"Die anderen unterschätzen uns"

Von Für SPOX in Going: Stefan Rommel
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München/Going - Armin Veh genehmigte sich noch eben einen Schluck aus der Espressotasse und nahm dann Platz.

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In der Bibliothek, beim ebenso noblen wie bekannten Stanglwirt am Fuße des Wilden Kaiser. Der VfB Stuttgart gastiert nach einem Jahr Pause wieder in der Nähe von Kufstein und absolviert auf der Sportanlage unweit des Hotels den letzten Abschnitt der Saisonvorbereitung.

Veh wirkte im kleinen Journalistenkreis locker und entspannt, die Strapazen der Vorsaison sind irgendwo im Urlaub oder in der bisher gut verlaufenen Vorbereitung versandet.

Über eine Stunde nahm sich der VfB-Coach Zeit für die vielen Fragen - über seine angebliche Flegeltruppe, seine neue Nummer zehn, den Ärger mit Olympiaabstellungen und einer klaren Ansage in der Causa Gomez. SPOX war mit dabei.

Frage: Herr Veh, seit drei Wochen steckt der VfB in der Vorbereitung. Wie sieht Ihr Zwischenfazit aus?

Armin Veh: Ich bin sehr zufrieden. Letztes Jahr um diese Zeit hatten wir ja unzählige Verletzte, die Vorbereitung war deshalb sehr chaotisch. Diesmal ist es ganz anders: Wir konnten unser Programm voll durchziehen.

Frage: Was haben Sie anders gemacht?

Veh: Nach dem Grundlagen-Programm im Lauftrainingslager sind wir nicht mehr so früh ins Schnelligkeitstraining eingestiegen. Das war letztes Jahr wohl ein Knackpunkt. Und wir haben die Methodik etwas verändert.

Frage: Khalid Boulahrouz ist da, Fernando Meira hat sich verabschiedet. Sind die Personalplanungen jetzt abgeschlossen?

Veh: Voraussichtlich kommt kein neuer Spieler mehr dazu und wir werden auch keinen mehr abgeben. Im Normalfall...

Frage: Sie wollten aber immer vier Innenverteidiger. Im Moment sind es nur drei.

Veh: Mir reichen jetzt die drei.

Frage: Gibt es etwas Neues in Sachen Boateng?

Veh: Da kann sich noch was tun. Die Betonung liegt auf "kann". Im Moment kann man nichts Definitives sagen.

Frage: Letzte Saison konnten die Zugänge nicht unbedingt einschlagen.

Veh: Das kann man so sehen. Jetzt bin ich aber sehr optimistisch. Ich behaupte: Wir haben ein glückliches Händchen mit unseren Neuen bewiesen.

Frage: Obwohl anscheinend schwierige Charaktere wie Simak, Boulahrouz, Lehmann darunter sind.

Veh: Jaja, der Simak ist schon furchtbar, ein echter Flegel... Aber jetzt im Ernst: Ich halte ihn für einen der besten Fußballer, auch in der Bundesliga. Jeder macht irgendwann mal etwas, das er nicht machen sollte. Und dann steckt man drin in der so genannten Schublade. Ich sage aber: Wenn er seine Fähigkeiten einbringen kann, ist er bei uns die Nummer zehn. Und das für 400.000 Euro - ich denke, dass ist mehr als ein Schnäppchen.

Frage: Und was wird aus Yildiray Bastürk?

Veh: Yildiray kann auch sehr gut auf den Halbpositionen spielen. Für die Zentrale hinter den Spitzen sehe ich Simak als prädestiniert an.

Frage: Gefällt Ihnen der große Konkurrenzkampf im Mittelfeld?

Veh: Natürlich. Mir bieten sich viele Optionen. Wir haben ja auch noch Martin Lanig. Ein junger Spieler, unheimlich talentiert. Er muss jetzt das Tempo in der Ersten Liga aufnehmen, dann hat er eine hoffnungsvolle Zukunft.

Frage: Denken Sie auch darüber nach, Roberto Hilbert nach dem Verkauf von Andreas Beck längerfristig auf der rechten Verteidigerposition zu bringen?

Veh: Die Überlegung gibt es. Wir haben ja nur noch Ricardo Osorio, der das bei uns schon gespielt hat. Boulahrouz ist dafür natürlich auch eine Alternative. Und nicht zu vergessen Serdar Tasci. Auch er kann diese Position spielen.

Frage: Wie sehen Sie die Rolle von Boulahrouz in Ihrer Mannschaft?

Veh: Er war schon länger mein Wunschspieler, ich wollte ihn unbedingt. Bei ihm weiß ich, was da zu uns kommt. Übrigens genau so wie bei Jens Lehmann. Wir brauchen so jemanden wie Khalid: Er hat die Fähigkeiten, unser Spiel schon aus der Abwehr heraus zu ordnen. Es ist sehr wichtig für uns, dass er da ist.

Frage: Mario Gomez ist mittlerweile auch zur Mannschaft gestoßen. Haben Sie mit ihm schon die EM aufgearbeitet?

Veh: Wir hatten auch während des Turniers immer mal wieder kurzen Kontakt. Danach haben wir die EM analysiert.

Frage: Wie wirkt er auf Sie? Immerhin fehlt immer noch ein klares Bekenntnis zum VfB.

Veh: Wieso sollte er das machen? Er hat einen gültigen Vertrag bei uns. Und wir sind auch nicht gesprächsbereit. Das waren wir von Anfang an nicht. Es gibt eine klare Ansage der sportlichen Leitung, dass er nicht weg darf. Das haben wir nicht einmal gesagt, sondern schon zehnmal. Also: Aus, Ende. Das Thema ist vorbei.

Frage: Was erwarten Sie von Jens Lehmann?

Veh: Er ist immer noch Nationaltorhüter. Mit seiner Ausstrahlung und seinen Führungsqualitäten haben wir eine richtig gute Abwehr zusammen. Da sind wir so gut besetzt, dass wir uns nicht verstecken müssen.

Frage: Einige Nationalspieler haben fast zwei Drittel der Vorbereitung verpasst. Ein Problem?

Veh: Kein Problem. Das kriegen wir bis zum Saisonstart hin. Eventuell können wir die erste Runde im DFB-Pokal (beim FC Hansa Lüneburg, Anm. d. Red.) ja als letzten Test nutzen und die Spieler da zum ersten Mal unter Wettkampfbedingungen bringen.

Frage: Wird es Umstellungen geben bezüglich des Spielsystems?

Veh: Wir bleiben beim 4-4-2 mit der Raute. Das ist unser Grundsystem, daran wird sich nichts ändern.

Frage: Am Sonntag steht das UI-Cup-Rückspiel gegen Ramenskoje an, der VfB droht auszuscheiden. Nehmen Sie auf den UI-Cup Rücksicht?

Veh: Wir sind davon nicht abhängig. Im UI-Cup kann man nichts verdienen. Aber natürlich wäre es einerseits vor allem für unsere jungen Spieler gut, wenn sie internationale Luft schnuppern könnten. Andererseits müssen wir im UEFA-Cup wieder den Donnerstag-Sonntag-Rhythmus gehen, vielleicht sogar Donnerstag-Samstag. Leider wird der Wettbewerb immer wieder herabgewertet.

Frage: Ramenskoje ist nicht zu unterschätzen, wie das Hinspiel gezeigt hat.

Veh: Wir haben das "Pech", dass wir bei unserem derzeitigen Vorbereitungsstand nicht eben den leichtesten Gegner erwischt haben. Wenn wir die Runde überstehen sollten, wird es um einiges leichter.

Frage: Die Stimmung in der Mannschaft scheint bis jetzt hervorragend zu sein...

Veh: Sie ist zumindest um einiges besser als vor einem Jahr. Das liegt aber vor allem daran, dass meine Spieler auf dem Platz stehen und nicht auf irgendwelchen Massagebänken im Reha-Zentrum liegen.

Frage: Einige Klubs haben großen Ärger, weil sie Spieler für Olympia abstellen müssen.

Veh: Zum Glück haben wir bis auf Georges Mandjeck (mit Kamerun, Anm. d. Red.) damit nichts zu tun. Ich halte das für Wahnsinn, was da gemacht wird. Die Vereine bezahlen die Spieler. Der olympische Gedanke war doch mal, dass dort nur Amateure teilnehmen dürfen. Was ist damit passiert? Es spielen ja nur noch Profis mit. Im Endeffekt geht es dabei nur um Kohle.

Frage: Zurück zur Bundesliga: Wer sind Ihre Favoriten auf den Meistertitel?

Veh: Wer muss denn in Deutschland immer die Meisterschaft holen? Also natürlich die Bayern, vielleicht Schalke. Werder Bremen habe ich in diesem Zusammenhang auch schon gehört. Und natürlich Wolfsburg. Die haben sich ja noch mehr verstärkt.

Frage: Und Ihre Mannschaft? Ein zweiter Sensations-Coup vielleicht?

Veh: Ich würde am liebsten immer Meister werden, klar. Aber die Frage stellt sich doch nicht. Insgesamt spielen acht, neun Mannschaften oben mit. Und zu uns: Ich habe das Gefühl, dass uns die meisten wieder unterschätzen. Damit kann ich mich sehr gut anfreunden.

Frage: Bei acht, neun ambitionierten Mannschaften kann man aber auch schnell im Mittelmaß versinken, Stichwort zweistelliger Tabellenplatz.

Veh: Auf gar keinen Fall. Dafür arbeiten wir viel zu gut.

Frage: Geben Sie diesmal eine feste Zielvorgabe aus?

Veh: Ich bin kein Freund davon zu sagen, wie es in einem Jahr aussehen soll. Wenn der Verein das machen will, ist das o.k. Aber ich sage nicht, wir müssen Dritter oder Fünfter werden.

Frage: Aber Sie haben ein Gefühl?

Veh: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir stärker sind als in der letzten Saison. Ich fühle mich zusammen mit meiner Truppe sehr gut. So gut, wie vor zwei Jahren ungefähr...

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