NBA

A few good Men

Von David Digili
Andre Drummond (l.) und Anthony Davis zählen zu den vielversprechendsten Big Men der Liga
© getty

Ob Anthony Davis, DeMarcus Cousins oder Andre Drummond - die neue Center-Generation der NBA überrascht mit einer Vielzahl an Spielern mit Talent und Potenzial. Dabei schien die Position unter dem Korb über Jahre die dringendste Baustelle der Liga, die Liste missglückter Experimente und verzweifelter Versuche ist lang. Ein Blick auf die Fünf.

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"Andre hat ja sogar seinen Teamkollegen die Rebounds weggeschnappt," staunte Coach Nate McMillan nach der Rising Stars Challenge am vergangenen Freitag über den MVP der Partie, "aber er wollte es heute einfach wissen." Und wie!

30 Punkte und 25 Rebounds sammelte Pistons-Center Andre Drummond beim 142:136-Sieg für Team Hill ein, zerpflückte das von Chris Webber gemanagte gegnerische Team mit 14 Offensiv-Boards, zeigte eine für das Show-Game fast schon übertriebene Aggressivität. Lohn: Die Auszeichnung zum besten Spieler des Spiels.

Noch vor wenigen Wochen sah das etwas anders aus. Just nach dem 97:114 seiner Detroit Pistons gegen die Houston Rockets stöhnte Drummond: "Das war heute eine echte Lehrstunde für mich." Das Duell mit Dwight Howard - es ging nicht wirklich gut aus für Drummond.

Ganze neun Punkte und sechs Rebounds, dazu fünf Fouls sammelte der 20-Jährige, sein arrivierter Gegenspieler mit der Nummer zwölf wies ihn mit 35 Zählern und 19 Boards deutlich in die Schranken. So blieb der Pistons-Hoffnung nichts anderes übrig, als nach dem Spiel die klaren Verhältnisse kompromisslos anzusprechen: "Ich danke Dwight für diese Lektion."

"Das Spiel hat sich weiterentwickelt"

Eine Lektion, die eine weitere Initialzündung im 2,08 Meter großen Big Man auslöste. Spielte Drummond bis dahin schon ein Career-Year, konnte er danach noch einmal zulegen: 13,1 Punkte und 13,0 Rebounds im Schnitt, dazu 1,9 Blocks, 1,3 Steals und starke Aktionen in Offensive und Defensive.

Dass Howard zu Saisonbeginn noch keine Schwierigkeiten mit seinem ebenso wuchtigen Gegenspieler hatte, es war wohl eine Momentaufnahmen - denn "D12" sieht sich immer stärkerer Konkurrenz auf der Position unter dem Korb ausgesetzt.

Drummond, Anthony Davis (20), DeMarcus Cousins (23), Roy Hibbert (27), DeAndre Jordan (25), Spencer Hawes (25), Nikola Vucevic (23), Derrick Favors (22), Nikola Pekovic (28): Eine ganze Generation vielversprechender Center wächst heran.War Howard also noch bis vor wenigen Jahren der unumstritten beste Center der Basketballwelt, so ist ihm dieser Titel längst nicht mehr sicher.

Besonders Davis und Cousins konnten sich derzeit statistisch empfehlen, sind die beiden jüngsten von insgesamt nur drei Centern im elitären 20/10-Klub. Weitere Mitglieder: Bobcats-Big-Man Al Jefferson sowie die Power Forwards Kevin Love und LaMarcus Aldridge.

Unvorhergesehene Entwicklung

In Sacramento hielt "Boogie" Fans und Fachwelt bisher nicht nur durch die eine oder andere Caprice, sondern auch mit 22,7 Punkten, 11,7 Rebounds, 2,9 Assists und 1,6 Steals in Atem. Pelicans-Franchise-Player Davis ist mit aktuell 20,5/10,1/1,4/1,6 und 3,1 Blocks vielleicht der hellste Stern am Himmel der neuen Center. So belohnten die Trainer der Western Conference die "Unibrow" mit einer All-Star-Nachnominierung als Ersatz für den verletzten Kobe Bryant.

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Eine Entwicklung, die so kaum vorhergesehen wurde - auch nicht von höchster Stelle. Noch 2012 änderte die NBA die All-Star-Stimmzettel. Seitdem sind nur noch Guards und Frontcourt-Spieler wählbar. Die Konsequenz aus Jahren, in denen einzig Howard und Houstons Yao Ming Konstanten auf der großen Position waren - und sich bei den Forwards gleich eine ganze Reihe von Ausnahmespielern um die wenigen Plätze prügelte.

"Das war einfach ein längst überfälliger Schritt", erklärte der damalige NBA-Vize Stu Jackson. "Das Spiel hat sich weiterentwickelt. Dass die Center-Position als einzige separat aufgelistet war, schien wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit und gab die aktuelle Situation einfach nicht wieder."

Lange Liste von Draft-Desastern

Dabei wurde jahrelang versucht, dem Center-Mangel beizukommen. Die Liste der Draft-Fehlschläge auf der Fünf ist lang und für alle Beteiligten schmerzhaft. Das Verlangen, einen potenziellen neuen Star-Big-Man an Land zu ziehen, es war und ist noch immer verbreitet in den Front Offices der Liga - die Umsetzung war jedoch lange mehr als mangelhaft.

Mitunter traten fast schon Panik und Verzweiflung ein, das nächste große Talent zu verpassen - nur so ist zu erklären, dass zwischen großen Namen der Top-Draft-Pick-Historie auch Desaster wie Michael Olowokandi oder Kwame Brown ihr Unwesen treiben dürfen.

"Unglaublich, dass der noch in der Liga ist"

Der "Kandiman" war eines der vielen Fettnäpfchen, in die der langjährige Clippers-GM Elgin Baylor trat, als er den Nigerianer 1998 verpflichtete - vor Dirk Nowitzki, Paul Pierce, Vince Carter oder Antawn Jamison. Nach einigermaßen ordentlichen ersten Jahren verschwand der 2,16-Meter-Mann immer weiter in der Versenkung. Karrierende: 2007, mit nur 32 Jahren. Karrierezahlen: 8,3 Punkte, 6,8 Boards, 1,4 Blocks pro Partie.

Brown dagegen wurde zum Phänomen, zum wandelnden Running Gag, zum fleischgewordenen Beleg der verfehlten Finanzpolitik vieler Klubs. Noch heute wird gerätselt, was Michael Jordan als Verantwortlicher der Washington Wizards im Jahr 2001 tatsächlich im High Schooler sah - und warum ihn andere Teams immer wieder mit üppigen Verträgen ausstatteten.

"Ich kann einfach nicht glauben, dass der immer noch in der Liga ist", beschrieb Kobe Bryant erst kürzlich das weit verbreitete Gefühl zu seinem ehemaligen Mitspieler auf den Punkt. 6,6 Punkte und 5,5 Rebounds im Schnitt brachte der zudem selten austrainiert wirkende Brown zustande, ehe ihn die Philadelphia 76ers Ende November vor die Tür setzten.

Kein Zeichen für Wachablösung

Eine der wahren Gruselgeschichten, die sich NBA-GMs am Lagerfeuer erzählen, ist Darko Milicic - der Serbe, 2003 mit 18 Jahren überraschend von Detroit an Nummer zwei in die Liga geholt, verabschiedete sich 2013 nach immerhin doch zehn Jahren aus der NBA. Mit Karriere-Stats von 6 Punkten und 4,2 Rebounds pro Spiel.

Die bisher letzte Enttäuschung war College-Star Greg Oden, der - ebenfalls verletzungsbedingt - als Nummer-1-Pick 2007 nie richtig aus den Startblöcken kam und mittlerweile bei den Miami Heat nicht mehr als ein Bankdrücker ist.

Kein Wunder, dass Shaquille O'Neal noch nach Yaos verletzungsbedingtem Karrierende 2011 vorhersagte: "Jetzt muss Dwight Howard mindestens drei Meisterschaften holen - es gibt kaum Konkurrenz für ihn." Heute scheint diese Analyse kurios.

Trotz aller Euphorie: Dass noch längst nicht alles wieder in Zeiten glorreicher Center-Ikonen wie Hakeem Olajuwon, Shaq, Alonzo Mourning oder Patrick Ewing in den 90ern angekommen ist, zeigt auch die Tatsache, dass Heat-Forward Chris Bosh seit geraumer Zeit auf der Fünf bestehen konnte.

Trend weg von "echten" Fünfern

Pacers-Legende und TV-Experte Reggie Miller sieht einen Wandel im Spiel: "Oft brauchen Mannschaften für ihr Spiel gar keinen echten Center mehr", erklärt der 48-Jährige, der in Indiana lange Jahre mit dem Niederländer Rik Smits einen soliden Fünfer an der Seite hatte.

"Viele Teams bevorzugen mittlerweile kleinere Line-ups," betont auch Ex-Magic-Coach Stan van Gundy, der mit Howard als Fixpunkt die Finals 2009 erreichte. "Es gibt auch keine Regel mehr, die dem Post-Player Raum gestattet. Was bleibt den Teams übrig? Sie stellen ihren Centern eine Armada an Shootern zur Seite, die Verteidiger auf sich ziehen und so Platz unter dem Korb schaffen."

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Arbeitete früher ein Big Man in der NBA - zumindest in der Wunschvorstellung - mit dem Rücken zum Korb, bietet sich heute ein neues Anforderungsprofil, ob Shooting Range, Passqualitäten oder Schnelligkeit. Bosh stellt seine Gegenspieler mit seiner Fähigkeit, aus der Distanz zu treffen, immer wieder vor Schwierigkeiten - wie so viele jüngere Vierer und Fünfer orientierte sich der Heat-Star auch an Dirk Nowitzki: Ein 2,13 Meter großer Shooter, mit seinem Wurf in besten Zeiten unstoppable - und ein Albtraum für jeden Verteidiger.

Selbst Howard ist dagegen noch immer ein Wackelkandidat selbst aus der Mitteldistanz. Auch kann nicht jeder kann seine Mitspieler fast schon in Point-Guard-Manier in Szene setzen wie Gasol oder Joakim Noah oder überraschend butterweiche Jumper versenken wie Hibbert - heute alles unerlässliche Qualitäten eines Centers von Format.

"Der Schlüssel zur Meisterschaft"

Raum für Verbesserungen ist also bei nahezu jedem der jungen Hoffnungsträger auf der Fünf vorhanden. So arbeitete Cousins 2013/14 merklich an seiner bisher durchwachsenen Verteidigung. DeAndre Jordan dagegen konnte sich im Scoring-Spektakel L.A. bisher vor allem auf die Defensivarbeit konzentrieren - 14,0 Rebounds und 2,3 Blocks pro Spiel als Beweis.

"Scoring hat nicht wirklich Priorität für mich", erklärte Jordan das maginal vorhandene Offensivspiel. Und Anthony Davis? Der bot bislang in dieser Saison 2013/14 vielleicht das kompletteste Paket an überragenden Fähigkeiten an beiden Enden des Courts.

"Ein guter Center ist noch immer der Schlüssel zur Meisterschaft", analysierte Kareem Abdul-Jabbar kürzlich. Dass die Miami Heat mit Bosh als Center im vergangenen Sommer den Repeat perfekt machten, soll an dieser Stelle die Ausnahme der Regel der letzten Jahre sein - denn ob Dallas 2011 (Tyson Chandler), die Lakers (Shaq/Andrew Bynum), Spurs (David Robinson/Tim Duncan) oder Pistons (Ben Wallace): Seit 1999 hatten alle Gewinner der Larry-O'Brien-Trophy einen starken Mann in der Mitte.

Ein gutes Zeichen also für die neue Generation der Big Men in der NBA. Gut möglich, dass Andre Drummond auch bald beim "großen" All-Star Game seinen Mitspielern die Rebounds wegschnappt.

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