Wiggins: "Armstrong wie der Weihnachtsmann"

SID
Lance Armstrong erhält Rückenwind aus Spanien, doch der Gegenwind ist deutlich stärker
© Getty

Der Dopingfall Lance Armstrong hält weiterhin die Radsport-Welt in Atem und bringt offenbar weitere pikante Details von den Machenschaften des einstmals allmächtigen Texaners ans Tageslicht. Armstrong soll massiv Druck auf amerikanische Politiker, darunter Barack Obama und John Kerry, ausgeübt haben. Derweil ist der Radsport mit den Aufräumarbeiten nach dem wohl größten Schwindel der Sportgeschichte beschäftigt.

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Toursieger Bradley Wiggins glaubt nicht an Geständnis Armstrongs: Der Fall Lance Armstrong hat bei Toursieger Bradley Wiggins "Gefühle von Wut" erzeugt. Es sei unglücklich, dass der Radsport in all das hineingezogen wird, sagte der Brite am Rande Präsentation der 100. Tour de France in Paris. "Es ist aber keine Schande, dass er erwischt wurde. Armstrong ist wie der Weihnachtsmann. Wenn man älter wird, versteht man, dass es ihn nicht gibt."

Wiggins glaubt aber nicht, dass Armstrong ein Dopinggeständnis ablegen wird. Dafür habe er zu viel zu verlieren. Armstrong wurde wegen langjährigen Dopings lebenslang gesperrt und alle Erfolge seit dem 1. August 1998 aberkannt.

Hat Lance Armstrong Barack Obama erpresst? Einem Medienbericht zufolge habe der Texaner einen Auftritt des damaligen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama bei einer Veranstaltung seiner Krebsstiftung Livestrong im Sommer 2008 gefordert und dabei auch nicht vor Einschüchterungsversuchen Halt gemacht.

Armstrong soll Obamas Parteikollegen John Kerry eine Drohung ausgesprochen haben, wonach er den Millionen von Menschen in der Datenbank von Livestrong wissen lasse, wo die Demokraten stünden, wenn Krebs kein Thema für sie sei. Das geht aus einem Report der Enthüllungsjournalistin Selena Roberts hervor. Obama, der sich zu der Zeit in Übersee aufhielt, nahm jedoch nicht an dem Termin teil.

In der Vergangenheit pflegte Armstrong viele Kontakte zur Politik, insbesondere zu den früheren US-Präsidenten George W. Bush, Bill Clinton oder dem früheren französischen Staatschef Nicolas Sarkozy.

Roberts äußert auch den Verdacht, dass Clinton Einfluss genommen habe, dass die US-Staatsanwaltschaft im Februar dieses Jahres die Ermittlungen gegen den Texaner ergebnislos eingestellt habe. Im Gegenzug soll Armstrong eine Geldspende in Höhe von 100.000 Dollar an Planned Parenthood, einen Anbieter von Brustkrebs-Screening für benachteiligte Frauen, geleistet haben.

Rennställe fordern unabhängige Kommission: Die Vereinigung der Profi-Radrennställe AIGCP macht sich für eine unabhängige Kommission zur Überprüfung der Anti-Doping-Maßnahmen stark. Dabei sollten laut AIGCP-Präsident Jonathan Vaughters, der bei der Aufklärung hinsichtlich der Dopingpraktiken von Armstrong mitgeholfen hatte, die Anstrengungen unter dem Dach der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und nicht der UCI geschehen.

Die UCI, die die lebenslange Sperre gegen Armstrong und die Aberkennung dessen sportlicher Erfolge seit dem 1. August 1998 übernommen hat, ist in diesen Tagen ohnehin wegen ihrer fragwürdigen Rolle unter Druck geraten. So mahnte Tourchef Christian Prudhomme in Paris, dass die Verbände ihrer Verantwortung gerecht werden müssten.

Ärger vonseiten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) droht der UCI aber wohl nicht. Die Rolle des Weltverbandes soll nicht untersucht werden, auch eine Streichung des Radsports aus dem olympischen Programm stehe nicht zur Disposition.

Mark Cavendish fordert Geständnis: Immer mehr Fahrer und Verantwortliche wenden sich von Armstrong ab. Sprintkönig Mark Cavendish forderte den entthronten Rekordsieger der Tour de France, deren Streckenverlauf der 100. Ausgabe im nächsten Jahr am Mittwoch veröffentlicht wurde, zu einem Geständnis auf.

"Wenn du etwas getan hast, gestehe es", sagte Cavendish dem britischen TV-Sender "BBC" und hält seine Branche trotz aller Erkenntnisse für den "saubersten Sport". "In anderen Sportarten werden Betrüger nur nicht entlarvt, weil dort die Kontrollen nicht so strikt sind wie im Radsport", ergänzte der Sprinter.

Rückendeckung von Valverde, Indurain und Co.: Unterstützung erhält Armstrong einzig aus Spanien - ein Land, das im Anti-Doping-Kampf gerne beide Augen zudrückt. "Die Frankreich-Rundfahrten wurden mit seinen Beinen, seinem Körper gewonnen. Niemand darf glauben, dass er für seine Erfolge nicht gelitten hat", sagte Alejandro Valverde, der als früherer Kunde von Dopingarzt Eufemiano Fuentes selbst eine zweijährige Dopingsperre absitzen musste, der spanischen Sporttageszeitung "Marca".

Der fünfmalige Toursieger Miguel Indurain hält Armstrong gar für unschuldig. "Es ist schon seltsam, dass sie ihm die Titel wegen der Geständnisse einiger Teamkollegen aberkennen", hatte Indurain dem spanischen Sender "Radio Marca" gesagt. Auch Peking-Olympiasieger Samuel Sanchez kritisierte die Entscheidung, Armstrong lebenslang zu sperren, da er nie positiv getestet worden sei.

Die Tour de France nabelt sich weiter ab: In Frankreich wollen die Verantwortlichen nichts mehr mit dem Texaner zu tun haben. So möchte Jean-Yves Noyrey, der Bürgermeister von Alpe d'Huez in Isere, eine Löschung des Namenszuges von Armstrong, der wegen langjährigen Dopings lebenslang gesperrt wurde, auf zwei Schildern in den Serpentinen des 13,8 Kilometer langen Anstieges zur Skistation hinauf erwirken.

In den 21 berühmtesten Kurven der Welt ist jeder Alpe d'Huez-Etappengewinner auf einem Schild verewigt worden. Armstrongs Name ist nach seinen Siegen in den Jahren 2001 und 2004 gleich zweimal dort zu lesen.

Die Chronologie des Dopingfalls Lance Armstrong

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