Die deutsche Olympiamannschaft hatte eine Zielvorgabe von 86 Medaillen für die Spiele in London, darunter 28 goldenen.
Das geht aus den Zahlen hervor, die zwischen den Fachverbänden und dem Deutschen Olympischen Sportbund vereinbart worden waren und vom Bundesinnenministerium (BMI) am Freitag veröffentlicht wurden.
Vor den Spielen hatte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper davon gesprochen, das Ergebnis von Peking wiederholen zu wollen. Mit 16 Gold-, 10 Silber- und 15 Bronzemedaillen war die deutsche Mannschaft vor vier Jahren auf Platz fünf der Nationenwertung gelandet.
Vesper: "Gemeinsame Einschätzungen"
Zu den veröffentlichen Zielvereinbarungen sagt Vesper: "Es handelt sich hierbei um Ziele, auf die sich jeder einzelne Sportfachverband mit dem DOSB zu Beginn des olympischen Zyklus vor vier Jahren verständigt hat. Dies sind ausdrücklich keine einseitigen Vorgaben, sondern gemeinsame Einschätzungen der Chancen für London auf Grund der damals zu erwartenden Leistungsentwicklung in den Verbänden. Dies als konkrete Medaillenplanwirtschaft zu interpretieren, wäre naiv und ginge an der Sachlage vorbei."
Und weiter: "Jeder, der sich im Sport auskennt, weiß, dass sich erfahrungsgemäß nur ein Teil der Jahre zuvor identifizieren Medaillenchancen realisieren lässt. Das System der Zielvereinbarungen hat das alte System von Belohnung und Bestrafung abgelöst und ermöglicht es den Verbänden, den vierjährigen Vorbereitungsprozess auf die Olympischen Spiele gemeinsam mit dem DOSB zielgerichtet anzugehen und in Potentiale zu investieren."
Reaktionen zu den Zielvorgaben für die Olympia-Mannschaft
DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach: "Kurz vor Abschluss der Olympischen Sommerspiele 2012 sehen wir keine Notwendigkeit mehr, die zwischen den Sportfachverbänden und dem DOSB vereinbarten Medaillenziele vertraulich zu behandeln. Wir hätten sie im Rahmen der von uns seit langem angekündigten umfassenden Analyse der Ergebnisse von London ohnehin öffentlich gemacht. Ich bin Herrn Minister Dr. Friedrich sehr dankbar, dass er sich für die berechtigten Interessen des Sports auch vor Gericht eingesetzt hat, so dass eine vorzeitige Veröffentlichung die Vorbereitung der Athleten und Sportfachverbände nicht beeinträchtigen konnte. Im Übrigen ist dem Bundesinnenminister voll und ganz zuzustimmen, dass es keinen Automatismus zwischen Medaillen und der Zuwendung von öffentlichen Fördermitteln gibt."
Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich: "Es ist meine Aufgabe, mich für die schutzwürdigen Belange des Sports einzusetzen. Dazu gehörte, im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsverfahrens die erbetenen Auskünfte nicht zu erteilen. Ich sehe das Verwaltungsstreitverfahren nach der Erklärung des Deutschen Olympischen Sportbunds - trotz eines noch offenen Verfahrensausgangs - als erledigt an. Nach dem Ausgang der Olympischen Spiele werden wir gemeinsam mit dem Sport nach einer sorgfältigen sportfachlichen Analyse die notwendigen Schlüsse für die zukünftige Sportförderung ziehen."
Martin Gerster (SPD), Mitglied des Sportausschusses: "Warum nicht gleich so? Die Veröffentlichung hätte bereits in der vergangenen Woche sofort nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts in Berlin erfolgen müssen. Mir scheint die Entscheidung des Innenministeriums und des DOSB jetzt nicht aus voller Überzeugung zu kommen. Der Druck ist wohl zu groß geworden. Ich freue mich natürlich, aber der Zeitpunkt ist mir unverständlich. Es bringt doch etwas, wenn die Opposition sich einer Sache annimmt."
Schwimmen/Leistungssportdirektor Lutz Buschkow: "Diese Zielvorgaben wurden ja schon relativ zügig nach Peking mit dem DOSB verhandelt. Da war die Hoffnung nicht unrealistisch. Man kann über einen so langen Zeitraum das nicht immer genau taxieren. Wenn es dann Probleme gibt, liegt man schnell hinter den Zielvereinbarungen zurück."
Leichtathletik/Sportdirektor Thomas Kurschilgen: "Wir wollen unter die besten sechs Nationen. Das ist unser Anspruch und das schaffen wir. Und wir wollen unter die besten Nationen Europas."
Cheftrainer Idriss Gonschinska: "Man kann nicht nur nach Medaillen abrechnen. Man muss den Leistungskorridor sehen und definieren, in welchem Korridor sich die Athleten bewegen."
Turn-Sportdirektor Wolfgang Willam: "Wir haben die Vorgabe genau erfüllt. Ich rechne ein halbe Bronzemedaille im Pferdsprung der Frauen dazu, dann haben wir sie sogar übererfüllt." Er ging offensichtlich von 3 Medaillen als Vorgabe aus. Gefordert waren aber vier, darunter eine goldene Medaille. Und ist ein Fan der Geheimhaltung: "Wir wollten die Sportler nicht unnötig unter Druck setzen." Also haben sie es wohl nicht gewusst
Tischtennis/Sportdirektor Dirk Schimmelpfenning: "Von einer Vorgabe kann man nicht direkt reden. Wir haben uns mit dem DOSB an einen Tisch gesetzt und die Situation besprochen. Da wir in Peking schon eine Medaille im Teamwettbewerb gewonnen hatten, haben wir uns dort auch für London Hoffnungen gemacht. So ist dann letztlich die Zielvorgabe entstanden."
Kanu/Sportdirektor Jens Kahl: "Wir haben geschaut, was wir in den vergangenen fünf Jahren erreicht haben und daraufhin unsere Ziele abgesteckt. Es waren realistische Ziele, die Sportler wussten davon."
Rudern/Präsident Siegfried Kaidel: "Die Ziele müssen entsprechend hoch sein, damit der Anspruch klar wird. Alle haben begriffen, worum es geht, der Druck ist so oder so hoch. Wir sind mit einer kompletten Veränderung nach Peking gestartet, weil es dort nur einmal Silber und einmal Bronze gab."
Judo/Präsident Peter Frese: "Entscheidend ist, dass der Fachverband die Sachen realistisch einschätzt. Ganz wichtig, dass man nicht träumt. Wir haben unser Ziel erreicht, nur nicht in der Zahl der Goldmedaillen. Aber die ersten Tage bin ich fast gestorben, als es nicht geklappt hat. Sport globalisiert sich, da fallen die Medaillen bei uns weg. Die Zielvereinbarung ist richtig. Man muss sie aber auch erreichen können. Der DOSB war fair, hat uns nicht unter Druck gesetzt. Das Schlimmste wäre: Eine Sportart finanziell bestrafen."
Radsport/Vizepräsident Udo Sprenger: "Die Zielvereinbarung war schon recht hoch. Sie ist aber schon vor langer Zeit ausgearbeitet worden. Wir hatten schon gedacht, dass wir in den Straßenrennen noch eine Medaille holen. Insgesamt hatten wir mit unseren vierten Plätzen von Teutenberg, Vogel und Kluge ein wenig Pech, sonst hätten wir zumindest von der Anzahl her die Medaillen erreichen können. Im Vergleich zu anderen Verbänden, nimmt man mal den Schwimm-Verband als krasses Gegenbeispiel, stehen wir noch gut da. Wir haben uns im Vergleich zu Peking deutlich verbessert."
Soll-Ist-Vergleich (Stand Freitag, 17 Uhr):
BADMINTON
Zielvorgabe: 1 Medaille (0 Gold) - Ergebnis: 0 Medaillen
BASKETBALL
Keine Medaille - keine Mannschaft qualifiziert
BOXEN
2 Medaillen (0 Gold) - keine Medaille
FECHTEN
4 Medaillen (2 Gold) - 1 Silber, 1 Bronze
FUSSBALL
1 Medaille (0 Gold) - keine Mannschaft qualifiziert
GEWICHTHEBEN
1 Medaille (1 Gold) - keine Medaille
HANDBALL
2 Medaillen (1 Gold) - keine Mannschaft qualifiziert
HOCKEY
2 Medaillen (1 Gold) - 1 Gold oder Silber (Männer im Finale)
JUDO
4 Medaillen (2 Gold) - 2 Silber, 2 Bronze
KANU/RENNSPORT
7 Medaillen (3 Gold) - bisher 3 Gold, 1 Silber, 2 Bronze
KANUSLALOM
2 Medaillen (0 Gold) - 1 Silber, 1 Bronze
LEICHTATHLETIK
8 Medaillen (2 Gold) - bisher 1 Gold, 3 Silber, 1 Bronze
MODERNER FÜNFKAMPF
1 Medaille (0 Gold) - Wettbewerbe stehen noch aus
RADSPORT
8 Medaillen (3 Gold) - 1 Gold, 3 Silber, 1 Bronze
REITEN
5 Medaillen (2 Gold) - 2 Gold, 1 Silber, 1 Bronze
RINGEN
3 Medaillen (0 Gold) - noch offen
RUDERN
6 Medaillen (4 Gold) - 2 Gold, 1 Silber
SCHIESSEN
5 Medaillen (2 Gold) - keine Medaille
SCHWIMMEN
8 Medaillen (2 Gold) - 1 Silber
SEGELN
2 Medaillen (0 Gold) - keine Medaille
TAEKWONDO
2 Medaillen (0 Gold) - noch offen
TENNIS
Keine Zielvereinbarung - keine Medaille
TISCHTENNIS
1 Medaille (0 Gold) - 2 Bronze
TRIATHLON
1 Medaille (0 Gold) - keine Medaille
TURNEN
4 Medaillen (1 Gold) - 3 Silber
VOLLEYBALL
2 Medaillen (1 Gold) - 1 Gold
WASSERBALL
1 Medaille (0 Gold) - keine Mannschaft qualifiziert
WASSERSPRINGEN
3 Medaillen (1 Gold) - noch offen
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