Scherbenhaufen, Batman & die drei ???

Von Adrian Franke
20. März 201511:07
Patrick Willis hat seine Karriere beendet und wird den 49ers fehlengetty
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Die San Francisco 49ers sind der Verlierer der bisherigen Free Agency, doch damit einhergehend werfen Teile der Niners-Probleme auch Fragen für die Liga auf. Die New York Jets, die Buffalo Bills und die Indianapolis Colts sind auf dem aufsteigenden Ast. Außerdem: Was genau planen die Denver Broncos, die Philadelphia Eagles und die New Orleans Saints?

Gewinner:

1. New York Jets

Namhafte Neuzugänge: CB Darrelle Revis, CB Antonio Cromartie, WR Brandon Marshall, CB Buster Skrine

Die Jets haben allem Anschein nach aus ihrer Vorsaison gelernt und sich die Secondary geholt, die Rex Ryan so gerne gehabt hätte. Anstatt wie im Vorjahr in der Free Agency zu sparen, wurden die offensichtlichen Baustellen aggressiv angegangen: Aus New England holten die Jets Darrelle Revis zurück (fünf Jahre, 70 Millionen Dollar, 39 Millionen garantiert), aus Arizona kam mit Antonio Cromartie (vier Jahre, 32 Millionen Dollar, 20 Millionen garantiert) der "Robin" zu "Batman" Revis (Zitat Revis) zurück.

Doch damit nicht genug: Mit Buster Skrine haben die Jets auch einen guten Slot-Cornerback geholt, und aus San Diego kam Safety Marcus Gilchrist. Die Secondary wurde damit innerhalb von wenigen Tagen von einer absoluten Schwäche zur Stärke umgewandelt, in der ohnehin dominanten Front Seven wurde außerdem Linebacker David Harris, den Ryan angeblich nach Buffalo holen wollte, verlängert.

Guard James Carpenter, der aus Seattle kam, sowie der günstig aus Chicago verpflichtete Brandon Marshall verstärken außerdem die Offense, während die teuren Percy Harvin und Chris Johnson ziehen gelassen wurden. Man kann ohne Zweifel argumentieren, dass die Jets zu viel Geld für Revis und Cromartie ausgegeben haben. Aber das Team hatte den Cap Space und der CB-Markt war insgesamt schlicht überteuert. Gang Green musste hier aktiv werden und hat das Beste aus seinen Möglichkeiten gemacht.

2. Indianapolis Colts

Namhafte Neuzugänge: RB Frank Gore, WR Andre Johnson, OLB Trent Cole, DT Kendall Langford

Die Indianapolis Colts wollen den nächsten Schritt machen: Nach der Divisional-Playoff-Round 2013 und dem AFC-Championship-Game im Vorjahr soll jetzt der große Wurf her - und die Colts ließen auf dem Free-Agency-Markt die Muskeln spielen. Um die Defense zu stärken wurden mit Kendall Langford und Trent Cole solide Spieler geholt, die sofort weiterhelfen und Problemstellen wie Pass-Rush und Run-Defense angehen.

Die Offense dürfte dagegen richtig spannend werden: Neben Andrew Luck und T.Y. Hilton werden Frank Gore und Andre Johnson auf dem Platz stehen. Gore ist ein enormes Upgrade zu Trent Richardson und Dan Herron, zumal Ahmad Bradshaw nach seiner Verletzung aktuell noch auf dem FA-Markt ist.

Johnson ist seinerseits ein deutliches Upgrade gegenüber Reggie Wayne, der schon in der Vorsaison klar auf dem absteigenden Ast war und keinen neuen Vertrag erhielt. Die Colts haben sich, bevor die Mega-Verträge für Luck und Hilton anstehen, einige erfahrene Spieler geholt, die kurzfristig und sofort helfen werden. Indianapolis ist damit definitiv wieder ein AFC-Contender und hat Boden auf die Patriots gutgemacht.

3. Miami Dolphins

Namhafte Neuzugänge: DT Ndamukong Suh, TE Jordan Cameron, WR Kenny Stills SPOX

First things first: Die Dolphins schnappten sich den dicksten Fisch der Free Agency. Ndamukong Suh wird neben Cameron Wake und Oliver Vernon eine packende Front bilden und mit Suh sollten die Probleme der Run-Defense in der zweiten Hälfte der Vorsaison der Vergangenheit angehören. Zugegeben: Suh, der nach Miami die so dringend benötigte Aggressivität mitbringt, kommt zu einem stattlichen Gehalt: Sechs Jahre, 114,2 Millionen Dollar, 60 Millionen garantiert - ein Quarterback-Deal.

Doch dabei darf man nicht vergessen, dass der Salary Cap erneut deutlich angestiegen ist und dass ein Spieler wie Suh für gewöhnlich nicht auf den Markt kommt. Nur weil die Lions ihren Cap mit Suh komplett vermasselt hatten, war der dominante 28-Jährige überhaupt zu haben. Effektiv ist der Signing Bonus (25,5 Millionen) und das Gehalt über die ersten drei Jahre garantiert. Defensive Tackle war die große Baustelle der Dolphins und Miami hat, ähnlich wie die Jets, seine große Schwäche in eine Stärke verwandelt.

Suh alleine reicht aber nicht für eine gute Note. Jordan Cameron ist ein TE-Upgrade, auch falls Charles Clay noch zu den Bills geht, und wird Ryan Tannehill besser machen. Zudem wurden die Phins den überbezahlten Mike Wallace los, der sich, indem er sich im finalen Saisonspiel selbst auswechselte, ins Abseits gestellt hatte und erhielten einen Fünftrunden-Pick aus Minnesota. Mit Kenny Stills erhielt man aus New Orleans eine Speedster-Alternative, der zwar im Gegenzug einen Drittrunden-Pick kostete. Gleichzeitig wurden die Phins aber den ebenfalls überbezahlten LB Dannell Ellerbe mit dem Stills-Trade los. Alles in allem eine gute Free Agency.

4. Buffalo Bills

Namhafte Neuzugänge: RB LeSean McCoy, WR Percy Harvin, FB Jerome Felton, QB Matt Cassel, HC Rex Ryan

Wer der langfristige Sieger des McCoy-Alonso-Trades zwischen Buffalo und Philadelphia sein wird, bleibt abzuwarten. Kurzfristig erhalten aber die Bills wohl mehr Value. Alonso ist ein talentierter Linebacker, der aber nach seinem Kreuzbandriss erst wieder voll zurückkommen muss. McCoy dagegen wird, gemeinsam mit Fred Jackson, ein spannendes Duo darstellen, das unter dem neuen Head Coach Rex Ryan zweifellos für Furore sorgen sollte.

Weitere Hilfe erhielt das Running Game durch eine Verpflichtung, die etwas unter dem Radar blieb: Fullback Jerome Felton, der zwei Jahre lang für Adrian Peterson in Minnesota den Weg frei gemacht hat, wechselte nach Buffalo und wird dem Power-Running-Game definitiv weiterhelfen. Darüber hinaus brachte Ryan Receiver Percy Harvin günstig und mit wenig Risiko aus New York mit. Harvin könnte, wenn gegnerische Teams einen achten Mann in die Box schicken müssen, mit seiner Geschwindigkeit glänzen. Miamis Charles Clay könnte noch als Nachfolger für Scott Chandler (ging zu den Pats) folgen, das Angebot liegt auf dem Tisch.

Defensiv war die wichtigste Verpflichtung die eines eigenen Mannes. Free-Agent-DE Jerry Hughes einigte sich mit den Bills auf einen langfristigen Vertrag und die dominanteste D-Line der Vorsaison bleibt so zusammen. Das große Fragezeichen bleibt die QB-Position, wo der aus Minnesota geholte Matt Cassel ebenfalls nur eine Übergangslösung sein kann. Davon abgesehen aber haben sich die Bills in eine gute Ausgangslage gebracht.

5. Arizona Cardinals

Namhafte Neuzugänge: G Mike Iupati, DT Corey Peters, LB Sean Weatherspoon, C A.Q. Shipley, DE Cory Redding

Verglichen mit den anderen Namen auf dieser Liste hatten die Cardinals bislang eine eher ruhige Free Agency. Doch bei genauerem Hinschauen hatte sie Potential. Mit Mike Iupati (fünf Jahre, 40 Millionen Dollar, 22,5 Millionen garantiert) kam einer der besten Run-blocking Guards der Liga vom Division-Rivalen San Francisco. Das Running Game erhielt mit Center A.Q. Shipley, den Coach Bruce Arians aus Indianapolis kennt, weitere Verstärkung.

Auch defensiv wurden die dringendsten Baustellen geschlossen. Alameda Ta'amu wurde zurückgeholt und wird den Abgang von Dan Williams zu den Raiders gemeinsam mit Neuzugang Corey Peters abfangen. Cory Redding soll für weniger Geld - gemeinsam mit Ed Stinson und Frostee Rucker - den zu den 49ers gewechselten Darnell Dockett ersetzen. Sean Weatherspoon ist ein großes Upgrade für das LB-Corps. Der Ex-Falcon erhielt einen Einjahresvertrag und gibt Arizonas Linebackern, auch falls Daryl Washington gesperrt bleibt, benötigten Speed.

Allerdings waren es nicht nur die Neuverpflichtungen, die die Cardinals weiterbringen. Larry Fitzgerald stimmte einer Gehaltskürzung und Umstrukturierung zu, auch der Vertrag von QB Carson Palmer wurde umstrukturiert. So haben die Cards weiterhin Cap-Space zur Verfügung - und sollen das einzige Team sein, das noch ernsthaftes Interesse an Vikings-Running-Back Adrian Peterson hat, sollte der 29-Jährige auf den Markt kommen.

Knapp dahinter: Washington Redskins, Houston Texans

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Seite 3: Die drei ???

Verlierer:

1. San Francisco 49ers

Namhafte Abgänge: LB Patrick Willis, LB Chris Borland, G Mike Iupati, RB Frank Gore, CB Chris Culliver, HC Jim Harbaugh, DC Vic Fangio, LB Dan Skuta

Es war bislang eine desolate Offseason für die Niners. Neben dem Abgang von Head Coach Jim Harbaugh, der durch den unerfahrenen Jim Tomsula ersetzt wurde, verlor das Team weitere Leader. LB Patrick Willis erklärte überraschend sein Karriereende und sein designierter Nachfolger Chris Borland zog wenig später nach. Justin Smith könnte noch folgen. Guard Mike Iupati ging nach Arizona, Running Back Frank Gore zu den Colts. Receiver Stevie Johnson, der ein gutes Verhältnis mit QB Colin Kaepernick gehabt haben soll, durfte ebenfalls gehen und Defensive Coordinator Vic Fangio, der den HC-Posten wollte, verabschiedete sich nach Chicago.

49ers-Schock: Borland tritt zurück

Damit aber längst nicht genug: Auch WR Michael Crabtree wird wohl zeitnah ein neues Team finden und das Starting-CB-Duo Perrish Cox (zu den Titans) und Chris Culliver (nach Washington) ist ebenfalls weg. Zu allem Überfluss handelte sich auch Fullback Bruce Miller Ärger ein, Anfang März soll er in einem Streit seine Verlobte zu Boden geschubst und ihr Handy zerstört haben. Nach seiner Festnahme kam er auf Kaution wieder auf freien Fuß, die Untersuchungen der Liga laufen bereits. DT Ray McDonald wurde schon vor Saisonende wegen seiner Probleme abseits des Platzes entlassen.

Die Verpflichtungen von Reggie Bush und Torrey Smith werden der Offense zwar helfen, aber die Niners scheinen Stand jetzt das schwächste Team in der harten NFC West zu sein. Umso mehr, da NaVorro Bowman nach seiner schweren Verletzung erst wieder auf 100 Prozent kommen muss und die Leader innerhalb des Teams nicht einfach so zu ersetzen sein werden. Mit Carlos Hyde steht der Gore-Nachfolger zwar bereit, doch Hyde muss erst einmal beweisen, dass er Gores Produktivität ausgleichen kann - und das ohne Iupati und womöglich vorerst ohne Miller.

2. New England Patriots

Namhafte Abgänge: CB Darrell Revis, CB Brandon Browner, RB Shane Vereen, DT Vince Wilfork

Dass die Patriots ihr komplettes Super-Bowl-Team nicht zusammenhalten können würden war klar, und der neue Deal für Free Safety Devin McCourty war ein wichtiger Schritt - eine Position, die in der heutigen NFL immer wichtiger wird und die von nur wenigen Spielern auf McCourtys Level gespielt wird. Doch ansonsten wird Bill Belichick wohl große Teile seines Defensiv-Schemes ändern müssen. Mit Revis und Browner fehlt das dominante CB-Duo, das die Defense im Vorjahr entscheidend prägte.

Die Verpflichtung von Outside Linebacker Jabaal Sheard, der bislang prominenteste FA-Neuzugang, zeigt bereits, in welche Richtung Belichick denkt. Während andere Teams für Cornerbacks überbezahlen, will Belichick offenbar den Pass-Rush wieder stärken, um so Druck von der Secondary zu nehmen. Mit Wilfork hat die Defense aber darüber hinaus ihren Nose Tackle und das Team einen absoluten Leader verloren.

Offensiv tut der Abgang von Shane Vereen weh. Der Running verzeichnete in der Vorsaison zusammen genommen 838 Yards und war vor allem im Passing Game eine echte Waffe. Die Pats verpflichteten Ex-Saints-RB Travaris Cadet für die Vereen-Rolle, der aber über die letzten drei Jahre ganze elf (!) Carries zusammen brachte. Stand jetzt bleiben viele Fragezeichen mit Blick auf New Englands Roster, offensiv aber vor allem defensiv.

3. Cleveland Browns

Namhafte Abgänge: TE Jordan Cameron, OLB Jabaal Sheard, CB Buster Skrine, QB Brian Hoyer, OC Kyle Shanahan

Die Offense der Cleveland Browns ist ein komplettes Chaos. Starting-QB Brian Hoyer wurde ziehen gelassen, stattdessen holten die Browns den in Tampa Bay enttäuschenden Josh McCown überraschenderweise für drei Jahre und insgesamt bis zu 14 Millionen Dollar. Der 35-Jährige soll unter anderem als Mentor für Johnny Manziel dienen - der wiederrum seine Offseason bislang in einer Entzugsklinik verbracht hat und medial immer wieder als möglicher Trade-Kandidat gehandelt wird.

Vor allem aber ist das Gehirn der Offense weg. Offensive Coordinator Kyle Shanahan suchte nach nur einem Jahr das Weite und ging zu den Falcons, der Texting-Skandal soll Shanahan den Rest gegeben haben. Browns-Geschäftsführer Ray Farmer gab zu, während Spielen Textnachrichten an die Coaches geschickt zu haben - ein Regelverstoß. "Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Ich übernehme die volle Verantwortung für meine Taten." Eine Sperre oder sogar der Verlust eines Draft-Picks droht.

Um das Offense-Debakel perfekt zu machen - neben der erneuten Sperre gegen WR Josh Gordon, der mindestens für ein Jahr suspendiert wurde verloren die Browns auch einen ihrer wenigen verbleibenden Stars: TE Jordan Cameron, der mit Gehirnerschütterungen zu kämpfen hatte, ging nach Miami - obwohl er eigentlich schon mit Cleveland einig gewesen sein soll. Die Defense verlor mit Sheard und Skrine zwar solide Spieler, die Neuzugänge Randy Starks (Miami) und Tramon Williams (Green Bay) dürften umgekehrt aber direkt weiterhelfen.

4. Dallas Cowboys

Namhafte Abgänge: RB DeMarco Murray, RT Jermey Parnell, WR/PR Dwayne Harris, LB Bruce Carter, LB Justin Durant

Ja, der Draft ist noch ein gutes Stück weg und ja, die Cowboys hatten nicht sonderlich viel Cap-Spielraum. Doch die Verluste tun weh: Mit Murray verlieren die Boys den Vorjahres-Top-Rusher, der das besser dotierte Angebot ausgerechnet beim Division-Rivalen Philadelphia annahm. Der verletzungsanfällige Darren McFadden kam als erster Ersatz, wird aber voraussichtlich im Draft einen ernsthaften Konkurrenten bekommen. Murray nicht zu viel Geld zu geben ist prinzipiell richtig, dennoch steht sein legitimer Nachfolger noch nicht im Kader.

Parnell war ein solider Backup, der in der O-Line für Entlastung sorgen konnte und in Jacksonville jetzt als Starter bezahlt und eingesetzt werden wird. Auch in der Defense haben sich neue Baustellen aufgetan, neben Carter und Durant wurde auch D-Line-Man Henry Melton abgegeben. Zu allem Überfluss erhielt auch Return-Man Dwayne Harris von einem Divison-Rivalen, den Giants, ein hohes Angebot und wechselte innerhalb der NFC East.

Daneben könnte Special-Team-Ass C.J. Spillman (teamintern die zweitmeisten Special-Team-Tackles mit 14 in der Vorsaison) ebenfalls gehen - der Safety ist Free Agent und soll bei mehreren Teams auf dem Zettel stehen. Der extrem konservative Ansatz verwundert und wirft medial bereits Fragen auf, wie viel Sagen Jerry Jones eigentlich tatsächlich noch hat. An den Adrian-Peterson-Gerüchten soll ebenfalls nichts dran sein, stattdessen aber haben die Boys angeblich ein Auge auf Greg Hardy geworfen.

5. Die NFL

Die Rücktritte von Chris Borland, Jason Worilds, Patrick Willis und Jake Locker überraschten, vor allem die ersten beiden, die den Großteil ihrer Karriere noch vor sich hatten, erschütterten die NFL und die Verantwortlichen werden sich Fragen stellen müssen. "Ich will einfach das tun, was für meine Gesundheit das Beste ist. Gemessen an dem, was ich recherchiert und erfahren habe, denke ich nicht, dass es das Risiko wert ist", erklärte Borland in einem Statement und bezog sich dabei vor allem auf die Gefahr durch Gehirnerschütterungen.

Weiter führte er aus: "Ich dachte mir selbst: Was mache ich da? Will ich so mein Erwachsenenleben verbringen, vor allem, wenn ich die Gefahren kenne?" Es sollte ein Weckruf für die Liga sein, um sich noch stärker um die Gehirnerschütterungen und die Risiken zu kümmern. Mahnende Beispiel gab es auch zuvor schon genug: Ex-Bears Safety Dave Duerson und Hall of Famer Junior Seau brachten sich selbst um, bei beiden wurde eine Chronisch Traumatische Enzephalopathie festgestellt - eine Gehirnerkrankung, die durch Kopf-Traumata verursacht wird.

Wenn jetzt also Spieler wie Borland oder Worilds, der andere Prioritäten vor dem Football sieht, langfristig auf viele Millionen verzichten oder Ex-Coach Mike Ditka sagt, er wolle nicht, dass sein Sohn Football spielt, regt das zum Nachdenken an. Die Liga muss jetzt nicht sofort um ihre Vormachtstellung fürchten, doch klar ist auch: Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Geld und der NFL-Ruhm alleine die Gefahren des Spiels nicht für jeden aufwiegen.

Die Liga braucht jetzt eine klare Richtung, was gesundheitliche und moralische Fragen angeht. Das könnte einfache Schritte beinhalten: Ein klares Nein zur immer wieder diskutierten Erweiterung des Spielplans, längere, strengere und intensivere Tests bei vermeintlichen Gehirnerschütterungen oder auch die Abschaffung des Thursday-Night-Games - Dinge, die die Belastung und das Risiko runter schrauben. Das würde zwar Geld kosten, langfristig aber dem Spiel einen Gefallen tun.

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Die drei Fragezeichen:

1. Denver Broncos

Namhafte Abgänge: TE Julius Thomas, G Orlando Franklin, NT Terrance Knighton, S Rahim Moore

Was genau die Broncos vorhaben, erscheint schleierhaft. Obwohl Peyton Manning der Reduzierung seines Basis-Gehalts um vier Millionen Dollar zustimmte, verloren die Broncos im Prinzip jeden wichtigen Free Agent. Dass Julius Thomas, mit dem es schon seit August keine Gespräche mehr gab, nicht plötzlich bleiben würde, überrascht dabei nicht wirklich - Jacksonville zahlt dem Tight End deutlich mehr, als Denver (zurecht) bereit gewesen wäre.

Dass aber Terrance Knighton, der für ein Jahr und vier Millionen Dollar in Washington unterschrieb, scheinbar ohne größeren Kampf von Seiten der Broncos ziehen gelassen wurde, sorgt dann doch für Fragezeichen. Und dass mit Franklin ein wichtiger Bestandteil der O-Line ausgerechnet zum Division-Rivalen San Diego geht, tut zweifellos weh.

Die Verpflichtung von Head Coach Gary Kubiak, der Tight End Owen Daniels aus Baltimore mitbrachte, lässt darauf schließen, dass die Broncos deutlich mehr Fokus auf das Running Game legen werden. Doch Daniels ist auch schon der prominenteste bisherige FA-Neuzugang und die Broncos gehen in jedem Fall mit dringenden Needs in O-Line und D-Line in den Draft.

2. Philadelphia Eagles

Namhafte Abgänge: OLB Trent Cole, WR Jeremy Maclin, RB LeSean McCoy, CB Cary Williams

Es fing alles noch halbwegs nachvollziehbar, wenn auch spektakulär, an: Die Eagles gaben LeSean McCoy ab, weil Coach Chip Kelly weniger Geld in die offensiven Skill-Positions stecken wollte und McCoy angeblich nicht zu seinem System passte. Im Gegenzug kam aus Buffalo der talentierte LB Kiko Alonso, der aber gerade von einem Kreuzbandriss zurückkam. Der QB-Tausch, Nick Foles ging nach St. Louis, Sam Bradford kam nach Philly, sorgte dann schon für Fragezeichen - die Eagles hatten einen hohen Pick für einen sehr verletzungsanfälligen und bislang in seiner NFL-Karriere ineffizienten Quarterback aufgegeben.

Die Entlassungen von Trent Cole und Guard Todd Herremans sind im Zuge der Verjüngungskur noch verständlich - doch dass mit Jeremy Maclin - nach DeSean Jackson im Vorjahr - wieder der Nummer-1-Receiver ziehen gelassen wurde, überraschte. Und dann warf Kelly sein eigenes Motto über den Haufen: Mit Ryan Mathews und DeMarco Murray schnappten sich die Eagles zwei gute, aber auch teure Running Backs - und bezahlen jetzt mehr für die Position als zuvor mit McCoy. Beide haben zudem eine gewisse Verletzungshistorie.

Mit Seattles Byron Maxwell holte Kelly zwar einen der Top-FA-Cornerbacks, bezahlt dem 27-Jährigen aber über sechs Jahre auch 63 Millionen Dollar (25,5 Mio. garantiert). Ziemlich viel für einen bisherigen Nummer-2-CB, der sein bestes Spiel in der Vorsaison gegen die Eagles hatte. Kelly will offenbar das Running Game forcieren und mit Bradford mehr Genauigkeit im Vergleich zu Foles. Doch das große Bild kann man wohl erst nach dem Draft erahnen, zumal Kelly, als wäre die bisherige FA nicht genug, auch noch Tim Tebow zu einem Workout einlud.

Derzeit erinnert Kelly etwas an Jimmy Johnson, der die Cowboys Anfang der 90er umkrempelte, sich mit seinem Wunsch nach mehr Kontrolle aber ins Abseits stellte. "Du darfst keine Angst davor haben, Dinge zu versuchen. Chip hat keine Angst. Das ist schon eine Umstellung", erklärte Johnson jüngst selbst, fügte aber hinzu: "Es gibt einen großen Unterschied: Wir waren damals das schlechteste Team der Liga und die Leute waren bereit für große Veränderungen." Wie bereit die ungeduldigen Eagles-Fans sind, wird sich wohl bald zeigen.

3. New Orleans Saints

Namhafte Abgänge: TE Jimmy Graham, G Ben Grubbs, LB Curtis Lofton, WR Kenny Stills

Die Saints sorgten für den Mega-Schocker der frühen Free Agency, als sie Jimmy Graham und einen Viertrunden-Pick gegen Seattles Erstrunden-Pick sowie Center Max Unger tauschten. Die große Frage im Big Easy: Sind die Saints im totalen Umbruch oder vollzieht Head Coach Sean Payton lediglich einen Umschwung im Stil, hin zu einem stärkeren Fokus auf das Running Game? Immerhin wurden mit Graham und Kenny Stills die beiden Top-Targets aus der Vorsaison (Graham: 85 Receptions, Stills: 63 Receptions) gehen gelassen.

Im Gegenzug erhielt Mark Ingram trotz Cap-Problemen einen langfristigen Vertrag und mit C.J. Spiller (vier Jahre, 18 Millionen Dollar, neun Mio. garantiert) kam ein weiterer Running Back, obwohl die Saints vor zwei Jahren noch Darren Sproles ziehen ließen. Auch das große Interesse Paytons an Unger, was dem Vernehmen nach den Graham-Trade überhaupt erst einleitete, unterstützt die Running-Theorie. Mit den Cap-Problemen kann man dagegen nur bedingt argumentieren: Graham hinterlässt trotz Wechsel neun Millionen Dollar an Dead Money und der Stills-Trade, im Gegenzug kam Dannell Ellerbe aus Miami, sorgt sogar für zusätzliche Kosten.

Die Verpflichtungen von Spiller und auch von Cornerback Brandon Browner (drei Jahre, 15 Millionen Dollar, 7,5 Mio. garantiert) sprechen gegen den totalen Umbruch. Vielmehr sollen gerade Stills und Guard Ben Grubbs nicht gerade die Favoriten von Quarterback Drew Brees gewesen sein, der dem Graham-Trade aber wohl kaum seine Zustimmung gegeben hat. Was genau die Saints vorhaben wird man wohl erst in den ersten Regular-Season-Spielen sehen. Im Draft dürfte der Fokus auf der Defense liegen, das ließen die Bosse bereits durchblicken. Wie Payton das Spiel umstellt bleibt aber abzuwarten.

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