"Ich habe die Kurve bekommen"

Von Thomas Gaber
Hitzfeld, Ottmar
© Getty

München - Es ist vorbei, ein für alle mal. Die Tränen sind getrocknet, doch Wehmut bleibt. Ottmar Hitzfeld hat seine Trainerlaufbahn beim FC Bayern zum zweiten Mal beendet - und wird nie mehr auf die Bayern-Bank zurückkehren. Einer der besten Vereinstrainer Deutschlands nimmt Abschied.

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Ein letztes Mal nahm sich Hitzfeld auch Zeit, um als Trainer des FC Bayern über den Abschied und seine große Trainer-Laufbahn zu sprechen. SPOX.com war dabei.

Frage: Ihre Zeit beim FC Bayern ist zu Ende. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Ottmar Hitzfeld: Ich habe ein halbes Jahr auf den 17. Mai hingearbeitet und die Rückrunde über gekämpft, meine Arbeit beim FC Bayern erfolgreich beenden zu können. Ich bin dankbar, dass mir das gelungen ist. Es war ein Geschenk Gottes, noch einmal mit vielen Stars zusammenzuarbeiten, auch wenn es nicht immer einfach war, hier zu arbeiten. Der FC Bayern ist ein explosives Gebilde, man kann sich keine zweiten Plätze leisten.

Frage: Welche positive Erinnerung nehmen Sie mit aus München?

Hitzfeld:  Das Freistoßtor von Patrick Andersson in Hamburg 2001 durch 20 Mann hindurch war das eindrucksvollste Erlebnis meiner Bayern-Zeit. Wir bekamen in der 89. Minute das 0:1 und waren kurz davor, die Deppen der Nation zu werden.

Frage: Haben Sie Ihre Entscheidung, den FC Bayern zu verlassen, irgendwann bereut?

Hitzfeld: Nein. Ich bin froh darüber, dass ich im Dezember die Kraft hatte, mich gegen ein weiteres Jahr bei Bayern zu entscheiden. Ich habe rechtzeitig die Kurve bekommen. Ich wollte ab 1. Juli 2008 mehr Lebensqualität haben und eine Mannschaft nicht mehr 50 Spiele im Jahr betreuen, sondern nur noch 15. Deswegen habe ich den Job als Schweizer Nationaltrainer angenommen.

Frage: Sollte Uli Hoeneß ein drittes Mal bei Ihnen anrufen, würden Sie noch mal Ja zum FC Bayern sagen?

Hitzfeld: Nein. Ich werde nie wieder Bundesligatrainer sein. Ich hoffe, dass man im Alter vernünftig wird.

Frage: Sind Sie überrascht, wie reibungslos die vielen neuen Stars integriert wurden?

Hitzfeld: Ich hatte am Anfang ein mulmiges Gefühl. Mit Franck Ribery, Luca Toni und Jose Ernesto Sosa kamen drei Spieler zu uns, die kein Wort deutsch sprachen. Das erste Trainingslager war sehr entscheidend. Toni und Ribery haben sich nicht auf ihre Zimmer zurückgezogen, sondern sind auf die anderen Spieler zugegangen. Da wusste ich, dass das menschlich zusammenpasst. Teure Spieler sind keine Garantie für Erfolg. Nach dem Titel im Ligapokal und den sehr guten Spielen zu Saisonbeginn war mir klar, dass hier etwas Großes zusammenwächst.

Frage: Welches Potential hat diese Mannschaft?

Hitzfeld: Wir haben den ersten Schritt gemacht. Diese Mannschaft hat enorm viel Potential, wird weitere Fortschritte machen und kann in der Champions League unter die letzten Vier kommen. Wir haben 2007 mit einer schlechteren Mannschaft Real Madrid ausgeschaltet und waren im Viertelfinale. Die aktuelle Bayern-Mannschaft ist stärker und gehört unbedingt in die Champions League. Den UEFA-Cup haben wir uns ein bisschen schön geredet.

Frage: Was zeichnet die Mannschaft aus?

Hitzfeld: Sie hat viele Stärken. Der Kader ist hoch qualifiziert. Wir haben den Rekord mit den wenigsten Gegentoren gebrochen und auch viele Tore geschossen. Die Zuschauer kamen in den Heimspielen sehr oft auf ihre Kosten. Ich hinterlasse keine Baustellen. Die Mannschaft muss nur noch konzentrierter werden. Wir haben im UEFA-Cup zu viele Gegentore kassiert, aber das war auch eine Frage der Motivation.

Frage: Welcher Spieler bleibt Ihnen aus Ihrer Bayern-Zeit am besten in Erinnerung?

Hitzfeld: Ich hatte viele herausragende Spieler. Einer war Bixente Lizarazu. Er war ein fantastischer Profi, in allen Belangen professionell. Er war der fleißigste und ehrgeizigste Spieler in meiner Zeit. Lizarazu hat nach jedem Training Zusatzschichten absolviert, das hätte ich mir von dem einen oder anderen Spieler auch gewünscht.

Frage: Warum haben Sie nie einen großen Verein im Ausland betreut?

Hitzfeld: Das kam für mich nie in Frage. Ich hatte 1997 ein sehr konkretes Angebot von Real Madrid. Bis ich aber die spanische Sprache einigermaßen gekonnt hätte, wäre ich wahrscheinlich schon entlassen gewesen.

Frage: Warum sind Sie 2004 nicht Bundestrainer geworden?

Hitzfeld: Das war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich war 2004 total ausgelaugt und hatte keine Freude mehr am Trainerjob. Selbst das Double 2003 hat bei mir keine große Freude mehr ausgelöst. Die Grenze war überschritten. Es war eine Erlösung für mich, 2004 beim FC Bayern aufzuhören.

Frage: Welche Ziele haben Sie mit der Schweizer Nationalmannschaft?

Hitzfeld: Es wäre ein großer Erfolg, sich für die WM 2010 zu qualifizieren. Jedes Qualifikationsspiel wird eine große Herausforderung für mich. Ich weiß noch nicht, was mich erwartet. Ich habe ein Konzept und hoffe, vieles davon umsetzen zu können. Anfang Juni werde ich mich in die Arbeit stürzen.

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