Müller: Auf neuer Position aus der Krise?

Der verschossene Elfmeter im Champions-League-Halbfinale gegen Atletico war der Beginn von Thomas Müllers Krise
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Thomas Müller steckt nach wie vor in der Torkrise. Im Heimspiel des FC Bayern München gegen Atletico Madrid könnte die Ladehemmung da enden, wo sie begann. Dabei helfen könnte eine neue Position.

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3. Mai, Allianz Arena, Halbfinal-Rückspiel in der Champions League, FC Bayern gegen Atletico Madrid, 35. Minute. Gerade erst sind die Münchner durch einen direkten Freistoß von Xabi Alonso mit 1:0 in Führung gegangen und haben damit das Hinspiel-Resultat egalisiert.

Jetzt die große Chance zum Doppelschlag: Gimenez hat Javi Martinez im Strafraum umgerissen, Schiedsrichter Cüneyt Cakir zögerte nicht lange und entschied auf Strafstoß für die Hausherren.

Thomas Müller übernimmt Verantwortung und legt sich den Ball zurecht. Kurzer Anlauf, der Blick geht wie immer nur auf den Torhüter - doch Jan Oblak hat die Ecke und fischt den halbhohen Schuss heraus.

Ende des Triple-Traums, Anfang der Formkrise

Der Anfang vom Ende des Triple-Traums, Bayern scheidet mit einem 2:1-Sieg aus. Gleichzeitig ist die Szene der Anfang der Formkrise von Thomas Müller.

So analysierte es jedenfalls Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge Anfang November nach dem 1:1 gegen Hoffenheim: "Es fällt auf, dass seit dem verschossenen Elfmeter gegen Atletico Madrid der Wurm drin ist und er einfach Pech hat. Das kann man nicht ändern. Da muss man einfach arbeiten, arbeiten, arbeiten."

Tatsächlich fällt in das halbe Jahr seit dieser Szene eine aus persönlicher Sicht verkorkste EM ohne eigenen Treffer und der schwache Saisonstart in der Bundesliga, in der Müller nach 13 Spielen noch immer bei null Saisontoren steht.

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Statistiken konstant

Müllers häufig beschriene Formkrise ist letztlich vor allem eine Abschlusskrise. Die Opta-Statistiken der laufenden Saison unterscheiden sich kaum von denen aus 2015/2016. So schoss Müller in der vergangenen Spielzeit im Schnitt 3,6 Mal pro Partie auf das gegnerische Tor und war an 5,9 Torschüssen beteiligt. In der aktuellen Saison sind es drei Versuche bei 5,5 Beteiligungen.

Unterschiede, die zu vernachlässigen sind, bedenkt man, dass Müller unter Guardiola als hängende bzw. zweite Spitze agierte. Bei Ancelotti kam er mit Ausnahme des Frankfurt-Spiels, in dem er Robert Lewandowski als Mittelstürmer vertrat, immer über die Flügel.

Ein Wert unterscheidet sich jedoch in frappierender Form. Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres hatte Müller in der Liga bereits zwölf Tore auf dem Konto, heuer ist es kein einziges. Die Chancen sind nach wie vor da, gegen Köln und Hoffenheim scheiterte er am Aluminium.

Das Quäntchen Glück ist nicht auf seiner Seite. Oder wie Müller es formuliert: "Die Scheiße klebt an meinen Stiefeln."

Angeknackste Stimmungslage

Neben der Abschlusskrise hatte Müller in den letzten Wochen vor allem eine Stimmungskrise. Wenngleich der Nationalspieler immer wieder betonte, "nicht ins Nachdenken" zu geraten, war ihm anzumerken, dass ihn die torlosen Wochen beschäftigen. Der sonst so lässige Müller wirkte angeknackst.

Die Partie am Freitagabend in Mainz (3:1-Sieg) könnte einen Wendepunkt markiert haben. Erstmals unter Carlo Ancelotti spielten die Bayern nicht in einem 4-3-3, stattdessen schickte der Italiener sein Team im 4-2-3-1 auf den Rasen und beorderte Müller auf die Position der hängenden Spitze hinter Robert Lewandowski.

"Als der Trainer mir gesagt hat, dass wir heute anders spielen, habe ich mich schon gefreut. Ich durfte auf meiner Lieblingsposition spielen und dann muss man auch liefern", sagte der Angreifer nach dem Erfolg.

Starke Leistung gegen Mainz

Und er lieferte. Zwar erzielte der 27-Jährige erneut keinen Treffer und scheiterte bei seiner Chance in der 13. Minute freistehend vor Lössl (einer Szene, die im Erfolgsfall wohl als "typisches Müller-Tor" deklariert worden wäre).

Doch er wirkte gelöst, spritzig, spielfreudig und zeigte seine stärkste Leistung seit Monaten. Drei Torschüsse und drei Torschussvorlagen waren jeweils der Bestwert bei den Bayern. Dazu gewann er 75 Prozent seiner Zweikämpfe (sein Durchschnittswert in dieser Saison liegt bei 45,9) und hatte 77 Ballaktionen. Zuletzt gegen Bayer Leverkusen waren es nur 39.

Langfristige Systemumstellung?

Auch Müllers Teamkollegen waren froh darüber, ihn wieder auf seiner Paradeposition zu wissen: "Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Thomas reißt die Lücken auf. Wir haben viel Bewegung, viel Überraschung. Das hat in den letzten Wochen ein bisschen gefehlt", sagte etwa Arjen Robben.

"Für mich ist es wichtig, dass ich Thomas hinter mir habe", gab auch Robert Lewandowski ein Plädoyer für Müller als Halbstürmer ab.

Ob die Systemumstellung beim FCB gekommen ist, um zu bleiben, werden die nächsten Wochen zeigen. Müller jedenfalls hat klar gemacht, dass er seine Stimme dafür abgeben würde - mit Leistung und mit Worten.

"Wieder einbomben"

Auch Karl-Heinz Rummenigge war in Mainz zufrieden: "Thomas hat toll geackert. Wenn er so weitermacht, wird er jetzt wieder einbomben."

Bereits am Dienstag im Heimspiel gegen Atletico Madrid wird Müller bemüht sein, den Knoten zum Platzen zu bringen. Für die Bayern ist das letzte Gruppenspiel eigentlich bedeutungslos. Für Müller nicht. Er will beweisen, dass er aus der ersten Elf zu Recht nach wie vor nicht wegzudenken ist.

Ist die Partie gegen Atletico in der Allianz Arena der Anfang vom Ende der Müller-Krise? Ein Kreis könnte sich schließen.

Am Nikolaustag stellt man traditionell einen Stiefel vor die Türe. Beim Bayern-Angreifer sollen am Dienstag keine Exkremente darin sein. Sondern vielleicht ein Tor...

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