EM

Tschechien wirft Co-Gastgeber Polen raus

Von Jochen Tittmar
Voller Einsatz: Polens Robert Lewandowski (r.) im Luftkampf mit Theodor Gebre Selassie
© Getty

Die polnische Nationalmannschaft ist bei der EM 2012 durch eine 0:1 (0:0)-Niederlage gegen Tschechien nach der Vorrunde als Gruppenletzter ausgeschieden. Die Tschechen stehen dagegen durch den Dreier im Viertelfinale. Kurz nach der Partie legte Polens Coach Franciszek Smuda sein Amt nieder.

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Vor 42.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion von Breslau erzielte Petr Jiracek vom VfL Wolfsburg das Tor des Tages (72.).

Reaktionen:

Michal Bilek (Trainer Tschechien): "Das Team hat großartige Moral bewiesen. Die Jungs haben nach dem schrecklichen ersten Spiel gezeigt, was in ihnen steckt."

Franciszek Smuda (Trainer Polen): "Wir wollten in der zweiten Halbzeit richtig angreifen. Darüber haben wir in der Pause gesprochen, es dann aber auf dem Feld nicht umgesetzt. Vielleicht waren meine Spieler übermotiviert. Das ist zu einhundert Prozent das Ende meines Weges. Mein Vertrag läuft mit dem Ende der EM aus."

Petr Cech (Torwart Tschechien): "Zur Halbzeit wussten wir, dass ein Punkt nicht reicht, und der Druck ist noch mehr gestiegen. Es ist besser, Deutschland zu vermeiden, denn sie sind der Favorit des Turniers. Wir spielen lieber erst später gegen sie."

Petr Jiracek (Tschechien): "Nach dem ersten Spiel hat uns das keiner zugetraut, aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt."

Jakub Blaszczykowski (Polen): "Es ist wirklich schwer, das Spiel jetzt zu bewerten. Wir sind alle enttäuscht, ich möchte trotzdem unseren Fans danken, sie haben uns großartig unterstützt."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff:

Polen vertraut der Mannschaft, die gegen Russland ein 1:1 holte. Tyton bleibt also für den von seiner Rotsperre zurückkehrenden Szczesny im Kasten.

Tschechien ändert die Startelf nach dem 2:1-Sieg gegen Griechenland auf einer Position: Der angeschlagene Rosicky (Achillessehne) muss für Kolar auf die Bank.

10.: Kuba schickt Lewandowski ín den Strafraum. Der Dortmund versucht's mit links, der Ball rutscht ihm aber über den Schlappen und geht links am Pfosten vorbei.

13.: Nach dem polnischen Freistoß kommt die Kugel zu Boenisch. Der Bremer hält volley aus zehn Metern drauf und verzieht nur knapp.

22.: Boenisch fasst sich aus rund 35 Metern ein Herz und zieht platziert ab. Cech hat Mühe auf dem nassen Rasen und weht den Ball zur Ecke ab.

37.: Nach einem Pass aus dem Halbfeld steht Baros völlig frei vor Tyton, kann den Ball aber nicht mehr rechtzeitig annehmen.

41.: Pilar zieht von links nach innen und bleibt mit seinem Schussversuch an einem Mitspieler hängen. Doch auch den Abpraller nimmt er, Tyton muss nachfassen.

65.: Freistoß von der Strafraumkante für Tschechien. Sivok kommt aus fünf Metern an den Ball und köpft genau auf Tyton, der glücklich abwehrt.

72., 1:0, Jiracek: Tschechien kontert über Baros, der im Sechzehner den mitgelaufenen Jiracek bedient. Der Wolfsburger legt sich den Ball auf rechts und schiebt rechts unten ein.

86.: Piszczek flankt von rechts auf den Kopf von Wasilewski, der Ball geht aus sechs Metern aber knapp über den Kasten.

Fazit: Unter dem Strich ein verdienter Sieg für Tschechien, da Polens Leistung immer schwächer wurde und die Tschechen einen Konter effektiv zuende spielten.

Der Star des Spiels: Petr Jiracek. Defensiv solide, unterstützte Gebre Selassie ordentlich. Wenn Tschechien nach vorne spielte, dann meist über seine Seite. Dabei sehr ruhig und sicher am Ball. Hauptargument: Schoss sein Land mit seinem zweiten Treffer ins Viertelfinale.

Der Flop des Spiels: Lukasz Piszczeks Leistung stand ganz im Kontrast zu seiner Saison in Dortmund: Ungewohnt zurückhaltend, übte zu wenig Druck in der Offensive aus und schlug erst fünf Minuten vor Schluss die erste brauchbare Flanke. Sah zudem defensiv in einigen Aktionen gegen Pilar richtig schwach aus und gewann keine 40 Prozent seiner Zweikämpfe.

Der Schiedsrichter: Craig Thomson aus Schottland lag in einer weitestgehend fairen Partie mit vielen, aber nicht allen Entscheidungen richtig. Ließ die Gelbe Karte auf britische Art und Weise das eine oder andere Mal einfach stecken. Dafür jedoch mit unaufgeregter Körpersprache und ohne gröberen Patzer.

Die Trainer:

Michal Bilek stellte sein Team zunächst defensiv ein, um dem erwarteten polnischen Ansturm zu begegnen. Mit etwas Glück und genügend Spielern hinter dem Ball klappte dies, wenn auch auf Kosten der Offensivbemühungen. Als das Feuerwerk des Gegners vorrüber war und Polen aus dem Tritt geriet, schaltete sein Team geordnet um und fuhr einen der Konter zum Sieg nach Hause.

Franciszek Smuda ließ Tyton im Kasten und muss diese Entscheidung nicht bereuen. Schaffte es, dass seine Mannschaft extrem giftig begann, muss sich jedoch auch fragen, wieso sie erneut so stark nachließ und teilweise jede Struktur verloren ging.

Das fiel auf:

 

  • Polen sofort drin im Spiel, sehr bissig in den Defensivzweikämpfen und mit gutem Pressing tief in des Gegners Hälfte. Kuba und Obraniak rotierten in der Offensive immer wieder. Die Tschechen daher anfangs ohne Zugriff, sie gewannen nur jedes vierte Duell in der ersten Viertelstunde.
  • Im Spiel gegen den Ball formierte der Co-Gastgeber eine Vierermittelfeldkette, Dudka platzierte sich als zusätzliche Absicherung vor der Abwehr noch einen Tick tiefer. Tschechien im Aufbauspiel mit dem unsichtbaren Kolar sehr unpräzise, langsam und oft nur mit langen Bällen ins Nirgendwo.
  • Die Geschwindigkeit in den Aktionen der Polen nahm nach einer halben Stunde jedoch merklich ab, im Mittelfeld fehlte es an Bewegung. Einige Bälle gingen in der Enge des Zentrums überhastet verloren, man vermisste ein konsequentes Flügelspiel. Durch die vielen Ballgewinne fand Tschechien defensiv zu einer Kompaktheit, aus der heraus sie schneller umschalteten, meist über die beweglichen Außen, so auch bis vor den polnischen Kasten kamen.
  • Polen im kompletten zweiten Durchgang wie schon im Auftaktspiel sehr lethargisch und ohne Dominanz in den Zweikämpfen. Auch die Körpersprache war eine ganz andere als noch zu Beginn des Spiels. Nach vorne ging fast nichts mehr, da die fünf Mittelfeldspieler in der Defensive gebunden waren und Lewandowski keine Unterstützung erhielt.
  • Tschechien hielt an seiner Grundordnung fest und rettete die defensive Stabilität in die zweite Halbzeit. Im Passspiel agierten sie nun auch viel klarer, Kolar war besser ins Spiel eingebunden. Im Viertelfinale muss sich das Team jedoch spielerisch weiter steigern.

 

Tschechien - Polen: Daten zum Spiel

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