Mehr Erfolgstrainer als Internetstar

Viktor Skripnik steht mit Werder Bremen nach 20 Spieltagen auf dem achten Tabellenplatz
© getty

Erst nur Kultfigur, plötzlich Coach des besten Rückrunden-Teams: Viktor Skripnik hat Werder Bremen vom Tabellenkeller an den Rand der internationalen Plätze geführt. Der 45-Jährige verkörpert den Geist längst vergessener, erfolgreicher Tage - und überträgt diesen mit einfachsten Mitteln auf seine Mannschaft.

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Im Internet ist Viktor Skripnik eine beliebte Kultfigur. Angefangen bei "Skripnik"-Fotomontagen im Superhelden-Dress über Slogans wie "abgenickt von Skripnik" oder "bei Taktik-Fragen Skripnick fragen": Wortspiel-Athleten und Photoshop-Künstler lassen ihrer Kreativität seit Skripniks Amtsantritt freien Lauf.

Spätestens seit dem vierten Pflichtspielsieg in Folge feiert ganz Fußball-Deutschland den Ukrainer - allerdings aufgrund seiner sportlichen Erfolge. Skripnik hat Werder Bremen mit einer beeindruckenden Bilanz (21 Punkte aus elf Spielen) aus den Abstiegsrängen ins gesicherte Mittelfeld geführt. So mancher Bremer Fan wagt sogar einen ganz vorsichtigen Blick auf Platz sechs, dem Werder aktuell näher ist als dem Relegationsplatz.

Skripnik war dabei

Dabei hat Skripnik Werder keinesfalls neu erfunden - im Gegenteil sogar. Der 45-Jährige steht wie kaum ein anderer im Verein für die Bremer Erfolge vergangener Zeiten. Skripnik war dabei, als Werder die Bundesliga mit erfrischendem Offensivfußball der Marke Thomas Schaaf aufmischte. Skripnik war dabei, als die Hanseaten die Meisterschaft in der Saison 2003/04 mit einem 3:1 in München klar machten. Skripnik war dabei, als Werder sich nur wenige Wochen später das Double sicherte.

Als es für Bremen in den folgenden Jahren zunächst schleichend aber kontinuierlich bergab ging, war Skripnik immer noch dabei. Inzwischen aber nicht mehr als Profi, sondern als Jugend- und später als Cheftrainer der zweiten Mannschaft. Thomas Schaafs Spielidee, die Skripnik so begeisterte, begleitete ihn zu jeder Zeit. "Von ihm habe ich gelernt, was Fußballspielen bedeutet, wie der Fußball funktioniert", beschreibt der Ukrainer seine aktive Zeit unter Schaaf.

Mentor Thomas Schaaf

Attraktiver, selbstbewusster Offensivfußball, ehrliches Spiel nach vorne und Leidenschaft: Skripnik macht keinen Hehl aus dem Einfluss Schaafs auf sein Verständnis von modernem Fußball. "Natürlich habe ich mich, früher als Spieler und auch später als ich Trainer im Leistungszentrum war, viel mit Thomas Schaaf über Fußball unterhalten. Ich bin fasziniert davon, was wir früher geleistet haben und wie wir gespielt haben. Dafür bin ich Thomas Schaaf dankbar", so Skripnik weiter.

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Es sind die einfachen, schlichten Tugenden, die Skripnik verkörpert und einfordert. "Fußball ist Kopfsache. Man darf keine Angst vor dem Verlieren haben, sondern muss den Mut haben, zu gewinnen", erklärt er. Eine Aussage, die man gerne auch als Durchhalteparole betitelt könnte. Nicht so in Bremen. Skripnik stand und steht für das, was er vermittelt, genau wie seine Assistenten.

Angefangen bei Werder-Ikone Torsten Frings, der die Mannschaft während des Spiels unaufhörlich anpeitscht und anfeuert, über Taktik-Professor Florian Kohfeldt, der schon im Amateur- und Jugendbereich mit Skripnik zusammenarbeitete, bis hin zu Christian Vander, der seit mittlerweile zehn Jahren in Diensten der Hanseaten steht. Allesamt Identifikationsfiguren. Für die Spieler, für die Fans und für das gesamte Umfeld, das, gefangen im Abstiegskampf, spürbar nach Halt und Signalen lechzte.

Dutt wählt die falschen Mittel

Signale, die Robin Dutt nicht mehr im Stande zu setzen war. Der jetzige Sportvorstand des VfB Stuttgart ist ohne Frage ein Fußballfachmann. Kaum ein Trainer betreibt eine ähnlich akribische Auswertung und Analyse der eigenen und gegnerischen Mannschaft und bereitet jedes Spiel auf eine so detaillierte Weise mit PowerPoint-Präsentationen oder anderen technischen Hilfsmitteln vor. Eine Mannschaft, die kopf- und scheinbar hoffnungslos am Tabellenende versiegt, konnte er damit nicht erreichen.

Genau dort fand Skripnik mit seinem Team den ersten Ansatzpunkt. Er erinnerte die Spieler an ihre Qualitäten und versuchte, das längst verloren gegangene Selbstbewusstsein Stück für Stück wieder aufzubauen. Aus einem Haufen verängstigter Fußballer formte er binnen weniger Wochen eine Mannschaft, die den Abstiegskampf erstmals in der Saison voll annahm.

Skripnik setzt, anders als Dutt, auf erfrischenden Offensivfußball. Seine Mannschaft soll das Spiel gestalten und stetig den Weg nach vorne suchen, egal ob man zuhause oder auswärts spielt, egal ob man gegen Dortmund, Leverkusen oder Paderborn ran muss.

"Bisschen dicht stehen, bisschen ackern vorne"

Der Erfolg gibt ihm Recht, auch wenn es in den Spielen vor der Winterpause durchaus vorkam, dass kombinations- und konterstarke Mannschaften wie Frankfurt oder Gladbach die offensive Ausrichtung Bremens eiskalt zu nutzen wussten.

"Es bringt keinem etwas, wenn man sich 90 Minuten hinten reinstellt", kommentiert Skripnik, der auch sonst kein Freund großer Reden ist und sich in den Medien bewusst in den Hintergrund stellt. "Bisschen dicht stehen, bisschen ackern vorne", beschreibt der 45-Jährige seine simple Spielidee. "Es gibt kein Rezept. Ich versuche einfach, in den Ansprachen zu korrigieren und Überzeugung zu vermitteln", so Skripnik weiter.

Seine Spieler äußern sich weniger zurückhaltend ob des neuen Fußballs, der in Bremen gespielt wird. "Viktor sieht immer genau, woran etwas liegt, spricht es in der Kabine an. Er fordert, mutiger mit dem Ball zu sein und sagt dabei genau das Richtige zu uns", beschreibt Philipp Bargfrede die Arbeitsweise seines Trainers gegenüber "Bild". Es ist deutlich zu erkennen, wie wohl sich die Spieler in Skripniks sehr variablem System fühlen.

Junuzovic und Bartels Blühen auf

Der Ukrainer passt das System entsprechend seiner Möglichkeiten an, nicht umgekehrt. Streckenweise lässt er sogar in der einst an der Weser zum Markenzeichen gewordenen Raute spielen, wenn er darin die beste Formation für die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Akteure sieht. Vor allem Zlatko Junuzovic und Fin Bartels, die in den vergangenen Wochen aufblühten, kommt diese flexible Spielweise entgegen. Selkes Treffer zum 1:0 gegen Leverkusen, dem eine tolle Passstafette über Junuzovic, Clemens Fritz und Bartels vorausging, steht sinnbildlich für den großen Offensivdrang und das neue Selbstvertrauen der Werder-Spieler.

Dass Bremen aktuell das beste Team der Rückrunde stellt, ist auch den Neuzugängen zu verdanken. Dabei ist in erster Linie Jannick Vestergaard zu nennen, den Skripnik und Manager Thomas Eichin unbedingt an die Weser lotsen wollten. Vestergaard füllt eine wesentliche Lücke in Werders Mannschaft. Der Däne ist groß, kopfball- und zweikampfstark, hat aber auch Qualitäten im Spielaufbau und in der Verlagerung. Der Ex-Hoffenheimer konnte bisher in allen Rückrundenspielern vollends überzeugen.

Gleichzeitig trennte man sich von Profis wie Eljero Elia, Ludovic Obraniak und Nils Petersen, die unter Skripnik keine Rolle mehr spielten, dafür aber auf die Vereinskasse und Stimmung im Team drückten.

Werder Bremen ist auf dem besten Weg, das Thema Abstieg schon frühzeitig von der Sorgenliste streichen zu können. Unter anderem, weil nicht nur die Verantwortlichen die Situation richtig einzuschätzen wissen, sondern auch die Spieler. "Wir brauchen jetzt nicht nach oben gucken", mahnt Bargfrede. "Für uns hat sich doch nichts geändert. Sobald wir ein paar Prozent weniger geben, wird es schwierig", ergänzt Kapitän Fritz. Beide Aussagen würde Skripnik wohl ohne zu zögern abnicken.

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