Das Versprechen für die Zukunft

Stefan Rommel
09. November 201215:39
Schon fünf Tore in der laufenden Saison: Heung Min Son vom Hamburger SVGetty
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Im Schatten von Rafael van der Vaart hat sich Heung Min Son zum zweiten Hotspot beim Hamburger SV entwickelt. Die Leistungen des 20-Jährigen rufen schon längst die Top-Klubs der Premier League auf den Plan - dabei soll Son doch das Gesicht des neuen HSV werden.

SPOX

Es ist noch gar nicht so lange her, da traute sich Heung Min Son nicht alleine mit dem Bus raus zum Trainingsgelände des Hamburger Sport-Vereins zu fahren. Oder besser: Es wurde ihm von Klubseite verboten.

"Vor dem Internat fahren verschiedene Busse - nach Poppenbüttel, Garstedt und Norderstedt Mitte. Und ich habe keine Lust, die Jungs im Nirgendwo abholen zu müssen", sagte Oliver Spincke damals. Spincke wird beim HSV unter der offizielle Bezeichnung "Pädagogischer Leister Nachwuchsleistungszentrum" geführt und muss es wissen. Schließlich gehen die Talente alle irgendwann über seinen Schreibtisch.

Als Heung Min Son in Hamburg auftauchte, war er nicht allein. Zusammen mit seinen Landsleuten Kim Min Hyeok und Kim Jong Pil wurde Son im Rahmen einer Kooperation zwischen dem HSV und dem Koreanischen Fußball-Verband nach Deutschland geschickt, auf der Suche nach dem ganz großen Traum.

Erstes Spiel, erstes Tor

Das war vor gut vier Jahren. 50 Jugendliche wurden damals in Südkorea gesichtet, sechs von ihnen bekamen die Chance, sich in einem Verein in Deutschland ausbilden zu lassen. Neben den drei Hamburgern reisten damals auch drei junge Spieler nach Nürnberg.

Als Son nach Hamburg kam, hatte er keine Ahnung, wer oder was der HSV ist. Dass es eine Bundesligamannschaft aus Hamburg gebe, schon, mehr aber auch nicht. So wie er werden jedes Jahr hunderte von Jungs - und mittlerweile auch das eine oder andere Mädchen - durch die Welt geschickt. Aber nur wenige schaffen den ganz großen Wurf wie Heung Min Son.

Sein Debüt in der Bundesliga gab er, da war Son gerade erst 18 Jahre alt geworden. Gegen den 1. FC Köln spielte Son vor gut zwei Jahren groß auf und erzielte gleich im ersten Spiel sein erstes von mittlerweile 13 Bundesligatoren. Damit wurde er Hamburgs jüngster Bundesligatorschütze.

"Projekt Campus" geplant

Son war der Beweis dafür, dass auch der Hamburger SV eigene Talente bis hinauf in den Profibereich führen kann. Zumindest verschafften sich die Bosse mit Son einen gewissen Spielraum. Die Realität sah nämlich doch ein bisschen anders aus: In den letzten Jahren schaffte es kaum einer aus dem Internat in Ochsenzoll bis in die Profimannschaft, Sons Aufstieg vernebelte ein wenig den Blick auf das Wesentliche.

Nicht umsonst geht der HSV im Sommer nächsten Jahres auch das "Projekt Campus" an. Unter anderem wird auf einer Fläche von rund 4000 Quadratmetern dann das Nachwuchsleistungszentrum in die Begegnungsstätte integriert sein. Ein Meilenstein in der Hamburger Nachwuchsförderung.

"Die Distanz von 20 Kilometern nach Ochsenzoll hat zur Folge, dass wir nicht so eng miteinander arbeiten können, wie wir uns das wünschen", sagt Klub-Boss Carl Edgar Jarchow. 12,5 Millionen Euro soll das Projekt kosten, der HSV hat dafür eine Fan-Anleihe ausgegeben. Rund elf Millionen hat der Klub innerhalb weniger Wochen schon zusammen, 2014 soll das zweitteuerste Bauprojekt nach dem Stadionbau eröffnet werden.

Integriert sind dann auch 20 moderne Apartments, in denen die Talente ganz nah an den Trainingsplätzen der Profis wohnen werden. Die schöne neue Welt soll dann endlich mehr solcher Spieler produzieren wie Son.

Vater Wong-Jung als scharfer Kritiker

Der hat es auch so geschafft. Sein Vater hätte ihm damals geraten, unbedingt den Schritt nach Deutschland zu wagen. Überhaupt war und ist Wong-Jung bis heute wichtigster Ansprechpartner für seinen Sohn. Wenngleich auch ein sehr strenger.

"Er ist schon sehr anstrengend, sehr kritisch", sagte Sohn Son nach dem 2:0-Sieg des HSV in Augsburg. Da erzielte er ein wunderbares Tor, sein fünftes in dieser Saison. "Er wird sagen: Schnell vergessen, nächste Woche spielen wir wieder. So ist er immer."

An seinem 18. Geburtstag nahm er die Offerte des HSV an und unterschrieb seinen ersten Profivertrag, ein Zweijahreskontrakt. Der damalige Trainer Armin Veh erkannte in Son schnell "ein Juwel", seine ersten Spiele bei den Großen gestaltete der so unbekümmert und aufregend, dass die Bosse den Vertrag kurzerhand bis 2014 verlängerten. Aus Angst, das größte der rar gesäten Talente könnte beim HSV schnell wieder ausgelöst werden.

Interesse aus England

Diese Angst ist jetzt wieder da und konkreter als je zuvor. Als unschöner Nebeneffekt von Sons Leistungen in dieser Saison schleichen sich mehr und mehr Gerüchte um angebliche Interessenten ein. Die kommen in erster Linie aus England.

Auf rund acht Millionen Euro wird der Marktwert des 20-Jährigen taxiert. Angesichts der Fähigkeiten und seines Alters fast schon ein Schnäppchen für die zahlungskräftigen Klubs der Premier League, wo selbst für 30-Jährige noch zweistellige Millionenpreise bezahlt werden - obwohl viele schon weit über ihren Leistungszenit hinaus sind.

Der FC Liverpool soll stark interessiert sein. Die Reds hatten erst in diesem Sommer für Aufsehen gesorgt, als sie in Samed Yesil die größte deutsche Sturmhoffnung für rund eine Million Euro transferierten.

Sehr konkret erscheinen auch die Bemühungen des FC Arsenal. Angeblich sei deren Chefscout Steve Rowley bereits mehrfach zu Scouting-Touren nach Deutschland aufgebrochen. Aus der Bundesliga wurden Borussia Dortmund und Schalke 04 schon Interesse nachgesagt.

Die Premier League ist in Asien aber weiter das Maß aller Dinge. Englands Elite-Liga ist seit zehn Jahren der Marktführer, via TV und Internet flimmern die Bilder aus der aufregendsten Liga der Welt in Pubs und Wohnstuben. Die mediale Strahlkraft der Bundesliga hinkt die immer noch weit hinterher. Auch deshalb drängt es so viele asiatische Stars in die Premier League.

Zukunft mit Son und Beister

In Hamburg wurden die Gerüchte längst registriert. Deshalb hat Sportdirektor Frank Arnesen eine Vertragsverlängerung mit Son ganz nach oben auf die Agenda geschrieben. "Das Thema soll vorm Saisonende erledigt sein", sagt der Däne. "Wir werden in der Winterpause mit den Gesprächen beginnen."

Trainer Thorsten Fink soll um Son und den ebenfalls in Hamburg ausgebildeten Maximilian Beister auf mittelfristige Sicht die Offensive des neuen HSV aufbauen. Son ist das Versprechen für eine bessere Zukunft.

"Wir wollen mit ihm etwas erreichen. Ich denke, dass es für seine sportliche Entwicklung besser wäre, wenn er weiter beim HSV spielt", sagt Fink. "Wenn jemand gut spielt, wird natürlich immer gepokert. Letztendlich muss Son aber wissen, dass hier etwas aufgebaut wird und wir Spieler geholt haben, die etwas erreichen wollen."

"Weiß nicht, ob ich verlängere"

So optimistisch die Macher sind, so zurückhaltend gibt sich Son immer noch. "Ich fühle mich auf jeden Fall sehr wohl beim HSV. Ich weiß aber noch nicht, ob ich im Winter verlängern werde", sagt Son.

Ihn drängt es nach Europa. Ob der HSV aber schon in dieser Saison wieder die Rückkehr in einen der Europapokalwettbewerbe schafft, ist derzeit eher fraglich. Das weiß auch Arnesen.

"Sonny kann noch zwei, drei Jahre bei uns spielen. Wichtig wird aber sein, dass für ihn die Perspektive stimmt", sagt der Sportdirektor. "Spieler wie Son, van der Vaart oder Badelj wollen da mitspielen, wo es lustig ist: Also international."

Das ist Heung Min Son