"Ich wollte allen das Gegenteil beweisen"

Von Interview: Stefan Rommel
Mario Eggimann (r.) spielt seit über vier Jahren für Hannover 96
© Getty

Kein Stargehabe, keine Allüren, nur Fußball: Mario Eggimann ist wie der Prototyp eines Profis. Ein Gespräch über Zukunftsängste, den Standort Hannover und Erinnerungen an Robert Enke.

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SPOX: Herr Eggimann, Hannover hat gegen Dresden den Einzug ins DFB-Pokalachtelfinale geschafft. Am Ende war es aber eine ganz enge Kiste.

Mario Eggimann: Ich bin froh, dass wir endlich mal im Achtelfinale stehen. Aber das war ein ganz hartes Stück Arbeit. Dresden ist defensiv sehr gut und kompakt gestanden. Da war es für uns sehr schwer, durchzukommen. Aber dank unserer zuverlässigen Schützen und unseres starken Torhüters Ron-Robert Zieler hat es am Ende gereicht."

SPOX: Zuvor gab es auch in der Bundesliga ein aufregendes Spiel - allerdings mit negativem Ausgang für 96. Wie arbeitet man ein Spiel wie das 2:3 gegen Mönchengladbach auf?

Eggimann: Das war schon ein sehr bitterer Abend für uns. Wir haben uns darüber unterhalten, der Trainer hat uns darauf aufmerksam gemacht, wie wir uns in Zukunft anders zu verhalten haben. Wir haben schon einige Spiele auf ähnliche Art gewonnen, jetzt hat es uns umgekehrt so erwischt.

SPOX: Kann man schnell wieder zur Tagesordnung übergehen oder wirkt so eine Niederlage länger nach?

Eggimann: Es war eine ärgerliche Niederlage, die uns auch beschäftigt. Wichtig ist, dass wir daraus lernen. Das ist es, was zählt. Wir müssen sehen, dass wir einen Zwei-Tore-Vorsprung über die Zeit bringen. Der Trainer hat da die richtigen Worte gefunden.

SPOX: Wie schätzen Sie die Lage von 96 nach neun Spieltagen ein?

Eggimann: Die Platzierung im Mittelfeld, das heißt schlechter als Platz neun, ist etwas ungewohnt für uns. In den letzten beiden Jahren waren wir sehr weit vorne. Es ärgert uns ein bisschen, da zu stehen. Vor allem, weil wir schon zuvor einige Punkte leichtfertig vergeben haben. Aber wir hatten auch in der letzten Saison Phasen, in denen es nicht so lief und haben am Ende doch die nötigen Punkte geholt. Das macht mich zuversichtlich.

SPOX: Das erste Viertel der Saison ist vorbei. Wie sehen Sie die Leistungsdichte innerhalb der Bundesliga?

Eggimann: Es scheint so, als wäre die Liga in dieser Saison besonders ausgeglichen. Nur die Bayern haben offenbar noch mehr Qualität als der Rest. Dahinter haben selbst die vermeintlich kleinen Klubs gut aufgeholt und Qualität dazugewonnen. So wie wir in den letzten beiden Jahren auch.

SPOX: Hannover hat nach neun Spielen schon 16 Gegentore kassiert, die drittmeisten nach Hoffenheim (20) und Mönchengladbach (18). Muss die Balance zwischen Offensive und Defensive neu ausgerichtet werden?

Eggimann: Man darf nicht vergessen, dass wir vorne auch unheimlich viele Tore schießen. Das zeigt, dass unsere grundsätzliche Ausrichtung eine offensive ist. Das wollen wir auch so. Unser Spiel hat sich kaum verändert. Aber es stimmt, dass die gesamte Mannschaft in der Defensivarbeit noch eine Schippe drauflegen kann.

SPOX: Seit zwei Jahren läuft es sehr gut für 96. Was ist für den Standort Hannover in der Zukunft noch möglich - auch gemessen an Infrastruktur, wirtschaftlichem Umfeld etc.?

Eggimann: Wichtig ist immer der sportliche Erfolg. Aber man kann einen Verein nicht innerhalb von zwei Jahren von einem Abstiegskandidaten zu einem Klub machen, der ein Budget von 100 Millionen Euro hat. Das geht nicht. So etwas benötigt Jahre, auch wenn der Verein auf einem guten Weg dorthin ist. Das setzt aber voraus, dass in den nächsten drei, vier Jahren weiter auf dem Niveau gearbeitet wird, wie in den letzten beiden Jahren. Aber mit unserem weitsichtigen Präsidenten ist der Klub auf einem sehr guten Weg. Er lebt in allem was er tut vor, dass er den Willen und den Ehrgeiz hat, erfolgreich zu sein. Dazu haben wir einen Manager, der im Hintergrund einige Dinge im Verein geordnet und auch die richtigen Leute geholt hat.

SPOX: Sie haben ein eher nüchtern-sachliches Image. Kann - oder will - man so etwas noch ablegen?

Eggimann: Ich glaube, dass man sich nicht ganz davon befreien kann. Man bekommt immer irgendwie etwas mit und dass man dann eher Positives als Negatives hören mag, ist auch klar. Aber man muss schon versuchen, sich davon unabhängig zu machen. Dass man aber weniger über mich spricht oder berichtet, ist völlig okay. Es ist doch klar, dass Offensivspieler oder solche, die verrückte Dinge tun, mehr im Fokus stehen. Für mich ist das absolut in Ordnung.

SPOX: Mittlerweile ist man als Profi nicht nur durch die klassischen Medien im Blickfeld, sondern auch durch soziale Netzwerke wie zum Beispiel Facebook. Wie stehen Sie dazu?

Eggimann: Facebook ist ein beliebtes und viel genutztes Kommunikationsmittel - auch von mir. Ich finde es interessant zu beobachten, wie Menschen mit bestimmten Themen, die ich selber wählen kann, umgehen, was sie darüber denken und ob daraus eine Diskussion in der Gruppe entsteht.

Hier geht's zur Facebook-Seite von Mario Eggimann

SPOX: Ihr Start vor über vier Jahren in Hannover war sehr schwer. Sie konnten mehrere Jahre nur mit Schmerzen trainieren und spielen. Vor zwei Jahren wurde dann eine endgültige Diagnose erstellt und Sie wurden an der Hüfte operiert.

Eggimann: Ich hätte das gerne schon viel früher gehabt. Aber es gab keine verlässliche Diagnose, ich konnte nichts dagegen machen. Tatsache ist, dass ich viel Zeit verloren habe, bestimmt drei Jahre, in denen ich Schmerzen hatte. Danach benötigt man auch eine gewisse Zeit, um wieder den Rhythmus zu finden. Dazu hatte ich Mitspieler, die damals sehr gut gespielt haben auf meiner Position. Somit war es für mich schwer. Aber ich wusste immer, dass meine Chance wieder kommen würde.

SPOX: Sie hatten nie Angst um Ihre Karriere?

Eggimann: Man macht sich natürlich schon Gedanken. Für mich war aber immer klar, dass das alles seine Gründe hatte. Mein Start hier war eine Katastrophe für mich. Ich bin aber nicht einfach von Bord gegangen und habe den Verein verlassen. Weil ich wusste, was das Problem ist. Und ich wollte allen das Gegenteil beweisen, das war mir ganz wichtig.

SPOX: Kurz vor der Heim-EM 2008 wurden Sie aus dem Schweizer Kader gestrichen. Ist diese Ausbootung bis heute der tiefe Einschnitt in Ihrer Nationalmannschaftskarriere?

Eggimann: Meine Verletzung hatte ich der Zeit schon, sie hatte entscheidenden Anteil damals. Sie hat mich auch in der Nati viel Zeit gekostet, vielleicht entscheidende Zeit...

SPOX: Wie schätzen Sie Ihre Nationalmannschaft von außen betrachtet ein?

Eggimann: Ich sehe das sehr relaxed. Dort wird ein guter Job gemacht, die Schweiz liegt in der Qualifikation zur WM gut im Rennen.

SPOX: Hegen Sie noch Ambitionen?

Eggimann: Der Trainer weiß: Wenn er mich braucht, bin ich da. Meine Einstellung ist da etwas zurückhaltend. Wenn der Trainer mich einladen will, dann wird er das machen. Ich gehe aber davon aus, dass er momentan ein bisschen auf die Jugend setzt, auf die ganz jungen Spieler. Ich werde einfach versuchen, weiterhin im Verein meine Leistung zu bringen, der Rest liegt nicht in meiner Hand.

SPOX: Sie sind jetzt 31. Angenommen, Ottmar Hitzfeld ruft Sie eines Tages wieder an: Als Lückenfüller für den 23-Mann-Kader sähen Sie sich wohl eher auch nicht?

Eggimann: Nein. Das wäre für beide Seiten etwas schwierig. Deshalb nimmt er wohl auch eher die Jungen mit. Wenn ich aufgeboten werde, müsste ich schon die Aussicht haben, zu spielen.

SPOX: Wobei bei Ihnen das Gesamtpaket im Vergleich zu den anderen arrivierten Innenverteidigern das beste ist: Philippe Senderos ist verletzt, Johan Djourou spielt fast gar nicht. Einzig Steve van Bergen spielt wie Sie regelmäßig. Nur spielen Sie auch auf einem konstanten Niveau und noch international...

Eggimann: Ich kann auch nicht sagen, dass ich über den derzeitigen Stand sehr glücklich bin. Nur versuche ich, die Lage realistisch einzuschätzen. Ich glaube zu wissen, wo die Gründe dafür liegen. Aber klar wäre ich gerne wieder dabei.

SPOX: Ihr Vertrag in Hannover läuft im Sommer 2013 aus. Gab es schon Gespräche mit den Verantwortlichen?

Eggimann: Ich habe persönlich mit niemandem gesprochen. Für mich war der Zeitpunkt bisher auch noch nicht richtig. Es sind ja auch noch ein paar Monate bis dahin. Für mich ist aber klar, dass Hannover 96 der erste Ansprechpartner ist. Bisher hatte ich nicht die Zeit, mich umfangreicher damit zu beschäftigen, wir spielen ja im Drei-Tages-Rhythmus und hatten schon viele Spiele in der Saison. Es wird sich alles regeln und ich bin sicher, dass es eine gute Lösung für mich geben wird - egal wie und wo. Aber ich mache mir da nicht zu viele Gedanken. Eine vernünftige Regelung wird es nur geben, wenn man die Dinge auch ein wenig entspannt angeht.

SPOX: Die Vertragsverlängerung mit dem Trainer zieht sich jetzt seit Monaten.

Eggimann: Es gehört zum Fußball dazu: Wenn jemand erfolgreich ist, weckt er Begehrlichkeiten. Dass der Trainer für sich das Beste haben will, ist auch völlig legitim. Ich hoffe für den Verein, dass er bleibt. Mirko Slomka ist klar, weiß was er will und liefert eine super Arbeit ab. Wir als Spieler können von ihm einiges mitnehmen, das ist sehr wichtig. Aber wir wissen alle, wie die Mechanismen im Fußball sind. Man weiß nie, was passiert.

SPOX: In ein paar Tagen jährt sich der Suizid von Robert Enke zum dritten Mal. Wie haben Sie diesen Tag damals in Erinnerung?

Eggimann: Es gibt diese Tage, an denen man viel später noch ganz genau weiß, wie sie abgelaufen sind. Das ist einer dieser Tage für mich. Ich habe die Bilder noch im Kopf und sobald ich darüber rede, kommt auch das Gefühl sofort wieder hoch, das ich damals hatte... Robert Enke fehlt als Person immer noch.

SPOX: Was sind das für Gefühle?

Eggimann: Das ist schwer zu beschreiben, ein komisches Gefühl. Es war so ein großer Einschnitt für die Leute hier. Man sollte vielleicht auch nicht zu viel drüber reden. Das Gefühl entscheidet darüber, was bleibt. Alles, was gesprochen wird, ist austauschbar.

SPOX: Wie hat das den Verein im Rückblick verändert?

Eggimann: Es ist eben so, dass der Fußball eine reine Leistungsgesellschaft ist. Es wird zwar viel gesprochen - und im Hintergrund dreht sich das Rad unaufhörlich weiter. Es wird zunächst rücksichtsvoll miteinander umgegangen, aber dann kehrt leider Gottes wieder der Alltag ein. Der Verein ist mit dieser Situation aber sehr bewusst umgegangen.

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