Schreckensszenario nimmt Formen an

Startet Red Bull den Ausstieg? Offenbar verweigert auch Ferrari die Motorenlieferung
© getty

Red Bull hat bei der Suche nach neuen Motoren offenbar einen weiteren Rückschlag erlitten. Ferrari weigerte sich laut Auto Motor und Sport am Rande des Großen Preis von Japan, dem ehemaligen Team von Sebastian Vettel für die Saison 2016 Antriebseinheiten der neuesten Entwicklungsstufe zu liefern. Für diesen Fall hatte Besitzer Dietrich Mateschitz schon mit dem Komplettrückzug aus der Formel 1 gedroht.

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"Was sollen wir ohne konkurrenzfähige Motoren tun? Wir können ja nicht mit Seifenkisten fahren", sagte der Milliardär seinem hauseigenen Magazin Speedweek zuletzt. Allein, er vermied eine Verkündung der künftigen Zusammenarbeit, sprach nur von "positiven Gesprächen" zwischen seinem Motorsportberater Helmut Marko und Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene.

Bei jedem Grand Prix trifft sich Marko derzeit mit den Verantwortlichen der Motorenhersteller. Das Dauerthema: Wer beliefert Red Bull und Toro Rosso, nachdem die Zusammenarbeit mit Renault nach der Saison 2016 endet?

"Noch vor kurzem war Mercedes für uns der bevorzugte Partner", gab Mateschitz öffentlich zu. Doch die Silberpfeile entschieden sich dazu, aus den Verhandlungen auszusteigen.

Wolff begründet Mercedes-Weigerung

"Wir haben uns nach eingehender Prüfung dafür entschieden, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen", begründete Motorsportchef-Toto Wolff in Suzuka: "Mercedes hat seine Rolle als reiner Motorenlieferant aufgegeben und vor fünf Jahren ein eigenes Team an den Start gebracht. Wir haben hart an dem Erfolg gearbeitet, den wir jetzt haben und wollen ihn nicht dadurch gefährden, einem Hauptkonkurrenten unseren Motor zu geben. Dafür haben wir nicht die ganzen Anstrengungen unternommen."

Fortan war ein Ferrari-Antrieb das Ziel von Red Bull. Das Team aus Milton Keynes bestand allerdings darauf, Powerunits zu erhalten, die denen des Werksteams gleichwertig sind. "Man kann heute mit GPS und anderen Parametern schnell feststellen, was man wirklich bekommen hat. Die Hardware wäre nicht das Problem. Die Frage ist, ob man die gleiche Software und den gleichen Benzin bekommt", erklärte Marko dem ORF.

Ferrari schien dazu bereit. Jedenfalls signalisierte das Fiat-Konzernchef Sergio Marchionne.

Blockieren Vettel, Arrivabene und Allison den Deal?

Doch diese Zusage heißt seine Scuderia offenbar nicht gut. Teamchef Arrivabene, Technikdirektor James Allison und Sebastian Vettel wollen den direkten Rivalen laut Auto Motor und Sport nicht aufrüsten.

Statt der neuen Powerunits der Saison 2016 will Ferrari offenbar das Modell 2015 mit kleineren Verbesserungen liefern. "Wir haben kein Angebot gemacht, aber es gibt ein Angebot", drückte sich Arrivabene mit einer verwirrenden Wortkonstruktion um eine Antwort auf die Frage nach dem Stand der Verhandlungen. "Die Position von Dietrich ist glasklar. Er will einen Firstclass-Motor haben", machte Red-Bull-Teamchef Christian Horner ein weiteres Mal Druck.

Das Problem: Laut Auto Motor und Sport überlegt sich die FIA, die Motorenentwicklung freier zu gestalten, damit Honda, Renault und Ferrari den Rückstand auf Mercedes aufholen können. 32 Token dürften eingesetzt werden, verbotene Teile gebe es nicht. Laut dem jetzt gültigen Reglement wären es sieben weniger und einige Komponenten wie der Brennraum dürften nicht verändert werden.

"Dieser Regel werden wir nicht zustimmen", so Horner. Schließlich wäre dann ein veralteter Motor genauso schlecht wie ein aktueller Renault. "Bei der Regelung wird ein 2016er Motor eine halbe Sekunde schneller sein als ein 2015er", schätzte Niki Lauda, der sich in Suzuka wieder zu Motoren-Gesprächen mit Mateschitz' verlängertem Arm traf.

Marko: Ausstiegsszenario immer konkreter

"Die Überlegungen auszusteigen werden immer konkreter", sagt Marko und wird deutlich: "Es ist eine Frechheit uns 2015er Motoren anzubieten, solange Sauber und Haas F1 2016er Triebwerke bekommen."

Während Sauber darauf pocht, zuerst dagewesen zu sein, siegt Lauda die Lage anders. Er schiebt Red Bull die Verantwortung für die missliche Lage zu. Weil sie die Zusammenarbeit mit Renault aufkündigten ohne einen neuen Lieferanten in der Hinterhand zu haben.

"Die Situation war für uns schon vor zwei Wochen kritisch. Für Toro Rosso noch mehr", spielt Horner auf die Entwicklungsarbeit der neuen Autos für das Jahr 2016 an: "Mit jedem Tag ohne Lösung wird es weniger wahrscheinlich, dass wir dabei sind. Jetzt soll die Saison auch noch zwei Wochen früher anfangen. Das verschärft die Probleme."

Verbannte Ecclestone die Silberpfeile aus dem TV?

Bernie Ecclestone scheint seine Konsequenzen gezogen zu haben. Mercedes war am Samstag und Sonntag kaum im TV-Bild zu sehen. Schon 2012 hatte der Chefpromoter angeblich dafür gesorgt, dass das damals in Ungnade gefallene Force-India-Team beim Bahrain-GP von den Mattscheiben verschwand.

"Ich war mir während des Rennens nicht sicher, wo wir eigentlich genau waren. Ich musste auf den Zeitenmonitor schauen, weil man die Autos nicht auf der Strecke sehen konnte", scherzte Wolff am Sonntag in Suzuka: "Wir überlegen die ganze Zeit, ob wir ihm auf die Zehen getreten sind."

Mercedes' Erklärung war einfach. "Natürlich sind spektakuläre TV-Bilder wichtig", so Wolff: "Und einige Einstellungen waren spektakulär. Es gab ein paar gute Kämpfe im Mittelfeld, und da war die Kamera drauf."

Nur verzichtete die Regie auch dann auf Bilder von Sebastian Vettel und Nico Rosberg, als der Ferrari-Pilot die Lücke nach dem zweiten Stopp auf weniger als eine Sekunde verringert hatte. Stattdessen im TV-Bild: Red Bull, Toro Rosso, McLaren-Honda. Vettel war in DRS-Reichweite. Er holte auf einen Mercedes auf, durfte den Flügel flachstellen.

Die Vermutung ist naheliegend, dass Ecclestone Ferrari und Mercedes unter Druck setzen will, doch eine Einigung mit Red Bull zu erzielen. Steigt der Konzern aus, verliert die Formel 1 vier Autos. Selbst mit Haas F1 stehen dann in der Saison 2016 nur 18 Wagen in der Startaufstellung. "Ich denke aber, dass noch nicht alle komplett verstanden haben, welche Auswirkung das wirklich hätte", sagte Marko zuletzt.

Das Schreckszenario von nur zehn Startern

18 Autos - zumindest, wenn alle anderen die Saison überstehen. Lotus steht auf der Kippe. Sauber und Force India brauchen ebenfalls keine Geldspeicher. Manor gibt zwar nur aus, was auf dem Konto ist, sucht aber schon wieder nach Investoren. Im schlimmsten Fall wären blieben also noch zehn Autos.

Die einzige Alternative: Der seit Jahren in Ecclestones Schublade liegende Drei-Auto-Plan. "Es gibt derzeit viele gute junge Fahrer auf dem Markt. Man könnte sie in konkurrenzfähigen Autos platzieren und würde bestimmt ein starkes Feld von 24 Autos zusammenkriegen", sieht Wolff positive Aspekte: "Priorität muss aber sein, Red Bull im Feld zu halten. Es ist eine hippe Marke, die in der Lage ist Top-Autos zu bauen."

Nur ohne Motor funktioniert das nicht - zumindest nicht in der Königsklasse. "Sollten wir die Formel 1 verlassen, würden unsere Mitarbeiter keinesfalls arbeitslos, sondern von uns mit anderen Aufgaben weiterbeschäftigt", kündigte Mateschitz vorsichtshalber schon mal an.

VW-Plan endgültig gescheitert?

Die Option Ferrari sollte in Milton Keynes überhaupt nur ein Übergang werden. "Das wäre für die nächsten zwei, drei Jahre eine sehr akzeptable Lösung", hatte Mateschitz über Ferrari gesagt. Der eindeutige Plan: Danach sollte ein Werksmotor her.

Nur fällt Lieblingskandidat Audi durch den VW-Diesel-Skandal um manipulierte Abgaswerte aus. "Es scheint, als ob das diesen Deal in Rauch aufgehen ließ", gab Horner zu. Der zurückgetretene Konzernchef Martin Winterkorn war der größte Befürworter des Einstiegs. Nun regiert Porsche-Chef Matthias Müller in Personalunion.

Seine Meinung zur Formel 1? Porsche habe sich drei Jahre reiflich überlegt, in die Langstrecken-Klasse LMP1 zu gehen. "Wir glauben, dass die LMP1 Zukunft hat", sagte Müller. Während die Formel 1 "mehr und mehr in Schwierigkeiten" gerate. Ob er sich schon bestätigt sieht?

Oder ist das Gegenteil der Fall? In der Formel 1 könnte Volkswagen immerhin beweisen, dass sie Turbomotoren bauen, die sich einem verbrauchsarmen Reglement fügen ohne Maximalvorgaben zu umgehen.

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