Armin Veh kehrt zum VfB zurück

SID
Armin Veh konnte 2007 mit dem VfB Stuttgart die Meisterschaft feiern
© getty

Armin Veh kehrt nach fünfeinhalb Jahren zum VfB Stuttgart zurück. Der Meistertrainer von 2007 unterschreibt bei den Schwaben entgegen seiner Gewohnheit einen Zweijahresvertrag und soll am 1. Juli offiziell vorgestellt werden.

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Damit hat der VfB nach dem Ausscheiden von Huub Stevens die wichtigste Personalentscheidung im Hinblick auf die kommende Saison früh getroffen. Es bleiben aber einige Fragezeichen hinter der zweiten Liaison Veh und dem VfB.

Warum hat sich Veh für Stuttgart entschieden?

Mit Eintracht Frankfurt hat Veh in drei Jahren einiges erreicht. Nach den missglückten Missionen Wolfsburg und Hamburg hat der Trainer für seine eigene Karriere mit der Eintracht die Kehrtwende geschafft. Der souveräne Aufstieg in die Bundesliga, das Erreichen des internationalen Wettbewerbs als Neuling und zuletzt der doch frühzeitige Klassenerhalt in einer Saison mit einigen Widrigkeiten sprechen für die Arbeit des 53-Jährigen.

Veh sah seine Mission in Frankfurt erfüllt, nicht umsonst hat er bereits frühzeitig seinen Abschied von der Eintracht bekanntgegeben und mit offenen Karten gespielt. Es gebe nur eine Aufgabe, die ihn momentan reize, hat er immer wieder betont. Dabei wurden ihm mögliche Engagements auf Schalke oder als Nationaltrainer Griechenlands angedichtet. Dass die Entwicklung der Eintracht - sowohl die der Mannschaft als auch des gesamten Klubs - irgendwann nicht mehr so schnell vorangehen würde, war abzusehen und hat sehr wahrscheinlich einen großen Teil dazu beigetragen, Frankfurt zu verlassen.

Beim VfB findet er in Teilen Voraussetzungen vor, die mit denen bei der Eintracht nach dem Abstieg 2011 identisch sind: Ein Klub mit Potenzial, aber ohne ordnende Hand und einer grundsätzlichen sportlichen Vision. In Stuttgart wird oft und viel von neuen Zielen und einer notwendigen Aufbruchsstimmung gesprochen, entfachen konnten die aber in der jüngst abgelaufenen Saison gleich zwei Trainer nicht - Stevens war am Ende nur noch dazu das, den totalen Absturz zu verhindern.

Veh feiert Rückkehr zum VfB

Beim VfB ist wieder einmal Stunde Null, das Szenario erinnert ein wenig an Vehs Anfänge bei seiner 3ersten Amtszeit. Da war nach dem spektakulär gescheiterten Experiment mit Giovanni Trapattoni auch wenig Substanzielles übrig geblieben, dafür aber umso mehr Raum für einen Neuaufbau.

Dass VfB-Präsident Bernd Wahler angekündigt hat, im Sommer anders als in den Jahren davor wieder mehr Geld in die Hand zu nehmen und in den Kader zu investieren, ist ein weiterer großer Anreiz. Sollte die angestrebte Ausgliederung der Profiabteilung im Sommer gelingen und damit die Tür offen sein für die Engagements finanzstarker Investoren, kann der VfB sicherlich mit einem zweistelligen Millionenbetrag kalkulieren. Dafür muss das starke Wirtschaftsumfeld in Stuttgart aktiviert werden. In Frankfurt sind die grundlegenden finanziellen Rahmenbedingungen in der Größenordnung nicht gegeben.

Dass beim VfB auch in Zukunft weiter auf die Jugend gesetzt wird - ohne es dabei zu übertreiben wie phasenweise in dieser Saison - dürfte ein weiterer Anreiz für Veh sein. Immerhin hat der schon bei einigen seiner Stationen im Profigeschäft bewiesen, dass er junge Spieler entwickeln kann.

Warum hat sich der VfB für Veh entschieden?

Es ist kein großes Geheimnis, dass Präsident Wahler auch andere Modelle und Personen im Kopf hatte. Thomas Tuchel wurde immer wieder ins Gespräch gebracht und nie dementiert. Genauso hartnäckig hielten sich Gerüchte um eine Rückholaktion von Ralf Rangnick - entweder als Trainer oder wie in seiner momentanen Funktion bei Red Bull Salzburg und RB Leipzig als Sportdirektor. Auch Roger Schmidts Name landete schnell auf der imaginären Wunschliste. Armin Veh war bis vor wenigen Tagen allenfalls eine Randerscheinung.

Dass es der VfB jetzt ein zweites Mal mit Veh probiert, hat sowohl pragmatische, als auch konzeptionelle Gründe. Abgesehen von den letzten wichtigen Heimspielen, als es für den VfB um alles oder nichts ging und die Region mobilisiert werden konnte, waren die Zuschauerzahlen doch stark rückläufig. Thomas Schneider führte nach einer kurzen Zeit der Besserung das fort, was sich unter Bruno Labbadia angekündigt hatte: Die Fans hatten immer weniger Lust, sich die Spiele ihrer Mannschaft anzusehen.

Dem Stuttgarter Spiel fehlt seit Jahren eine klare Linie, die im besten Fall für offensiven und leidenschaftlichen Fußball steht. Streng genommen hat man diese Art Fußball seit der Meister-Saison nicht mehr in Cannstatt erleben dürfen: Einen frechen, bedingungslosen Stil, der auch Fehler und Rückschläge beinhalten darf - so lange ein klares Konzept erkennbar ist.

Dass kleine Klubs mit deutlich weniger finanziellem Background und niedrigerem Etat dem VfB spielerisch weit voraus waren, war ein Signal. Besonders Wahler stellte die Forderung nach einem attraktiveren Fußball immer wieder ganz nach vorne.

Dass sich die Ziele des Klubs mit den Ansichten des Kandidaten in diesem Punkt dekcen, überrascht nicht. Veh hat bewiesen, dass er einer Mannschaft auch in kurzer Zeit eine gewisse Handschrift verpassen kann. Und dass er seine Mannschaften grundsätzlich offensiv ausrichtet.

Die große Stuttgarter Hoffnung, in Zukunft wieder noch mehr Spieler aus der eigenen Jugend in die erste Mannschaft zu bringen, war ein weiterer Faktor der Entscheidung für Veh. Erinnerungen an Serdar Tasci, Andreas Beck, Sami Khedira, Christian Gentner oder Mario Gomez, die alle unter Veh ihre Karriere im Profigeschäft starteten und später Nationalspieler wurden, nähren diese Hoffnung.

Von Veh wird erwartet, dass er einen guten Mittelweg findet und eine Mannschaft bastelt, die gelenkt und geführt wird von drei oder vier erfahrenen Spielern und der nach und nach frisches Blut zugeführt werden kann, ohne dass das Team sofort wieder nach Halt sucht und in eine Abwärtsspirale gerät wie in der Rückrunde.

Die Stuttgarter Verantwortlichen sind zwar im Vergleich zur letzten Zusammenarbeit mi Veh nahezu komplett andere, trotzdem wissen sie am Wasen im die Stärken und Schwächen ihres neuen Trainers und wie Veh mit seiner bisweilen kauzigen Art zu nehmen ist. Die Eingewöhnungsphase zwischen Klub und Trainer dürfte recht kurz werden.

Dazu - und das ist gerade in Stuttgart nicht zu unterschätzen - ist der Name Veh nach der schlechtesten Saison seit 40 Jahren gut zu moderieren bei den Fans.

Was sagt das über Stuttgarts Philosophie aus?

Veh wird bei seinem Amtsantritt der vierte Trainer innerhalb der letzten zwölf Monate sein. Allein diese Tatsache belegt, wie sehr der VfB immer noch auf der Suche nach seiner eigenen Identität ist. Das Leben zwischen Ausbildungsverein auf der einen Seite und ambitioniertem Traditionsklub auf der anderen erweist sich als schwer.

Dass jetzt das Altbewährte wieder zurückgeholt wurde, ist auch damit zu erklären, dass die Verantwortlichen vorsichtiger geworden sind. Es sind nicht mehr viele Schüsse möglich, die letzte gewagte Rochade mit Thomas Schneider hätte beinahe zum Abstieg geführt.

Der VfB muss seine Leitlinien, die er immer gerne beschwört, endlich auch mit Leben füllen und konsequent verfolgen - ohne dabei zu überdrehen. Veh muss der zentrale Bestandteil der neuen Klubphilosophie werden, vielleicht noch unterstützt vom einen oder anderen Alt-Internationalen in einem der Gremien. Bobic alleine reicht als sportliche Instanz nicht aus und Veh ist nicht der Heilsbringer alleine.

Die Risiken

So gut Veh auf der Geschäftsstelle und bei einigen wichtigen Entscheidungsträgern bekannt ist, so groß bleibt die Frage, wie sich Fredi Bobic und sein neuer Trainer verstehen werden. Veh ist nicht als Duckmäuser bekannt, im Gegenteil sagt er vielleicht einmal zu oft offen seine Meinung. Bisher konnte Sportvorstand Bobic sich sicher sein, dass er in sportlichen Fragen das letzte Wort hat.

Wie genau die Zusammenarbeit der beiden Individualisten funktionieren wird, ist momentan nicht einzuschätzen. Es deutet sich aber schon ein wenig Konfliktpotenzial an, wenn zwei so starke Persönlichkeiten aufeinandertreffen.

Dass Bobic nun nach Jahren der vom Klub auferlegten Konsolidierung wieder mehr Geld für den Kader bekommen soll, ist auf den ersten Blick ein Vorteil. Auf der anderen Seite hat der größere Teil seiner getätigten Transfers zuletzt gefloppt. Von den Zugängen der abgelaufenen Saison hat es lediglich Daniel Schwaab zum Stammspieler gebracht. Was die Zukäufe angeht, hat Bobic nach einigen wichtigen Transfers in den Jahren davor zuletzt nicht das beste Händchen bewiesen.

Erinnert man sich dann noch an die Transferbilanz unmittelbar nach der Meisterschaft 2007, die neben dem damaligen Manager Horst Heldt dessen Trainer Veh zu verantworten hatte, könnte man Zweifel bekommen, ob nun ausgerechnet Bobic und Veh mit den frischen Geldern die richtigen Personalentscheidungen treffen können.

Nachdem Veh mit Spielern wie Arthur Boka, Roberto Hilbert, Ricardo Osorio oder Pavel Pardo in seiner ersten Transferperiode unglaublich erfolgreich war, floppten fast alle seiner Neuverpflichtungen nur ein Jahr später. An Gledson, Ewerthon, Yildiray Bastürk oder Ciprian Marica erinnern sich die VfB-Fans nur äußerst ungern.

Beim VfB verlor er vor fünf Jahren mit der Zeit die Lust und irgendwann den Zugriff auf seine Mannschaft. In Wolfsburg oder Hamburg, wo er danach anheuerte, konnte er sich keinen Namen machen, als er als Krisenmanager gefragt war.

Die Chancen

"Mit Sicherheit haben die zehn Spiele mit Stevens viel gezeigt. Das war ein sehr erfahrenes Trainerteam und das hat der Mannschaft gut getan", sagte Bobic nach dem 0:1 zum Abschluss bei den Bayern.

Veh bringt ein gutes Maß an Einfühlungsvermögen mit, um einer verunsicherten Mannschaft einen neuen Geist zu verleihen. Er kann hart sein und nachsichtig, besitzt mittlerweile für alle Unwägbarkeiten, die eine Saison so mit sich bringen kann, genügend Erfahrung und er hat in den letzten Jahren auch dazu gelernt. Seine Ansprache ist klar und eindeutig und wirkt glaubwürdig.

Nach einer Saison permanenter Enttäuschungen und des sportlichen Rückschritts erscheint der Augsburger als eine gute Wahl. Denn eines kann man Armin Veh sicherlich nicht vorwerfen: Dass er vor großen Aufgaben zurückschrecken würde. Im Gegenteil liebt er die Herausforderung.

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