Schleck erobert Gelb

SID
Radsport, Tour de France, Frank Schleck
© Getty

Prato Nevoso - Bernhard Kohl hat nach seiner Kletter-Gala das Gelbe Trikot nur um sieben Sekunden verpasst und lässt das Gerolsteiner-Team nun sogar vorsichtig vom ganz großen Coup träumen.

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Der Österreicher entpuppte sich auf der ersten Alpenetappe als stärkster Bergfahrer der Favoritengruppe und liegt als Gesamt-Zweiter der 95. Tour de France in Tuchfühlung zum neuen Spitzenreiter Frank Schleck (CSC-Saxo-Team).

"Das ist alles ein Wahnsinn für mich. Von einem Sieg in Paris zu sprechen, wäre jetzt aber vermessen", sagte Kohl, nachdem er am Sonntag als Fünfter das Ziel auf der 1440 Meter hohen Skistation Prato Nevoso erreicht hatte. "Als ich im Funk gehört habe, es geht für mich um Gelb, habe ich alles gegeben, aber Frank Schleck war zu schnell."

Zwei Trümpfe für CSC

Beim Tour-Abstecher nach Italien reichte dem Luxemburger auf der 15. Etappe Platz neun, um den schwächelnden Australier Cadel Evans (+8 Sekunden) vom Spitzenplatz zu verdrängen und sich erstmals das Gelbe Trikot bei der 95. Frankreich-Rundfahrt überzustreifen.

"Das war heute eine super Operation des gesamten Teams. Bei meinen Kollegen muss ich mich dafür bedanken. Wir haben jetzt mit mir und Carlos Sastre zwei Trümpfe in der Hand", meinte der neue Träger des "Maillot Jaune".

Zabel hofft auf Paris

Schlecks härtester Verfolger ist vor dem Ruhetag in Cuneo Kohl mit sieben Sekunden Rückstand. Der Russe Denis Mentschow liegt hinter Evans auf Rang vier.

Eine Solidaritätsaktion des Pelotons nach einem Horror-Sturz des 2006er-Tour-Siegers Oscar Pereiro hatte einer Ausreißergruppe die Chance zum Sieg beschert, die der Australier Simon Gerrans vor dem Spanier Egoi Martinez und Danny Pate (USA) nutzte.

Am Vortag hatte Erik Zabel seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France seit sechs Jahren nur knapp verpasst. Beim Sieg des dreifachen Weltmeisters Oscar Freire aus Spanien belegte der Milram-Kapitän in Digne-les-Bains Platz drei. "Jetzt gibt es nur noch in Paris die realistische Chance auf einen Massenspurt", sagte Zabel.

Kohl erkämpft Bergtrikot

Zu Beginn der Tour der Schmerzen, wie Zabel die anstehenden Alpenprüfungen nannte, demonstrierte Kohl im Ausscheidungsrennen der Kapitäne seine Klasse. Am 11,4 Kilometer langen und 6,9 Prozent steilen Schlussanstieg trat er in die Fußstapfen des wegen Dopings ausgeschlossenen Bergkönigs Riccardo Ricco.

In der hektischen Endphase überschlugen sich auf regennasser Fahrbahn die Ereignisse: Der attackierende Russe Denis Mentschow stürzte, doch die anderen acht verbliebenen Topfahrer ließen ihn sofort wieder Anschluss finden.

Dann griff Kohl an und kam auf der 15. Etappe entscheidend weg. Der 26-Jährige übernahm nach seiner Berg-Gala von seinem Gerolsteiner-Kollegen Sebastian Lang das Bergtrikot.

Pereiros schwerer Sturz

Am ersten Anstieg des Tages waren alle Spitzenfahrer noch zusammen. Rund zwölf Minuten hinter den vier Ausreißern erreichte das Peloton den 2744 Meter hohen Col Agnel, Kohl kam als Sechster auf dem Gipfel an und sammelte Punkte für das gepunktete Trikot.

Einen schlimmen Crash auf der Abfahrt musste Pereiro überstehen. Der Spanier krachte in die Leitplanke, flog meterweit durch die Luft auf die darunterliegende Straße und wurde mit einem Schulterbruch ins Krankenhaus gebracht.

Da das Feld aus Respekt vor Pereiro die Fahrt verlangsamte und es wenig später zu einem weiteren Sturz kam, vergrößerte sich der Vorsprung der "Flüchtlinge" auf mehr als 17 Minuten, der im Ziel nach 4:50:44 Stunden und enormer Tempoarbeit von Frank Schlecks überragendem CSC-Team noch wenige Minuten betrug.

Cavendish reist ab

Schon kurz nach dem Start im französischen Embrun hatte sich das in der Gesamtwertung bedeutungslose Quartett bestehend aus den Spaniern Egoi Martinez, Jose Luis Arrieta, dem Australier Gerrans und Pate abgesetzt. Wie sich nach dem Pereiro-Sturz zeigen sollte, eine lohnenswerte Entscheidung.

Der neue Sprint-Superstar Mark Cavendish, der vier Etappen gewonnen hatte, wollte sich die Strapazen in den Alpen nicht antun und stieg aus. "Er ist fast noch ein Kind, und jetzt einfach etwas zu müde", begründete Columbia-Temchef Bob Stapleton die Entscheidung.

Nach dem Ruhetag in Cuneo stehen zwei extrem schwere Bergetappen auf dem Programm. Spätestens der Klassiker L'Alpe-d'Huez sollte am Mittwoch eine Vorentscheidung im Kampf ums Gelbe Trikot bringen.

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