Das System Magath greift

Von Jochen Tittmar
Fußball, Bundesliga, Wolfsburg, Magath, Eichkorn
© Getty

München - Kurz vor Weihnachten 2002 äußerte sich Felix Magath, damals Trainer des VfB Stuttgart, über seine neue Doppelrolle als Trainer und Sportdirektor so: "Glücklich bin ich nicht. Das ist eine unangenehme und undankbare Aufgabe."

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Heute kaum zu glauben, dass das Magath gesagt haben soll. Seit einem halben Jahr hat der 54-Jährige als Chef-Trainer, Sportdirektor, Manager und Geschäftsführer in Personalunion beim VfL Wolfsburg die Fäden in der Hand und fühlt sich damit pudelwohl.

"In Wolfsburg kann etwas entstehen. Der Grund ist die Nähe zu Volkswagen als Partner. Auch die großen Vereine wie Juventus Turin haben einen großen Konzern im Rücken", äußerte sich Magath ungewohnt euphorisch bei seinem Amtsantritt.

An Weihnachten 2002 wusste Magath ja noch nicht, dass das Experiment in Stuttgart eine wahre Renaissance in der Daimler-Stadt einleiten würde.

Magaths Mut wurde belohnt

Durch seine vorherigen Trainerstationen als Feuerwehrmann gebranntmarkt, übernahm er im Februar 2001 einen finanziell angeschlagen Tabellen-Siebzehnten, um ihn vor Liga zwei zu retten. Als Manager Rolf Rüssmann im Winter 2002 nach internen Querelen seinen Hut nehmen musste und auf die Schnelle keine passende Lösung gefunden werden konnte, "erbarmte" sich Magath und übernahm erstmals den Job als Alleinherrscher.

Mit Erfolg: Seine "jungen Wilden" um Kevin Kuranyi, Andreas Hinkel oder Alexander Hleb wurden 2003 sensationell Vize-Meister und zogen in die Champions League ein. "Es war eben kaum Geld vorhanden, um Transfers zu tätigen, deshalb musste man diesen Weg gehen", erzählt Co-Trainer Seppo Eichkorn, schon zu Stuttgarter Zeiten an Magaths Seite, im Gespräch mit SPOX.com

"Auf Balakow und auch Soldo, die von Vorgänger Ralf Rangnick so ein bisschen in Frage gestellt worden waren, baute Felix als Korsettstangen. Er hat den Mut gehabt, drum herum eine Mannschaft mit jungen Spielern aufzubauen, die aus dem Verein kamen", so Eichkorn. Das "System Magath" war geboren.

Bester Rückrundenstart der Vereinsgeschichte

Das scheint nun auch in Wolfsburg zu greifen. Ein Plus: Dort sitzen die Millionen dank VW lockerer als beim damals klammen VfB.

"Ohne den Sponsor, der dahinter steht, wäre das hier in Wolfsburg nicht möglich", gibt Eichkorn zu. Die Spieler-Fluktuation in der Ära Magath war bislang immens: 20 Spieler gingen, 22 Neue kamen, Ausgaben in Höhe von 14 Millionen Euro stehen unter dem Strich.

Der Erfolg kann sich bisher dennoch sehen lassen. Die Wolfsburger haben gerade den besten Rückrundenstart der Vereinshistorie hingelegt, sind das beste Team 2008 und könnten am Mittwoch bei einem Sieg über den Hamburger SV ins Halbfinale des DFB-Pokals einziehen.

Keine schlechte Bilanz nach dieser kurzen Zeit.

Ein Leitwolf und hungrige Junge

In Wolfsburg setzte Magath, wie bei Balakow in Stuttgart, von Beginn an auf Marcelinho als Kapitän und Ziehvater der jungen Garde.

Neuverpflichtete Spieler wie Marcel Schäfer, Sascha Riether, Christian Gentner oder die neue Nummer eins, Diego Benaglio, sind fester Bestandteil der aufstrebenden Wölfe-Elf und haben großen Anteil am derzeitigen Höhenflug mit vier Siegen aus den letzten vier Spielen.

Die Gründe, weshalb Magath bei jungen Spielern wiederholt ein gutes Händchen beweist, liefert Eichkorn: "Junge Spieler, die noch nicht so viel erreicht haben, sind williger, den Weg mit einem Trainer zu gehen, der gute Erfahrungen damit gemacht hat und Erfolge vorzuweisen hat."

Außerdem zeige Magath, "dass er nicht mit kleinen Schritten zufrieden ist, sondern man dran bleiben muss, um besser zu werden. Das war auch schon in Stuttgart so und das verlangen wir auch hier in Wolfsburg. Das ist die Grundlage der ganzen Sache".

"Nicht jetzt schon von Europa träumen"

Doch auch erfahrene Spieler wie Angreifer Grafite oder Abwehrmann Ricardo Costa, deren Verpflichtungen durch die Millionen des VW-Konzerns gestemmt werden konnten, tragen zum Aufschwung bei. Der 28-jährige Stoßstürmer, für 7,5 Millionen Euro aus Le Mans losgeeist, ist aktuell der Mann der Stunde beim VfL und erzielte vier der letzten fünf Treffer.

Ob bereits in dieser Spielzeit der zweite vor dem ersten Schritt vollzogen und die UEFA-Cup-Ränge angegriffen werden können, ist für Magath zweitrangig: "Wir werden jetzt nicht von Europa träumen", so seine Ansage.

Auch Eichkorn stimmt mit ein: "Man muss sich bewusst sein, dass das Ganze jetzt nicht durch die Decke schießen wird. Wir müssen damit rechnen, dass durchaus der ein oder andere Rückschlag noch kommen kann. Das ist normal, das sind Entwicklungen, die einfach ein bisschen Zeit brauchen. Die Mannschaft des VfL Wolfsburg ist durchaus noch ein sensibles Gebilde."

Das übliche Gerede könnte man meinen, doch Eichkorn legt nach: "Wenn wir unsere Defensive weiter stabilisieren und unsere offensive Torgefährlichkeit weiter aufrecht erhalten, dann kann das schon ein anhaltender Trend zum Positiven sein." Klingt ein bisschen wie eine Kampfansage.

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