UFC

Carwin und Dos Santos auf Kollisionskurs

Von Oliver Copp
Stehen sich im Main Event von UFC 131 gegenüber: Junior Dos Santos (l.) und Shawn Carwin
© ufc

Was geschieht, wenn man die beiden bekanntesten Knockout-Künstler des Schwergewichts in Octagon schickt, um den nächsten Herausforderer um die Weltmeisterschaft zu küren? In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden wir ab 3 Uhr erfahren, was es bedeutet, wenn zwei Naturgewalten wie Shane Carwin und Junior Dos Santos bei UFC 131 aufeinander treffen.

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Dieses Wochenende gastiert die Ultimate Fighting Championship zum zweiten Mal im Westen Kanadas, genauer gesagt: in Vancouver. UFC 131 bringt am Samstag insgesamt zwölf spannende Kämpfe in die frühere Olympiastadt.

Zwar mag das lokale Medieninteresse gegenwärtig dem fünften Spiel der Stanley-Cup-Finals zwischen den Vancouver Canucks und den Boston Bruins gehören, das am Tag vor der UFC in der Rogers Arena stattfindet, doch ist das Kampfsportereignis mit mindestens genau so spannenden Aufeinandertreffen gespickt.

Schwache Ticketverkäufe

Der Kartenvorverkauf läuft deutlich schlechter als beim UFC-Debüt in Vancouver im vergangenen Jahr. Das unerwartet gute Abschneiden der Canucks wird zwar für die eine oder andere nicht verkaufte Karte bei der UFC gesorgt haben. Doch hauptsächlich kann man das im Vergleich niedrigere Abschneiden daran festmachen, dass der ursprünglich geplante Hauptkampf zwischen Brock Lesnar und Junior Dos Santos überhaupt nicht zündete.

Auf dem Papier klang alles super: Die beiden führten zwölf Wochen lang bei der Realityshow The Ultimate Fighter ihre Teams gegeneinander ins Rennen, und wer Brock Lesnars Persönlichkeit kannte, erwartete einige hitzige Szenen zwischen den beiden Coaches Lesnar und Dos Santos.

Tatsächlich gerieten die beiden in der gesamten Staffel kein einziges Mal aneinander - sie verstanden sich einfach zu gut. Zu allem Überfluss erlitt Lesnar dann vor einigen Wochen auch noch einen Rückfall in seinem Kampf gegen die Darmkrankheit Divertikulitis und musste seine Teilnahme in Vancouver absagen.

Mit Shane Carwin wurde hochkarätiger Ersatz für den Event verpflichtet, doch während dieser Kampf für Eingeweihte noch deutlich spannender ist als Lesnar gegen Dos Santos, war zum Zeitpunkt der Ankündigung schon klar, dass die Canucks das Finale des Stanley Cups erreichen würden - und das lokale Presseecho somit minimal.

Traumkampf im Main Event

Für Kampfsportfans ist die Auseinandersetzung der beiden Knockout-Künstler Carwin und Dos Santos dagegen ein Traumkampf. Carwin hatte bereits im Jahr 2010 eine Titelchance gegen den damaligen Champion Lesnar und setzte dem Hünen in der ersten Runde mit seinen Fäusten so zu, dass der Kampf mehrfach kurz vor dem Abbruch stand. Doch Lesnar hielt durch, rettete sich in die zweite Runde - und Carwin ging die Puste aus.

Er war Opfer eines klassischen Adrenalin-Dumps geworden, des plötzlichen Abfalls des körpereigenen Adrenalinspiegels nach einer zu schnellen Verausgabung. Weltmeister Lesnar gelang direkt zu Beginn der Runde ein Takedown, und er zwang seinen Herausforderer mit einer Arm Triangle zur Aufgabe.

Im Alter von Mitte Dreißig traf Shane Carwin in der Zwischenzeit die schwere Entscheidung, etwas Masse abzubauen und dafür mehr auf Ausdauer zu gehen. In dem Jahr seit dem Lesnar-Kampf hat Carwin gut fünfzehn Kilogramm an Muskelmasse abgebaut, ist dafür nun aber schneller und ausdauernder denn je.

Die große Frage, die im Fight gegen Dos Santos zu beantworten sein wird, ist nun, ob er sich seine überwältigende Schlagkraft erhalten konnte oder ob mit seiner geringeren Körperfülle nun auf weniger Wucht einher geht. Auch im Ringen, Carwins Königsdisziplin, kann das einen Unterschied machen. Die einzigen beiden Male, als Carwins Kinn bislang getestet wurde - gegen Gabriel Gonzaga und Neil Wain -, ging der Hüne nach harten Treffern kurz zu Boden, schoss aber gleich wieder auf die Beine.

Dos Santos ohne Plan B

Auch Junior Dos Santos musste seit seinen letzten Kämpfen gegen Mirko Cro Cop Filipovic und Roy Nelson Hausaufgaben erledigen, wenngleich seine Probleme nicht so offenkundig waren. Dos Santos ist in der UFC nach wie vor unbesiegt, doch in beiden Kämpfen zeigte sich, dass er keinen Plan B hatte.

Er wollte um jeden Preis den Knockout und wusste scheinbar nicht so recht, was er tun sollte, nachdem Cro Cop und Nelson seinen Fäusten mehrere Runden widerstehen konnten. Sicherlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass man keinen Plan B braucht, wenn man auch mit Plan A seine Kämpfe nach Punkten gewinnt, falls einem kein Knockout gelingt.

Doch auf Weltmeisterschaftsniveau ist das eindeutig zu wenig. Insofern wirft der Kampf zwischen Shane Carwin und Junior Dos Santos etliche Fragen auf, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu beantworten sind.

Wird Carwins Kinn den harten Schlägen von Dos Santos standhalten können? Wie wird der Brasilianer sich verhalten, wenn er zum ersten Mal in seiner Karriere selbst harte Schläge einstecken muss? Wie gut ist Dos Santos am Boden, wenn dem Ringer Carwin ein Takedown gelingt? Kann Carwin auf der Matte mehr als nur Ground and Pound? Langeweile wird in diesem Kampf so oder so keine aufkommen.

Florians neue Gewichtklasse

TUF-Veteran Kenny Ken Flo Florian wird im zweiten Hauptkampf der Veranstaltung zum ersten Mal in der Gewichtsklasse bis 145 amerikanische Pfund (65,8 Kilogramm) antreten, nachdem er sich bislang im Mittelgewicht, Weltergewicht und zuletzt dem Leichtgewicht betätigt hatte.

Florian galt in den Jahren 2008 und 2009 als der am meisten unterschätzte Kämpfer in den leichteren Gewichtsklassen, konnte aber zuletzt nicht mehr durch steigende Leistungen überzeugen. Nach einer Punktniederlage gegen Gray Maynard letzten August erklärte Florian, er sei für das Leichtgewicht nicht massig genug und werde deswegen ins Federgewicht herunter wechseln.

Dort trifft er auf den WEC-Veteranen Diego Nunes aus Brasilien, der mit sechzehn Siegen bei nur einer Niederlage und zuletzt einem Überraschungssieg gegen Ex-Champion Mike Brown als einer der gefährlichsten Kämpfer der Gewichtsklasse gilt.

Mit dem Rücken zur Wand

Florian steht mit dem Rücken zur Wand, denn er wird in letzter Zeit in einem Atemzug mit Kämpfern wie Matt Hughes und Wanderlei Silva genannt, die sich zwar objektiv selbst nicht verschlechtert hatten, denen die Konkurrenz aber in den letzten Jahren davonlief, weil sie immer noch trainierten wie vor zehn Jahren.

Diese Kritik ist in Florians Fall nicht von der Hand zu weisen, denn seit seinem Weggang von Mark DellaGrottes Schule in Boston ist die klare Linie nicht mehr zu erkennen, die Florian zuvor sieben Siege in Folge eingebracht hatte.

Mit Nunes trifft Florian nun auf einen Allrounder, der in der Vergangenheit in allen Aspekten des MMA-Sports zu überzeugen wusste. Für den erklärten Aufgabegriffspezialisten ist ein solcher Gegner deswegen gefährlich, weil er schwer zu Boden zu bekommen ist und man sich bei Takedownversuchen notwendigerweise in Schlagreichweite begibt.

Etwas abgemildert wird diese Gefahr durch die Tatsache, dass Nunes' letzter vorzeitiger Sieg fast drei Jahre her ist. Florians Kondition ist ausgezeichnet. Dass ihm also in einem langen Kampf die Puste ausgeht, ist unwahrscheinlich.

Black-House-Interna

Stilistisch mindestens genauso interessant ist der Kampf zwischen dem brasilianischen Jiu-Jitsu-As Demian Maia und dem K.O.-Monster Mark Munoz. Pikant an dieser Ansetzung ist, dass Maia sich mit Junior Dos Santos auf dieses Aufeinandertreffen vorbereitete, der wiederum in den letzten Jahren beim Black House ein regelmäßiger Trainingspartner von Munoz war.

Diesem ist es jedoch völlig egal, ob Dos Santos irgendwelche Interna an Demian Maia weitergibt. Vielmehr will Munoz, der in erster Linie wirklich nur für seine Fäuste berühmt ist, Maia zu Boden bringen und der erste Kämpfer werden, der den Grappler zur Aufgabe zwingt.

Klappern gehört bekanntermaßen zum Geschäft, weswegen wir damit rechnen, dass Munoz versuchen wird, den Kampf dank seiner ringerischen Vorteile im Stand zu halten, während Maia alles tun wird, um ihn auf den Boden zu verlagern. Alles andere wäre taktisch unsinnig.

Einemos UFC-Debüt

Ebenfalls auf der Hauptkarte debütieren wird der Norweger John Olav Einemo, der zum niederländischen Golden Glory-Gym gehört. Einemo galt vor fünf Jahren als einer der besten Grappler der Welt, pausierte aber fast fünfeinhalb Jahre und versucht sich nun im nicht mehr ganz zarten Alter von fünfunddreißig Jahren in der UFC. Einemo kann von Glück sprechen, dass sein ursprünglicher Gegner, Shane Carwin, nun im Hauptkampf der Veranstaltung steht.

Doch auch Ersatzmann Dave Pee Wee Herman ist alles andere als Fallobst. Der Ausnahmeringer kommt mit einem Kampfrekord von 20-2 in die UFC und ist selbst noch nicht einmal so lange Profi, wie Einemo pausiert hat. Herman ist eine weniger unmögliche Aufgabe für den Norweger, als Carwin gewesen wäre, aber alles andere als ein TKO-Sieg für Herman wäre eine Überraschung.

UFC 131 wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag wieder vollständig, also mit allen Vorkämpfen übertragen. Um 3 Uhr beginnt die Übertragung der Hauptkarte auf SPOX.com und UFC.tv. Auf Facebook.com/UFC geht es bereits um 23:50 Uhr mit den ersten Vorkämpfen los, und von 2 Uhr bis 3 Uhr überträgt UFC.tv die beiden Kämpfe Yves Edwards vs. Sam Stout und Chris Weidman vs. Jesse Bongfeldt, die in den USA von SPIKE TV gezeigt werden.

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