Im Schicksal vereint

Von SPOX
Kämpfen mit allen Mitteln um den Klassenerhalt: Hertha BSC und der 1. FC Köln
© Getty

Der 1. FC Köln und Hertha BSC kämpfen am letzten Spieltag um den Relegationsplatz (Sa., ab 15.15 Uhr im LIVE-TICKER). Egal, wie die Saison endet: Beide Vereine stehen vor einer schwierigen Zukunft.

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Otto Rehhagel hat schon so viel erlebt, dass ihn selbst diese 90 Minuten am Samstag kaum mehr aus der Ruhe bringen könnten.

Hertha BSC ist seine zehnte Trainerstation im Profifußball - aber so leer und ratlos hat man den mittlerweile 73-Jährigen selbst in seinen finsteren Torhagel-Zeiten Ende der 70er nicht gesehen. "König Schrotto" hat ihn der Berliner Boulevard noch schnell getauft.

Rehhagel wird seinen Job in Berlin nach dieser Saison wieder aufgeben. Und wenn es schlecht läuft am Samstag gegen 1899 Hoffenheim, wird es bereits das letzte Spiel seines Comebacks in der Bundesliga.

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Was wird aus Frank Schaefer?

Welchen Job Frank Schaefer in wenigen Wochen beim 1. FC Köln inne hat, steht noch nicht ganz fest. Wahrscheinlich wird er das Bindeglied zwischen Jugendbereich und Profiabteilung. Sehr wahrscheinlich sind sie in Köln dann aber wie in Berlin mal wieder auf der Suche nach einem neuen Übungsleiter - und auf der Suche nach einer neuen Identität.

Zwischen Berlin und Köln entscheidet sich der Abstiegskampf. Einer ist am Samstagabend definitiv abgestiegen, der andere hat immerhin noch eine letzte Chance in der Relegation. Für Hertha wäre es der sechste, für den FC der fünfte Abstieg der Vereinsgeschichte.

Aber was käme dann? Beide Klubs haben unübersehbare strukturelle Probleme, dazu sind wichtige Stellen (bald) unbesetzt. Derzeit hat es den Anschein, dass Köln mit einem erneuten Abstieg besser zurecht käme, obwohl dort weder der Trainer- noch der Posten des Sportdirektors für die kommenden Saison geregelt ist.

Neuer, radikaler Einschnitt bei beiden Klubs

Beiden steht ein neuer, radikaler Einschnitt bevor. Und wieder einmal zeigt sich, dass ein Abstieg in Zeiten der großen Gelder in der Bundesliga einen Klub dauerhaft beschädigt. Köln und Berlin erleben das derzeit am eigenen Leib, andere Klubs wie Eintracht Frankfurt oder der 1. FC Kaiserslautern gehen seit ihren ersten Abstiegen auch fast schon regelmäßig durch dieselbe Hölle.

Frankfurt ist seit dem ersten Abstieg 1996 danach noch viermal eine Klasse tiefer gerutscht, der FCK steigt jetzt zum dritten Mal in den letzten 16 Jahren ab, hat auch schon eine vierjährige Durststrecke in der 2. Liga durchschritten. Köln hat vier Abstiege in den letzten 14 Jahren hinter sich, hat sich zur klassischen Fahrstuhlmannschaft entwickelt.

Und auch in Berlin muss mittlerweile dem Letzten klar sein, dass der als Betriebsunfall deklarierte Abstieg doch mehr als ein solcher war. Es gibt weiter strukturelle Probleme, die sich jetzt in allen Bereichen niederschlagen und im Gesamtkontext Platz 17 ergeben.

Berlin hat ein enorm großes Einzugsgebiet, seit langem gibt es keinen Bundesligisten mehr im Osten. Trotzdem vermissen viele selbst in der eigenen Stadt noch mehr Zuneigung. Finanzkräftige Sponsoren gibt es in der Hauptstadt genug, nur bekommt die Hertha kaum einen davon langfristig ab.

Raffael hat keine Lust auf Liga 2

In der zweiten Liga dürfte die Suche nach frischem Gekd ungleich schwerer werden, der Imageschaden, mal wieder die einzige Hauptstadt Europas ohne Erstligist zu sein, schwebt schon heute als böse Prophezeiung über der Hertha.

Vor zwei Jahren setzte die Vereinsführung nach dem Abstieg alles auf eine Karte. Mit einem finanziellen Kraftakt wurden fast alle Leistungsträger gehalten, das Unternehmen Wiederaufstieg mit großem Risiko verfolgt. Es war eine riskante Hauruckaktion, bei der nichts schiefgehen durfte - und die am Ende auch geklappt hat.

Diesmal sieht die Lage etwas anders aus. Zwar will unter anderem Torhüter Thomas Kraft auch in der zweiten Liga in Berlin bleiben, dafür stehen andere Spieler vor dem Absprung. Raffael wird sich definitiv kein zweites Mal eine Saison im Unterhaus antun: "Ein zweiter Abstieg wäre ein Albtraum für mich. Die 2. Liga tue ich mir nicht mehr an. Eine Saison reicht für eine ganze Karriere." Auch Adrian Ramos, Christian Lell oder Pierre-Michel Lasogga sind dann schwer zu halten.

Dass alle Spieler gültige Verträge auch für die zweite Liga ohne jegliche Ausstiegsklauseln haben, wie Manager Michael Preetz zuletzt betonte, ist da nur eine Randnotiz. Der Hertha fehlt dann schlicht das Geld. Angeblich planen die Bosse bereits mit drastischen Sparmaßnahmen.

Drastische Kürzung der Personalkosten bei Abstieg

Derzeit beträgt der Gesamtetat für die erste Liga knapp 60 Millionen Euro. Im Falle des Abstiegs sieht der Konsolidierungsplan nach Angaben der "BZ" eine fast 50-prozentige Kürzung vor. Die Personalkosten sollen demnach von 25 auf 13 Millionen reduziert werden. Das entspräche in etwa dem Etat nach dem Abstieg vor zwei Jahren - allerdings verzichteten damals einige Spieler freiwillig auf Teile ihres Gehalts.

Berlin hat eine der besten Jugendabteilungen des Landes, so richtig durchgestartet ist bei der Hertha aber schon seit langer Zeit keiner der eigenen Spieler mehr. Den Durchbruch haben fast alle bei anderen Vereinen gepackt, das Potenzial, das im Klub schlummert, wurde viel zu selten geweckt.

Bei einem Abstieg käme fast zwangsläufig die Chance, den Trend endlich wieder umzukehren und die eigene Jugend mehr in die Verantwortung zu nehmen. Natürlich birgt auch das ein gewisses Risiko, der direkte Wiederaufstieg dürfte so nur schwer zu realisieren sein. Aber auf mittelfristige Sicht ist es vielleicht die einzig praktikable Lösung.

"Die finanziellen Möglichkeiten, um den sofortigen Wiederaufstieg anzupeilen, sind beim Verein nicht vorhanden. Im Zweifelsfall muss man sich auf mehrere Jahre in der 2. Liga einstellen", sagt Vize-Aufsichtsratschef Andreas Schmidt offen. "Sicherlich kann man auch Glück haben, aber bei diesem Etat könnte man im Abstiegsfall ein grauer Zweitligist werden."

Frisches Geld aus den Emiraten?

Es sei denn, Etihad Airways steigt im Sommer wirklich bei der Hertha ein. Die Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten soll schon Interesse signalisiert haben, im Raum steht ein Investitionsvolumen von zehn bis 15 Millionen Euro.

Aber Präsident Werner Gegenbauer hat noch ein anderes Problem: Die Zukunft von Manager Preetz. Gegenbauer will den unbedingt halten, obwohl auf Preetz' Kappe dann zwei Abstiege gingen, dazu hat er jetzt schon vier Trainer verschlissen. Bei den Fans regt sich längst der Widerstand.

In Köln steht der FC nicht nur wegen der zwei Punkte mehr auf dem Konto einen Tick besser da. Auch wenn die Lage natürlich alles andere als rosig ist. Nach der besten Vorrunde seit ewigen Zeiten ist die Mannschaft komplett abgestürzt, hat der Verein neben seinem Sportdirektor auch den Trainer verschlissen. Dazu plagen den FC rund 30 Millionen Schulden.

Wenigstens ist das Gerangel um den Präsidentenposten beendet. Mit Werner Spinner hat der Klub endlich wieder eine verantwortliche Person an der Spitze. Spinner war früher Topmanager beim Bayer-Konzern und hat in seinen ersten Tagen bereits gute Ansätze und Ideen vermittelt, wie er den FC wieder auf Kurs bringen will.

Köln: Endlose Kette von Fehlern

Dazu kommen mit Markus Rittenbach und Toni Schumacher noch zwei weitere Mitstreiter. Schumacher soll dabei als Aushängeschild dienen. Der Vertrauensbeweis für das neue Führungstrio bei dessen Wahl war mit 91,4 Prozent Zustimmung überwältigend.

Im letzten Jahr wurde Kölns B-Jugend deutscher Meister, die Durchlässigkeit der durchaus vorhandenen eigenen Talente bis hoch in den Profibereich war zuletzt aber schwach. Auch deshalb geht ein überaus begabter Spieler wie Mitchell weiser, der bereits Bundesligaluft schnuppern durfte, jetzt zu den Bayern?

Und als wäre der drohende Abstieg nicht schon genug Belastung, gibt es noch eine Sache, vor der in Köln alle Angst haben: Ein mögliches Scheitern in der Relegation an Fortuna Düsseldorf. Schlimmer könnte es selbst für den leiderprobten Kölner Fan nicht kommen, als ausgerechnet gegen den ewigen Rivalen den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten zu müssen.

Aber selbst das würde der FC irgendwie überleben. "Der Abstieg wäre die logische Folge aus einer endlosen Kette von Fehlern", sagt Köln-Legende Herbert Neumann. "Aber der 1. FC Köln als Klub ist unzerstörbar."

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