Ancelotti und Zidane: Meister und Schüler

Von Ben Barthmann
Carlo Ancelotti und Zinedine Zidane arbeiteten zusammen bei Real Madrid
© getty

Beim Duell zwischen dem FC Bayern München und Real Madrid (Mi., 20.45 Uhr im LIVETICKER) stehen sich erstmals Carlo Ancelotti und Zinedine Zidane in einem Pfichtspiel gegenüber. Es wird ein Duell zwischen Meister und Schüler.

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"Ich habe die letzten Partien gesehen und sie haben mir nicht wirklich gefallen", stellte Arrigo Sacchi im Februar fest. Bayern München unter Carlo Ancelotti befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer entscheidenden Phase. "Ich bat ihn, mich öfter anzurufen", machte Sacchi klar. Ancelotti sollte Sacchi anrufen.

Es ist ungewohnt, sich eine internationale Größe wie den 57-Jährigen in seinem Sessel sitzend beim Rapport vorzustellen. Warum der Mittelfinger, Carlo? Das kannst du doch besser. Meister und Schüler. Auch Jahre später ist das einstige Duo noch immer ein Duo. Doch der Lauf der Zeit macht auch vor dieser Kombination nicht Halt.

Die Bühne des Fußballs erlebt derzeit ein neues Duo. Jetzt ist Ancelotti der Meister. Sein Schüler ist Zinedine Zidane. Ehemaliger Spieler und Assistent des heutigen Bayern-Trainers. 135 Spiele machte Ancelotti unter Sacchi, Zidane 86 unter Ancelotti. Parallelen sind nicht zu übersehen.

"Ich habe viel von ihm gelernt"

Ob nun Italiener zu Italiener oder Italiener zu Franzose ist dabei nicht erheblich. Auch das neue Duo spricht sich gelegentlich am Telefon. "Ich muss ihn anrufen", stellte Zidane nach der Ziehung des Viertelfinals der Champions League fest. Es dürfte vorerst der letzte Anruf gewesen sein bis zum 19. April.

Meister und Schüler oder Lehrer und Schüler, wie Zidane es bezeichnet, stehen sich erstmals in einem Pflichtspiel gegenüber. "Es wird besonders, gegen Ancelotti zu spielen. Ich habe viel von ihm gelernt", stellte der Franzose fest. Ungeachtet des ohnehin schon großen Duells zwischen Real Madrid und Bayern München.

Bei Juventus stellte Ancelotti einst sein sonst so geliebtes 4-4-2 für den Spieler Zidane um, Jahre später vertraute er dem Franzosen als Co-Trainer. Unvergessen das Bild aus Lissabon, Champions-League-Finale 2014, das den schreienden Franzosen neben dem stoischen Italiener zeigt.

Zidane der Psychologe

Diese Momentaufnahme offenbart einiges, ist aber doch nicht in jedem Punkt repräsentativ. Zidane ist genauso wie Ancelotti ein ruhiger Trainer an der Seitenlinie, ein Trainer mit Eleganz und Geschick in Menschenführung. Ob Kader oder Medien, das Duo weiß, mit beiden in nahezu allen Fällen umzugehen.

Das hat besonders bei Real Madrid großes Gewicht. Die Mannschaft war nach der Zeit mit Rafa Benitez angeschlagen. Es hatten sich Grüppchen gebildet. Zidane vermochte es, die Gruppe wieder zusammenzuführen und daraus eine Mannschaft zu formen, die mit einer enormen Energieleistung gar noch das Finale der Champions League für sich entschied.

Das Fingerspitzengefühl ist entscheidend in der Hauptstadt Spaniens. Das stellte Ancelotti in seiner Biographie dar, in der er sich mit klaren Worten von manchem Umstand und ganz besonders von Präsident Florentino Perez distanzierte. Diese Tipps dürften auch an seinen Schüler gegangen sein.

Taktische Abkehr von Ancelotti

Das Bild von Zidane im Finale der Königsklasse lässt jedoch auch eine gewisse Unerfahrenheit erkennen. Von Ancelottis unglaublicher Ruhe ist er noch entfernt. Ob er überhaupt so werden will? Wohl eher nicht. Ein Schüler ist auch immer die Weiterentwicklung seines Meisters.

"Zidane hat Wissen, Charisma, Persönlichkeit... er hat alles. Erfahrung ist nicht das Wichtigste", stellte Ancelotti im Dezember fest. Das Wissen stammt natürlich nicht nur von Ancelotti. Unter anderem finden sich Einflüsse von Pep Guardiola in Zidanes Arbeit wieder, der Franzose hospitierte zu Zeiten Guardiolas in München.

Fürchten muss sich also niemand vor Ancelotti gegen Ancelotti light, wenn das Viertelfinale der Champions League angepfiffen wird. Die Trainer auf beiden Seiten stellen auch ein Duell der Generationen dar. Und verdeutlichen damit, dass sich doch gar nicht so viel geändert hat, wie man eigentlich meint.

Von Sacchi über Ancelotti zu Zidane

Sacchi etablierte Raumdeckung und Pressing beim AC Milan, damals mit Ancelotti als Schlüsselspieler. Dieser trägt diese Vorstellung bis heute weiter, hat sie aber doch an einigen Ecken abgerundet und seinem Kader entsprechend zugeschnitten. Inwiefern Zidane diese Vorstellungen übernommen hat, wird sich im Laufe seiner Trainerkarriere noch zeigen.

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Doch auch seine Mannschaft deckt im Raum und setzt den Gegner gezielt in ausgesuchten Bereichen unter Druck. Auch er hat sich seinem Kader angepasst. Änderungen sind in dieser Zeitspanne selbstverständlich. Dennoch: Eine Grundidee des Fußballs ist von Meister zu Schüler weitergegeben worden.

Bleibt am Ende die Frage, ob der Schüler dem Meister schon entwachsen ist. Und wenn ja, ob die Spieler das auch auf dem Platz reflektieren. "Für diese Spiele lebt man. Als Spieler waren diese Spiele die, die ich geliebt habe", stimmte Zidane ein. Und schloss: "Es herrscht jede Menge Respekt zwischen den Trainern."

Mehr Lernmöglichkeiten

Das erste Telefonat nach dem Viertelfinale der Champions League dürfte unabhängig vom Ausgang spannend werden. Themen gibt es genug: Ancelottis Rückkehr nach Madrid etwa, den Ort, an dem er einen so unpassenden Abgang erlebte oder die Art und Weise, wie Zidane mit Methoden seines Mentors und eigenen Ideen die Mannschaft wieder aufgerichtet hat.

Zidane könnte nach den Änderungen fragen, die beim FC Bayern vollzogen wurden. Ancelotti warf viele Ideen seines Vorgängers wieder über Bord. Neuerungen, aus denen Zidane im direkten Vergleich zur Pep-Ära seine Lehren ziehen könnte.

Und sollte seine Mannschaft ausscheiden, muss Zidane wohl auch zum Rapport antreten. "Ich habe ihm eine SMS geschickt, um ihn daran zu erinnern, dass Beharrlichkeit hilft", erklärte Sacchi seinen Kontakt zu Ancelotti. Ein Tipp, den sich auch der junge Trainer Zidane zu Herzen nehmen wird.

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