"Wie ein einsamer Rufer in der Wüste"

Michael Zorc ist nach Christian Heidel der dienstälteste Manager der Bundesliga
© getty

Anfang des Jahres hat Michael Zorc seinen Vertrag bei Borussia Dortmund bis ins Jahr 2019 verlängert. Bereits seit 1998 ist Zorc Sportdirektor beim BVB. Im Interview spricht der 51-Jährige über die Belastungsgrenze für die Spieler, die Erwartungshaltung bei der Borussia und den Wettbewerb mit finanzstärkeren Vereinen.

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SPOX: Herr Zorc, nur zweieinhalb Wochen nach dem Weltmeistertitel für die A-Nationalmannschaft ist die deutsche U 19 in Ungarn Europameister geworden. Wie schauen Sie als Manager von Borussia Dortmund auf ein solches Turnier?

Michael Zorc: Wir verfolgen das sehr intensiv. Vor allem über unsere Scoutingabteilung, die natürlich auch vor Ort war. Ich habe mir das Halbfinale sowie das Endspiel live im Fernsehen angeschaut. Da kamen gemischte Gefühle auf, weil unser Spieler Jeremy Dudziak verletzungsbedingt fehlte. Die Freude ist dennoch riesig, dass nach dem WM-Sieg auch der Europameistertitel der U 19 nach Deutschland geht.

SPOX: Bei diesen beiden Titeln haben aus Dortmunder Sicht lediglich Mats Hummels und eben kurzzeitig Dudziak Spielanteile bekommen. Ist das für den BVB zu wenig?

Zorc: Das würde ich nicht zu hoch hängen wollen. Besonders im Nachwuchsbereich gibt es immer wieder mal Jahrgänge, die in den einzelnen Klubs besser und weniger gut besetzt sind. Bei unseren Jungs, die in Brasilien mit dabei waren, glaube ich, dass sie eine wichtige Rolle gespielt haben. Andere Nationalmannschaften haben es dort nicht geschafft, eine verschworene Truppe auf den Platz bringen. Im DFB-Team herrschte dagegen ein wunderbares Klima. Dort wurde die Bedeutung der Spieler, die nicht regelmäßig auf dem Platz standen, hervorgehoben - und das war eindeutig der Vorteil Deutschlands.

SPOX: Die Nationalspieler kehren nun nach und nach zurück nach Dortmund. Die gemeinsame Vorbereitung ist dadurch zerstückelt worden. Wie bewerten Sie das?

Zorc: Dieses Phänomen ist nach großen Turnieren nicht neu. Natürlich ist es nicht ideal, aber man kann damit umgehen. Für die Spieler, die ansonsten weniger im Vordergrund stehen, ist es eine gute Chance, sich nun anzubieten.

SPOX: Diese Problematik haben derzeit auch viele andere Klubs. Müssen die Top-Spieler für Ihren Geschmack zu oft auf dem Platz stehen?

Zorc: Durch die Anzahl der Spiele, die im Laufe einer Saison auf die Jungs zukommen, ist die Belastungsgrenze mittlerweile erreicht, teilweise sogar überschritten. Man hat das bei den Nationen gesehen, die Ligen mit 20 Vereinen haben und noch einmal vier Spiele mehr absolvieren mussten als wir in der Bundesliga. So ganz frisch wirkten die Spieler während der WM nicht mehr.

SPOX: Wieso findet es bei der FIFA keinerlei Gehör, dass der Spielkalender entzerrt werden sollte?

Zorc: Wie ein einsamer Rufer in der Wüste - so kommt man sich da bisweilen vor. Der Rahmenterminkalender ist immer auf viele Jahre festgelegt. Ich hoffe, dass bei den Verbänden langsam auch das Denken entsteht, da nicht noch weiter draufzusatteln. Wir müssen aufpassen, dass an dieser Schraube nicht weiter gedreht wird. Ich finde es jetzt schon mal gut, dass wir vor Saisonbeginn kein Länderspiel mehr haben.

SPOX: Auch in der kommenden Saison wird es für den BVB aller Voraussicht nach wieder viele Spiele geben. Los geht es im Grunde am 13. August beim Supercup gegen die Bayern. Jürgen Klopp sagte, dass der 75. Geburtstag seiner Mutter am Tag zuvor wichtiger sei. Wie wichtig ist der Supercup denn für Sie?

Zorc: Wir haben ihn letztes Jahr deutlich gegen Bayern München gewonnen. Trotzdem habe ich das ganze Jahr lang nichts darüber gelesen. Daran kann man sehen, dass der Supercup in der Bedeutung noch hinterher hinkt. Dennoch geht es immer ums Prestige, wenn der BVB in einem offiziellen Wettbewerb auf die Bayern trifft. Ich denke, dass sich die Bedeutung des Supercups in den kommenden Jahren sukzessive steigern wird. Er wurde ja einst abgeschafft, dann wieder neu eingeführt. Es muss also vielleicht noch etwas Tradition rein, um die Bedeutung zu steigern. Der Faktor Zeit wird hier wichtig sein.

SPOX: Für Neuzugang Ciro Immobile wird dieses Spiel wohl der erste Auftritt im Signal Iduna Park werden. Immobile meinte, Jürgen Klopp habe ihn 70 Mal beobachtet. Wie ist man beim BVB eigentlich auf ihn gekommen?

Zorc: Zunächst: Der Trainer hat ihn sicher nicht 70 Mal live gesehen, sondern vorrangig in Videosequenzen. Wir kennen Ciro schon sehr lange. Damals spielte er noch in Italiens zweiter Liga bei Pescara und war U-21-Nationalspieler. Dort ist er uns zum ersten Mal aufgefallen. Seitdem haben wir seinen Weg nachverfolgt. Er ist von seiner ganzen Art her ein Spieler, der zum Spielstil unseres Trainers passt. Wir hoffen, dass er sich relativ schnell an die höhere Intensität im deutschen Fußball und speziell bei Borussia Dortmund gewöhnt. Wir sind überzeugt, dass das klappen wird.

SPOX: Die Hoffnungen, dass Immobile Robert Lewandowski ersetzen kann, werden hoch sein.

Zorc: Es hängt nicht die komplette Erwartungshaltung an Ciro Immobile. Wir haben immer gesagt, dass wir niemanden holen, der Robert Lewandowski eins zu eins ersetzen soll. Das muss im Verbund geschehen. Darüber hinaus hat sich nach den Abgängen wichtiger Spieler in den letzten Jahren unser Spiel auch immer ein wenig verändert. Das wird wahrscheinlich auch in der kommenden Saison so sein.

Seite 1: Zorc über das Maximum an Belastung und die "Entdeckung" Immobile

Seite 2: Zorc über die Erwartungshaltung und hohe Ablösesummen

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