"Wie ein einsamer Rufer in der Wüste"

Michael Zorc ist nach Christian Heidel der dienstälteste Manager der Bundesliga
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SPOX: Wie ist es bei Ihnen: Spüren Sie, welche Erwartungen man in der kommenden Saison an den BVB hat?

Zorc: Die Erwartungshaltung ist eigentlich unverändert dieselbe wie vor der letzten Saison. Wir müssen einfach konstatieren, dass Bayern München der absolute Top-Favorit auf die Meisterschaft ist. München gehört nun mal zu Deutschland (lacht). Wir wollen das Beste aus unseren Möglichkeiten machen. Das ist uns in den letzten vier Jahren hervorragend gelungen. Unsere Ziele sind formuliert - und an ihnen kann sich auch gar nichts ändern.

SPOX: Nach den erfolgreichen vier letzten Jahren ist die Erwartungshaltung aber mittlerweile doch nicht mehr dieselbe?

Zorc: Ich finde schon, dass sich die Erwartungshaltung in den letzten Jahren gar nicht so dramatisch verändert hat. Die Leute in und um Dortmund wissen sehr genau, welcher Anstrengungen es bedarf, um dort zu landen, wo wir zuletzt immer gelandet sind. Wir können nicht wegdiskutieren, dass Bayern München bessere Rahmenbedingungen hat als wir. Wer das ignoriert, ist ein Träumer. Es hat in der Historie unseres Vereins noch keinen Zeitabschnitt gegeben, in dem wir binnen vier Jahren zweimal Meister, zweimal Vizemeister und zudem so präsent in der Champions League waren.

SPOX: Wie haben sich die Erfolge auf Ihre eigene Arbeit ausgewirkt?

Zorc: Sie ist natürlich angenehmer, wenn man etwas mehr finanziellen Spielraum zur Verfügung hat. Gleichzeitig greift man aber auch in andere Regale als früher - und dort wird die Luft für einen Verein wie den BVB auch schnell dünner. Da gibt es Mitbewerber, die ganz andere wirtschaftliche Möglichkeiten haben. Das ist aber in Ordnung so. Wir merken, wie groß die Wertschätzung für unsere Arbeit gerade im Ausland ist. Und wenn ich lese, dass wir nach Einschätzung einer großen deutschen Zeitung bei den Marktwerten von allen Klubs auf der Welt mittlerweile auf Rang neun liegen, dann macht uns das stolz. Das ist Herausforderung und Motivation für die kommenden Jahre.

SPOX: Stichpunkt finanzieller Spielraum: Seit Ende Juni hat der BVB mit "Evonik" den ersten strategischen Partner mit an Bord. In Bälde sollen ein, zwei weitere Partner folgen. Wie ist man beim BVB eigentlich darauf gekommen, ein solches Modell in Erwägung zu ziehen?

Zorc: Die Voraussetzungen dafür wurden bereits vor einigen Jahren auf der Hauptversammlung geschaffen, indem unsere Aktionäre genehmigtes Kapital gebilligt haben. Wenn unsere Gespräche mit namhaften Investoren zu einem erfolgreichen Abschluss wie mit "Evonik" führen, dann eröffnet uns dies mittelfristig weitere Möglichkeiten und macht Sinn. Wichtig dabei ist aber, dass diese Investoren auch über ein nachhaltiges Sponsoring-Interesse verfügen sollten.

SPOX: Die Beletage des europäischen Fußballs kann jedoch weiterhin ganz andere finanzielle Dimensionen aufrufen. Sind Ihnen solche Ablösesummen, wie Sie auch jetzt wieder vom FC Barcelona oder Real Madrid gezahlt werden, ein Dorn im Auge?

Zorc: Das ist doch alles nicht neu. Vor etlichen Jahren ist Zinedine Zidane für eine ähnlich astronomische Summe gewechselt. Klubs wie Barca, Real oder auch Manchester United machen eine halbe Milliarde Euro Umsatz und erzielen mitunter Gewinne von 40 Millionen nach Steuern. Die sind gesund. Man glaubt offenbar häufig, dass da überall Hasardeure am Werk sind. Man muss diesbezüglich aber tunlichst unterscheiden.

SPOX: Unterscheiden Sie bitte!

Zorc: Die von mir aufgezählten Vereine waren in den letzten Jahren hochprofitabel. Auf der Gegenseite gibt es Klubs wie Paris Saint-Germain oder Manchester City: Dort wird vergleichsweise wenig Geld verdient. Deshalb sind dies zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. PSG und ManCity haben von der UEFA im Rahmen des Financial Fairplay zum Glück die Gelbe Karte bekommen - und verhalten sich jetzt auf einmal, zumindest bislang, zurückhaltend auf dem Transfermarkt.

SPOX: Klubs wie Barca oder Real schleppen trotz des Schuldenabbaus aber immer noch einen ganz schönen Rucksack mit sich herum.

Zorc: Ja, aber gerade Barcelona hat im zurückliegenden Geschäftsjahr die Schulden halbieren können. Bei den Schulden ist es ja entscheidend, dass man sie bedienen kann. Man hat die Zinsen zu zahlen und seinen Kapitaldienst zu leisten. Und das können diese Klubs. Sie sind beispielsweise beim Marketing und Merchandising gerade international in Asien oder Lateinamerika extrem gut aufgestellt. Mit diesem Paket scheinen sie in der Lage, diese hohen Summen zu refinanzieren.

SPOX: Ihr Manager-Kollege Christian Heidel vom 1. FSV Mainz 05 äußerte zuletzt seine Sorgen zur Zukunft der Bundesliga. Er glaubt, dass Klubs mit finanzstarken Investoren im Hintergrund Vereine, die solide, aber nicht exorbitant wirtschaften, künftig aus der Liga verdrängen werden. Wie sehen Sie das?

Zorc: Die Liga hat doch aber die Ausnahmeregelung für Vereine wie Leverkusen und Wolfsburg schon vor Jahrzehnten genehmigt. Dieses Rad jetzt wieder zurückdrehen zu wollen, ist natürlich schwierig. Ich kann Christian Heidels Sorgen allerdings nachvollziehen, weil der wirtschaftliche Nachteil einfach da ist.

Seite 1: Zorc über das Maximum an Belastung und die "Entdeckung" Immobile

Seite 2: Zorc über die Erwartungshaltung und hohe Ablösesummen

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