Das schlechteste Derby aller Zeiten

Von Cihan Acar
Galatasaray gewann elf der vergangenen zwölf Heimspiele gegen Besiktas
© Imago

Derby-Time am Bosporus! Galatasaray empfängt im Ali-Sami-Yen-Stadion den Stadtrivalen Besiktas. Beide Mannschaften gehen krisengeschüttelt in das Derby und stehen im Niemandsland der Tabelle. Doch ein genauerer Blick verspricht mehr Brisanz und Spannung denn je. Für beide Mannschaften steht die Saison auf dem Spiel.

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Dass bei der Begegnung zwischen Galatasaray und Besiktas zwei Spitzenteams der Süper Lig aufeinandertreffen, ist ein ungeschriebenes Gesetz. Doch vor dem Derby am Sonntag (18 Uhr im LIVE-TICKER) kommt die Begegnung auf dem Papier als Krisenduell daher: Der Tabellenzehnte empfängt den Sechsten, beide Mannschaften konnten zuletzt selten überzeugen, die Kritik wird immer lauter.

Eben deshalb ist das Aufeinandertreffen der Traditionsklubs, die zusammen 30 Meistertitel holten, brisanter denn je. SPOX hat alles Wissenswerte rund um das Spitzenspiel der anderen Art zusammengetragen.

Wiedergutmachung: Dass beide Teams bisher hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben sind, steht außer Frage. Die Erwartungshaltung ist dennoch oder gerade deshalb enorm hoch. Seit Tagen gibt es in der Türkei kein anderes Thema mehr und aller Augen sind am Sonntag auf diese Begegnung gerichtet. Damit bietet sich für beide Seiten eine ideale Möglichkeit, durch ein Erfolgserlebnis dem negativen Lauf endlich ein Ende zu setzen, für Aufbruchstimmung bei den Fans zu sorgen und gleichzeitig ein Signal an die Konkurrenz zu senden. "Unser Ziel ist es, mit einem Sieg im Ali Sami Yen die Wende einzuleiten" so der junge Besiktas-Keeper Cenk Gönen.

Historische Chance: Da Galatasaray ab der Rückrunde in der nagelneuen Türk Telekom Arena spielen wird, ist die Partie am Sonntag das letzte Derby im Ali Sami Yen-Stadion. Wenn es also zu keiner Punkteteilung kommt, wird der Gewinner als letzter Derbysieger im ehrwürdigen Stadion in die Geschichte eingehen. Für Besiktas wäre das eine doppelte Genugtuung. In 51 Aufeinandertreffen im Stadion des Rivalen konnten nämlich bisher erst zehn Siege eingefahren werden, der letzte liegt inzwischen acht Jahre zurück.

Internationale Starpower: Auch wenn Ricardo Quaresma verletzungsbedingt nicht dabei sein wird und Zvejzdan Misimovic nach seiner überraschenden Suspendierung ganz andere Sorgen hat, am Sonntag wird eine geballte Ladung an ausländischen Stars mit internationaler Erfahrung vertreten sein. Die ausländische Fraktion um Guti, Baros, Ernst, Kewell und Co. bringt zusammen die Erfahrung aus 378 Länderspielen, über 500 internationalen Einsätzen und fünf Champions League-Titeln mit. Für internationales Flair und Niveau ist also reichlich gesorgt.

Auftakt zur Do-or-Die-Woche: Das Derby ist für die Gäste der Auftakt zu einer regelrechten Do-or-Die-Woche. Nach dem Duell mit Galatasaray geht es bei ZSKA Sofia um das Weiterkommen in der Europa League, danach empfängt man den Tabellenzweiten aus Bursa - drei eminent wichtige Partien innerhalb von sieben Tagen für die Adler. Durch einen Erfolg im Derby kann die Mannschaft sich Selbstvertrauen holen und mit Rückenwind in die darauffolgenden Schicksalsspiele gehen. Das Spiel wird damit maßgeblich und mitentscheidend für den weiteren Saisonverlauf von Besiktas sein. "Wir werden aus dem Ali Sami Yen mit drei Punkten zurückkehren. Etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig", fordert deshalb Mittelfeldroutinier Mehmet Aurelio.

Chance für Hilbert: Der deutsche Ex-Nationalspieler hat bei Besiktas eine positive Entwicklung durchgemacht. Nachdem er noch vor zwei Monaten im SPOX-Interview Gerüchte über eine geplante Ausbootung richtig stellen musste, hat sich der 26-Jährige inzwischen zur Stammkraft in Schusters Elf entwickelt. Seit dem sechsten Spieltag hat Hilbert in sieben von acht Partien durchgespielt und auf der rechten Seite immer wieder für Impulse gesorgt. Auch gegen Gala könnte der Ex-Stuttgarter eine wichtige Rolle spielen, denn der linke Flügel mit dem formschwachen Außenverteidiger Hakan Balta ist zurzeit eine der Schwachstellen des Gegners. Die Chance für Hilbert, sich endgültig ins Rampenlicht zu spielen.

Rückkehr der Hoffnungsträger: Regisseur Guti kehrt bei Besiktas nach Gelbsperre zurück ins Team,bei Gala ist die wandelnde Torgarantie Milan Baros nach sechs Spielen Verletzungpause wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen.Die letzten Misserfolge zeigen, wie wichtig beide Spieler für die Offensive ihrer Mannschaft sind: Ohne Guti hatte Besiktas beim enttäuschenden Remis gegen Konyaspor erhebliche Probleme beim Spielaufbau, vor allem in der hektischen Schlussphase hätte die Erfahrung und Übersicht seines spanischen Regisseurs dem Team gut getan. Gala ist ohne Baros in satten vier Spielen ohne Torerfolg geblieben. Der Hoffnungsträger ist zudem ein erwiesener Besiktas-Schreck: Alleine in den letzten zwei Heimspielen gegen den Stadrivalen traf Baros fünf Mal.

Das Schlüsselduell: Sowohl Schuster als auch Hagi haben sich unter der Woche jeweils einen Spieler zur Brust genommen, der eine tragende Rolle im Derby spielen soll: Guti bei Besiktas, Lorik Cana bei Gala. Guti soll wie schon im Derby bei Fenerbahce Verantwortung übernehmen und das Spiel lenken. Im zentralen Mittelfeld wird der Spanier voraussichtlich auf Cana treffen, der zuletzt seine Leistungen stabilisieren konnte und ebenfalls bereits im Einzelgespräch von seinem Trainer auf das Duell eingestellt wurde. "Guti ist ihr Gehirn. Ihn müssen wir stoppen", sagte Hagi. Zwei international erfahrene Topspieler im direkten, möglicherweise spielentscheidenden Duell - man darf gespannt sein.

Offensive Marschroute: Der Blick auf die Tabelle zeigt: selten war ein Sieg im Derby wichtiger, die Saison steht auf dem Spiel. Besiktas liegt neun Punkte hinter Tabellenführer Trabzonspor, Galas Rückstand beträgt bereits 13 Punkte. Der Druck auf beide Seiten nimmt immer mehr zu, sowohl sportlich als auch öffentlich. Wollen die Vereine den Anschluss an die Spitze halten (Besiktas) bzw. wiederherstellen (Gala), zählt am Sonntag nichts als ein Sieg. Allzu viel taktisches Geplänkel und Defensive ist also nicht zu erwarten, beide Mannschaften werden nach vorne spielen müssen. Darauf lässt auch die von den Trainern vorgegebene Marschroute schließen: "Wir brauchen diese drei Punkte ganz dringend", sagt Hagi. Schuster hält dagegen: "Wir werden dieses Spiel gewinnen". Es wird hoch hergehen. 

Must-Win-Situation, Teil 1: Neben der sportlichen Situation benötigt bei Besiktas vor allem Schuster ganz dringend ein Erfolgserlebnis. Der 50-Jährige kommt mit den türkischen Medien einfach auf keinen gemeinsamen Nenner und steht konstant im Mittelpunkt aller Kritik. Der neueste Vorfall: Schuster erklärte nach dem Punktverlust gegen Konya, der Großteil der Süper Lig trete gegen seine Mannschaft mit einer "Spielweise wie im Jahre 1960" an. Dafür wird er nun so heftig von der Presse attackiert, dass ihm die Vereinsführung immer wieder zur Seite springen muss. Alles andere als ein Dreier wird den Druck auf den blonden Engel noch verstärken. Auf eine destruktive Spielweise des Gegners wird sich Schuster nach dem Derby wohl nicht mehr berufen können.

Must-Win-Situation, Teil 2: Nicht weniger ernst ist die Lage im Umfeld des Gegners. Auch bei Gala hagelt es Kritik, hauptsächlich für den Vorstand um Präsident Adnan Polat, dessen kollektiver Abgang von den Fans lautstark gefordert wird. Der sportliche Misserfolg der letzten Zeit wird vor allem der Vereinsführung angekreidet. Dass die Unzufriedenheit nicht grundlos ist, zeigt diese bildliche Aussage eines Vorstandsmitglieds, das anonym bleiben möchte: "Unser Schiff füllt sich langsam mit Wasser." Bei der bedrohlichen Lage verwundert es auch nicht, dass Polat die Spieler unter der Woche aufsuchte und ihnen die Notwendigkeit eines Erfolgs eintrichterte: "Egal was und wie ihr es macht, gewinnt unbedingt dieses Spiel. Bei einem Punktverlust gibt es keine Ausreden mehr."

Galatasaray vs. Besiktas: Die Bilanz

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