos mitgemacht, und selbst bei Niederlagen, von der üblichen, typisch deutschen Meckerei abgesehen – keine Aggressionen entwickelt. Ich kann behaupten: Ich habe meine Mannschaft immer unterstützt.
An besagtem Freitag allerdings – ich hatte diesmal Sitzplatzkarten – saß ich mit einer merkwürdigen Distanz im Stadion. Einer meiner wenigen Kommentare war: "Die Mauer steht falsch". Ich sollte Recht behalten, der Freistoß brachte das 0:1. Den Rest des Spiels war ich nur noch wütend. Nicht auf die Mannschaft, das Präsidium, die sportliche Leitung, sondern dass ich einen Freitagabend, den ich genauso gut mit einem Bier in der Kneipe hätte verbringen können, dafür verschwendet habe, mir so eine Grütze anzutun. Der einzige Lichtblick an diesem Abend war meine Begleitung – eine sehr gute Freundin von mir und eine wundervolle Frau, die mich ein wenig beruhigen konnte. Wir gingen in der 75.Minute.
Meine Liebe ist erloschen. Ihr dürft mich nun in den Kommentaren gerne einen "Modefan" zeihen.
Wie man sich in der "Beziehungspause" tröstet: Fremdgehen ist okay!
Die tränenreiche Wiedervereinigung: Wer Liebe lebt...
Aufrufe: 13156 | Kommentare: 55 | Bewertungen: 37 | Erstellt:21.12.2009
ø 9.6
KOMMENTARE
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21.12.2009 | 11:01 Uhr
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Bailey :
Um es gleich mal vorweg zu nehemen:Als in Rheinhessen wohnender VfB-Fan hält sich mein Mitleid für einen pfälzer KSC-Fan in, sagen wir engen Grenzen
Aber im Ernst. Ich kann schon irgendwie nachfühlen, dass sich über die Jahre sehr viel Frust bei KSC-Anhängern angestaut hat. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich in so einer Situation anders entschieden hätte und mich vom Verein abgewandt hätte, denn ich war zum Glück noch nie in so einer Situation.
Trotzdem glaube ich, dass es irgendwann bei jedem den Punkt gibt, an dem die persönliche Leidensfähigkeit einfach nicht mehr ausreicht. Bei einem ist der schneller erreicht, beim anderen später. Der eine reagiert mit Aggression darauf (unsere Möchtegern-Ultra-"Fans" seien hier als Beispiel genannt), andere mit Resignation, wieder andere mit Apathie.
Von daher würde ich jemandem, dem es so geht nicht das Ettikett eines Modefans anhängen, vielmehr ist es eine ganz natürliche Sache.
Gewinnen macht mehr Spass als verlieren. Oben stehen ist schöner as unten stehen.
Und es ist nunmal Sache des Vereins und der Mannschaft die Fans ins Stadion zu locken. Natürlich muss man als Fan dann der Mannschaft in schlechten Zeiten auch helfen und sie unterstützen (nicht bedrohen), aber wenn man sich selbst damit halb kaputt macht, dann sollte man wirklich über eine Alternative nachdenken.
Für mich bist du daher kein "Modefan" sondern einfach jemand, der auch noch ein Leben außerhalb des Stadions führen kann
BTW: Sehr schöner Schreibstil, hat mir echt gefallen zu lesen. Und das trotz der oben angeführten Gründe
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21.12.2009 | 12:21 Uhr
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jasi2106 :
Klasse Blog! Den Inhalt kenne ich ja schon seit längerem, doch das hast du nochmal sehr schön in einem Blog ausgedrückt
Super geschrieben, lese deine Blogs immer wieder gerne
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21.12.2009 | 17:08 Uhr
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oliver : ...
also mein verständnis hast du. mein vollstes verständnis. finde den vergleich mit einer ehe sehr gut. hab ich paar kölner bekannten hier (hey midgi!, hey luka!, hey göddi!) auch schon öfters mal so gesagt, als die wieder so unfassbar vor sich hinleideten. nach jedem beziehungs-aus kommt aber irgendwann unweigerlich die frage: hast du schon ne neue? und wer ist sie?
1
21.12.2009 | 17:22 Uhr
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tstone1 : @oliver
kann man sich denn so einfach einen neuen Verein suchen? Stell mir das schwer vor. Bei ner Frau, ok. Da wart ich mal ein halbes Jahr, wo ich nachts mal auf die Rolle geh und dann ergibts sich mal wieder was. Aber bei nem Verein??? Montags einen heben und mit Pauli flirten. Dienstag in ne Bar und mit den Wolfsburgern anbendeln. Mittwochs bißchen die Bayern antanzen, Donnerstag dem HSV schöne Augen machen und freitags dann wieder Schalke nachpfeifen...
Nee nee, so wird das nichts. Kann den Blogger hier zwar irgendwie verstehen, bin mir aber sicher das er irgendwann zu seiner Ex zurückkehrt. Ihr braucht nur mal Pause, glaub mir
5
21.12.2009 | 17:34 Uhr
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21.12.2009 | 17:35 Uhr
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oliver : ...
@tstone: also bei mir ist das eigentlich ungefähr so, wie du das beschreibst. nur dass ich nicht jeden abend ausgehe ;)
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21.12.2009 | 17:37 Uhr
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Ich muß dir schon zustimmen, was im Moment abgeht ist eigentlich hochgradig peinlich und äußerst primitiv. Das Präsidium findet es anscheinend passend, in einer sportlich nicht gerade prickelnden Situation feudale Machtkämpfe auszutragen und es wirkt so, als wollten die Leute sich nur mit dem KSC-Wappen schmücken, wie es Geschäftsleute mit einem dicken SUV machen würden ;(
Diese fehlende Kontinuität merkt man der Mannschaft schon deutlich an. Eigentlich spielen sie ja einen ganz guten Ball, aber es werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht, z.B. unnötige Tore nach Führungen kassiert. Ich nenn das einfach mal Spielintelligenz, die fehlt der Mannschaft seit der Abstiegssaison schon. Bei hohen Führungen und drückender Überlegenheit mach ich mir mehr in die Hose als bei einem Rückstand, oder bei einem spielerisch schlechten Spiel.
Ist ja fast schon die perfekte Ironie, vor ein paar Jahren hab ich mich köstlich über die Vorstände der Lautrer amüsiert und nun passiert hier vielleicht das Gleiche. Falls wir unten reingeraten, werden wir nicht so wie Lautern rauskommen. Hier stehen die Fans nicht so hinter der Mannschaft und sind nicht so (positiv) aggressiv.
Meine dringenste Bitte ist aber, daß Oli Kahn nicht vom Hof gejagt wird, wenn er einen Managerposten sucht. Er ist sozusagen Hoeneß' Ziehsohn und wie gut der als Manager war muß man einfach anerkennen. Vielleicht reichen schon ein paar Jahre Kahn um ein bisschen Ruhe reinzubringen.