Direktoren kämpfen um Frankreich-Rundfahrt

SID
Radsport, Tour de France, Doping, Christian Prudhomme
© Getty

Nimes - Mit einem rigiden Anti-Doping-Kurs und pathetischer Rhetorik kämpfen die Renn-Direktoren verbissen um die zur Tour de Farce verkommene Frankreich-Rundfahrt.

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Gleichzeitig werden selbst im tour-verrückten Gastgeberland Stimmen immer lauter, den "Zirkus", wie die "Liberation" schrieb, zu beenden. Das Rennen habe nach dem dritten Dopingfall "seine gesamte Glaubwürdigkeit" verloren.

"So macht es keinen Sinn mehr. Meine Herren vom Radsport: Jetzt stoppt alles!", forderte der italienische "Corriere dello Sport". Das Bulletin der spanischen "El Mundo" lautete: "Der Radsport und die Tour siechen langsam vor sich hin."

Weitere Fahrer gedopt

Besserung scheint weit und breit nicht in Sicht. Nach Informationen der "L'Equipe" ist "noch mindestens ein weiterer Fahrer des Saunier-Duval-Teams", das nach dem Doping-Fall Riccardo Ricco die Tour verlassen hat, positiv auf das neue EPO-Präparat CERA getestet worden.

Der Staatsanwalt von Foix, Antoine Leroi, will ein Verfahren gegen Ricco wegen "des Gebrauchs verbotener Substanzen" einleiten und fügte hinzu, es seien "interessante Dinge" in dessen Hotelzimmer gefunden worden.

Prudhomme: "Wir werden gewinnen"

Für Tour-Chef Christian Prudhomme kommt ein Stopp des seit 1903 gefahrenen Klassikers auch nach dem "TV-Krimi" (Milram-Profi Christian Knees) um Riccardo Ricco natürlich nicht infrage.

"1904 gab es schon Dopingfälle. Damals wollte der Renndirektor die Tour absagen, aber daran denken wir heute gar nicht. Wir kämpfen weiter und werden gewinnen. Doping ist der Feind, nicht eine Sportart und nicht eine Veranstaltung", meinte der Tour-Patron und ehemalige Fernseh-Journalist, der die TV-Rechte bereits vor der 95. Frankreich-Rundfahrt für 23 Millionen Euro bis 2013 verkauft hat.

Auch ARD und ZDF, die im Vorjahr nach dem Bekanntwerden des Dopingfalles Sinkewitz aus der Live-Übertragung ausstiegen, halten weiter treu zur Tour.

Die Kontrollen funktionieren

Tour-Direktion, Profis und Teamchefs scheinen sich offensichtlich auf einen etwas kruden Argumentations-Kodex geeinigt zu haben. Reflexartig kehren Formulierungen nach der Formel 'Jeder positive Test ist ein Fortschritt, weil er die Effektivität der Kontrollen beweist' wieder.

"Das Gute ist: Die Kontrollen scheinen zu funktionieren und so werden sie die Schlaumeier finden, die immer noch glauben die Rennveranstalter, die Zuschauer und uns Fahrer betrügen zu müssen", sagt etwa der deutsche Meister Fabian Wegmann.

Der Italiener Damiano Cunego wähnt den Radsport "auf dem richtigen Weg". Ein sauberer Radsport sei "nur zu bekommen, wenn vorher saubergemacht wird", meinte Prudhomme.

Radsport bleibt olympisch

Gefahr für die olympische Sportart besteht nicht, wie schon am Vortag DOSB-Präsident Thomas Bach klargemacht hatte.

"Solange die UCI gründlich testet, und das tut sie, halten wir davon Abstand. Nicht die UCI-Funktionäre sind schuldig, sondern die Athleten. Es gibt genügend saubere Fahrer, die man nicht bestrafen sollte, weil andere betrügen", sagte IOC-Präsident Jacques Rogge.

"Ich hatte gehofft, dass die neue Generation ihren Sport mit einer neuen Einstellung betreibt, aber man sollte nicht naiv sein. Trotz allem gibt es Anzeichen, dass es besser wird."

Kritik an Gianetti

Zumindest Riccos spanischer Equipe Saunier Duval traut selbst Prudhomme nicht mehr über den Weg. "Ihr Manager Mauro Gianetti ist ein Mann von schlechtem Ruf", sagte der Franzose diesmal unverblümt auf einer Pressekonferenz in Narbonne.

Auf die Frage nach systematischem Doping der Spanier, wagte sich Prudhomme sogar weit aus dem Fenster: "Ich weiß nicht, ob sie es organisiert betreiben. Aber was ihre Fahrer auf dem letzten Anstieg nach Hautacam gezeigt haben, schien mir doch etwas zu eindrucksvoll zu sein."

Dazu passt auch der Bericht der "L'Equipe", die "mindestens" von einem weiteren Doping-Fall in Riccos Saunier-Duval-Team berichtete.

Zuletzt hatten dessen Team-Kollegen Leonardo Piepoli und Juan Jose Cobo Acebo auf der schwersten Pyrenäen-Etappe in Hautacam einen aufsehenerregenden Doppelsieg gefeiert.

Millar spielt Detektiv 

Der diesjährige Giro-Zweite Ricco, der in Untersuchungshaft saß, riskiert laut "L'Equipe" eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren wegen des Besitzes und der Einnahme verbotener Medikamente.

Der Schotte David Millar, der nach dem Ablauf seiner Doping-Sperre 2006 für Saunier Duval als geläuterter Fahrer und großer Anti-Doping-Aktivist auftritt, sagte zum Fall des Italieners.

"Ricco war zu gut, um wahr zu sein. Wir müssen herausfinden, wer dahintersteckt, woher er sein Zeug bekommen hat und wer ihm erzählt hat, er könne durch die Kontrollen kommen. Es wird im nächsten Jahr einen positiven Test geben und ohne Zweifel auch im Jahr darauf".

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