"Sind nicht alle total begeistert"

Bei ihm läuft's: Andre Breitenreiter und der SC Paderborn starteten sehr stark in die Saison
© getty

Der SC Paderborn rockt mit Andre Breitenreiter die Bundesliga. Dabei kommt der Erfolg gar nicht allzu überraschend. Der Coach spricht mit SPOX über Paderborns Philosophie, das neue Trainingszentrum, die unüblichen Bedingungen und ein Angebot an Borussia Dortmund.

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SPOX: Herr Breitenreiter, die vermutliche Standardfrage zum Auftakt: Was hätten Sie demjenigen geantwortet, der vor der Saison gesagt hätte, der SC Paderborn liegt nach 11 Spielen mit 15 Punkten auf Platz neun?

Andre Breitenreiter: Das konnte man speziell auch in der Art und Weise natürlich nicht erwarten. Nichtsdestotrotz haben wir in der Vorbereitung hart dafür gearbeitet, um ordentlich aufgestellt in die erste Bundesliga-Saison der Vereinsgeschichte zu starten. Wir haben uns bewusst starke Testspielgegner ausgesucht, damit die Jungs wissen, was sie erwartet. In den bisherigen elf Spielen haben wir gezeigt, dass wir konkurrenzfähig sind.

SPOX: Sie wirken nicht wirklich überrascht...

Breitenreiter: Wir konnten die Euphorie durch den Aufstieg mitnehmen und auch den offensiven Fußball aus der letzten Saison zeigen. So hatten wir uns das ein Stück weit erhofft. Aber nochmal: Das war in dem Maße absolut nicht zu erwarten.

SPOX: Seit Saisonbeginn sprechen Sie davon, der "krasseste Außenseiter" der Liga zu sein. Wie viel davon ist inzwischen Understatement und wie viel davon ist noch ernst gemeint?

Breitenreiter: Diese Aussage trifft noch immer zu, denn die Rahmenbedingungen haben sich in Paderborn seitdem nicht geändert. Wir haben in diesem Punkt einfach erhebliche Nachteile gegenüber den anderen Teams in der Liga. Aber wir wollen nicht jammern, sondern versuchen, aus unseren Mitteln das Optimale herauszuholen.

SPOX: Zuletzt äußerten Sie sich aber doch arg kritisch über die Zustände.

Breitenreiter: Es ist natürlich nicht so, dass wir alle total begeistert darüber sind. Selbstverständlich lechzt auch die Truppe nach besseren Bedingungen, damit hier manches leichter funktioniert. Aber wir nehmen das an und versuchen, das Bestmögliche daraus zu machen.

SPOX: Aber sind wir doch mal ehrlich: Nicht jeder Bundesligaspieler würde unter solchen Bedingungen spielen, oder?

Breitenreiter: Wahrscheinlich nicht, deshalb müssen wir bei den Transfers genau schauen, dass die Spieler zu uns passen und sich mit den Bedingungen arrangieren können. Dabei sollten sie zudem lernwillig und leistungsbereit sein und sich weiterentwickeln wollen. Auch auf eine persönliche Art.

SPOX: Transfers sind ein gutes Stichwort.Wenn der SC Paderborn einkauft, muss er dann mehr in einem Spieler sehen, als das andere Vereine möglicherweise tun? Stichwort: Der Blick für das gewisse Etwas.

Breitenreiter: Bei uns spielt immer das Finanzielle eine große Rolle, weil wir nicht das Budget anderer Vereine haben. Die Philosophie des Vereins ist es, sich gewisse Nischen zu suchen. Wir wollen Talenten aus unterklassigen Ligen die Möglichkeit geben, sie weiter zu entwickeln. Natürlich steht die sportliche Qualität an erster Stelle, aber wir achten auch darauf, dass ein Spieler eine gewisse Mentalität mitbringt. Wenn Talent und Einstellung harmonieren, schlagen wir zu.

SPOX: Erklären Sie uns doch einmal, was den SC Paderborn ausmacht.

Breitenreiter: Zunächst muss man festhalten, dass in Paderborn ein sehr familiäres Umfeld herrscht, in dem sich alle sehr wohl fühlen und in dem man sich sehr schnell integrieren kann - das ist ein wichtiger Punkt. Daraus entsteht unser Teamgeist, der ein bedeutendes Charakteristikum der Truppe ist. Die Jungs verstehen sich auch privat und unternehmen außerhalb des Platzes sehr viel miteinander. Rein sportlich geben wir dem Team vor jedem Spiel einen Plan an die Hand - und die Jungs setzten das überragend um. Wir trainieren unter der Woche die Abläufe fürs Wochenende, wollen unser attraktives Offensivspiel und die Systemvariabilität in den Spielen auch umsetzen. Das ist bislang sehr gut gelungen.

SPOX: Ist Paderborn der Beweis, dass man auch als krasser Außenseiter gute Chancen hat, wenn man ein Team stellt, das gruppen- und individualtaktisch hervorragend geschult und eingespielt ist?

Breitenreiter: Die allerersten sind wir natürlich jetzt nicht.(lacht) Auch die SpVgg Unterhaching hat das Anfang des Jahrtausends sehr gut gemacht. Aber Sie können sicher sein, dass sich die Substanz, bezogen auf die Rahmenbedingungen und das finanzielle Budget der großen Vereine, auf Dauer immer durchsetzen wird. Daher ist es in Paderborn wichtig, dass wir mit allen Beteiligten die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen.

SPOX: Der SCP soll Ende 2015 ein neues Trainingszentrum bekommen. Wie sehr freuen Sie sich darüber? Immerhin hätten Sie dann gar nichts zu mehr zu beanstanden.

Breitenreiter: Wir freuen uns über die Signale der Stadt, es muss aber jetzt auch bald losgehen. Wie im sportlichen Bereich müssen wir auch in infrastruktureller Sicht einen Schritt nach dem anderen gehen. Wichtig ist, dass wir uns als Verein weiterentwickeln. Es geht ja nicht nur um die Trainingsplätze für die Profimannschaft, sondern auch um das Nachwuchsleistungszentrum, damit wir junge und hochtalentierte Spieler in Paderborn halten können und eine Anlaufstelle bieten.

SPOX: Bei aller Euphorie in der Stadt, gibt es auch ein wenig Ärger. Wegen Anwohnerbeschwerden und Lärmbelästigung dürfen in Paderborn keine Freitagabendspiele ausgetragen werden. Wie stehen Sie dazu?

Breitenreiter: Das ist auf jeden Fall sehr schade, Flutlichtspiele sind immer etwas Besonderes. Wir hatten es jetzt am Sonntag, als es früh dunkel wurde. So etwas ist nicht nur für die Fans, sondern auch für die Mannschaft eine tolle Erfahrung. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn die Gespräche dahingehend auch erfolgreich verlaufen.

SPOX: Ist die Stadt Paderborn demnach nicht bundesligatauglich?

Breitenreiter: Ich kann nur sagen, dass wir alle gemeinsam in den ersten Monaten viel gelernt haben. Aber wir dürfen uns jetzt nicht ausruhen, sondern müssen den nächsten Schritt gehen - und die Stadt darf uns gerne dabei unterstützen.

SPOX: Inwieweit müssen Sie konzeptionell mit anpacken, um den Verein im Gesamtpaket besser aufzustellen? Oder kümmert sich darum einzig der Manager oder der Aufsichtsrat und Sie können sich voll auf die Trainingsarbeit konzentrieren?

Breitenreiter: Jeder arbeitet daran, dass es weiter nach vorne geht. Natürlich bin ich in den Gesprächen um das neue Trainingszentrum dabei. Da hilft dann vielleicht die eine oder andere Erfahrung, die ich in meinen früheren Vereinen gesammelt habe.

SPOX: Wie sieht denn eine Gegner-Analyse in Paderborn aus. Läuft das über Scouts ab oder machen Sie das alles selbst?

Breitenreiter: Wir haben seit Anfang der Saison einen Scout für uns gewonnen, der die Regionalliga, die 3. und die 2. Liga für uns sichtet. Alles, was die Bundesliga betrifft, obliegt dann ausschließlich der Verantwortung des Trainerteams. Meine beiden Co-Trainer, Manager Michael Born und ich beobachten die Gegner, schneiden Videos und bereiten die Mannschaft auf die anstehenden Aufgaben vor.

SPOX: Vor acht Wochen sagte Sie im "Doppelpass", dass Sie im Winter gerne den einen oder anderen unzufriedenen Spieler von Ihrem nächsten Gegner Borussia Dortmund (Sa., 15.30 Uhr im LIVE-TICKER) ausleihen würden. Wer schwebt Ihnen da vor?

Breitenreiter: Das war nur ein Angebot an Borussia Dortmund. Wenn deren Kader zu breit aufgestellt sein sollte und es dementsprechend Unzufriedenheit geben würde, würden wir uns gerne zur Verfügung stellen, um Abhilfe zu schaffen. Nein, mal ernsthaft: Wir dürfen doch kein Auge auf den BVB werfen, das ist nicht unsere Kragenweite. Solche Spieler können wir uns gar nicht leisten.

SPOX: Was passiert eigentlich, wenn der SC Paderborn am Ende der Saison tatsächlich die Klasse hält?

Breitenreiter: Es wird wahrscheinlich eine ähnliche Party geben, wie im Mai dieses Jahres. Das wäre eine sensationelle Sache und absolut gleichzusetzen mit dem Aufstieg - ganz Paderborn wäre stolz auf die Truppe und würde ein riesiges Fest feiern. Und auch ich würde meinen Teil zu dieser Veranstaltung beitragen.

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