Europas Topligen stehen kurz vor der Saison-Halbzeit. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und nach Defiziten im Kader zu fahnden. Die gilt es dann im Januar zu beheben, wenn der Transfermarkt wieder öffnet. SPOX hat acht Klubs aus der Premier League unter die Lupe genommen. Was läuft, was läuft nicht bei Chelsea, Manchester United, Arsenal und Co. und wo müssen die Verantwortlichen den Hebel ansetzen.
FC Chelsea
Tabellenplatz 1, 37 Punkte, 40:13 Tore
Welch trister Dezember. Vier Spiele, kein Sieg - und der Januar mit dem Africa-Cup im Anflug. Chelsea war diese Saison das vielleicht beste europäische Team - doch in den letzten Wochen wurden die Blues zurechtgestutzt. Ob es nur eine Leistungsschwankung oder ein Indiz für einen schleichenden Formverfall ist, sei dahingestellt. Fakt ist: Nach Neujahr werden Drogba, Essien und Mikel fehlen.
Der Kader ist ungemein tief besetzt, doch ausgerechnet die zum Africa-Cup abreisenden Leistungsträger sind kaum zu ersetzen. Essien und Mikel sind ahtletischer und physischer als alle anderen Mittelfeld-Spieler - und Drogbas Fehlen ist mit wegen seiner Durchsetzungsfähigkeit schlicht nicht zu kompensieren.
Dennoch sagt Trainer Ancelotti: "Zum letzten Mal: Wir werden im Januar zu hundert Prozent niemanden kaufen. Wir können auch ohne Drogba gewinnen."
Die kolportierten Neuzugänge wie Agüero (Atletico), Suarez (Ajax) oder Luis Fabiano (Sevilla) sind demnach kein Thema - was die Frage aufwirft: Wer soll Drogba ersetzen? Anelka, okay. Die Backups dahinter sind jedoch ebenfalls beim Africa-Cup (Kalou) oder zu jung (Kakuta, Sturridge, Borini). Für das Mittelfeld lose im Gespräch: Inters alternder Vieira. Möglicher Abgang: Juri Schirkow, der unter Ancelotti kein Land sieht.
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Manchester United
2., 34 Punkte, 34:14 Tore
Das übermächtige ManUnited von einst ist spätestens seit dem Sommer Geschichte, die Red Devils bewegen sich wieder in den Sphären der Normalität. Was einerseits mit der beispiellosen Verletztenmisere zusammenhängt, andererseits aber auch mit dem Fehlen eines zweiten Go-to-Guys neben Wayne Rooney (11 Tore).
Von ihm abgesehen, hat kein United-Spieler mehr als vier Liga-Treffer erzielt, zumal auch in der Defensive der Fixpunkt fehlt. Ferdinand patzt oder ist verletzt, sein Innenverteidiger-Partner Vidic zeigt sich ebenfalls anfällig für Blessuren - und will angeblich auch noch weg.
Angesichts dessen ist das bisherige Abschneiden mit sonst so farblosen Rollenspielern wie O'Shea und Evans höchst respektabel. Aber respektabel ist für ManUnited nicht genug, so dass im Winter womöglich nachgebessert wird. Zuletzt rankten sich Gerüchte um: Stürmer Huntelaar (Milan), Linksaußen Douglas Costa (Gremio) und das Abwehr-Juwel Cedric Mongongu (Monaco).
FC Arsenal
3., 31 Punkte, 40:19 Tore
Seit dem Transfercoup mit Vermaelen im Sommer ist die sonst so verbreitete Kritik an der Abwehr verstummt. Doch van Persies schwere Verletzung eröffnete eine neue Baustelle: Wer besetzt die bei Wenger eminent wichtige Position des Stoßstürmers?
Eduardo ist weiter der körperliche Rückstand anzumerken, Vela wird langsam aufgebaut und Bendtner stagniert. In Liverpool bot Wenger vorne sogar ein Zwergen-Lineup aus Arschawin (1,72 Meter), Theo Walcott (1,70) und Nasri (1,77 Meter) auf.
Fabregas und Arschawin plädieren für einen neuen Mittelstürmer - aber der vorsichtige Wenger wagt sich nicht so recht auf den Transfermarkt. Ähnliches gilt für das zentrale Mittelfeld. Wenger verfügt über eine Vielzahl an spielstarken Sechsern (Song, Diaby), Achtern (Cesc, Denilson) und Zehnern (Rosicky, Nasri) - doch es fehlt ein routinierter Abräumer, der als ausgleichender Pol zum wuseligen Rest des Teams den Laden zusammenhält.
So einer wie früher Gilberto Silva und Vieira. Letzterer ist offenbar wieder auf dem Markt (siehe Chelsea), doch dem Vernehmen nach ist Wenger kein Fan seines früheren Skippers mehr.
Tottenham Hotspur
5., 27 Punkte, 35:22 Tore
Die Spurs sind zwar weiterhin so unbeständig wie früher - aber immerhin stabilisieren sie sich auf einem zufriedenstellenden Niveau.
Dafür verantwortlich: Top-Einkauf Bassong, der die Abwehr auf ein neues Level gehoben hat, sowie das erfolgreichste Sturm-Duo Englands, Jermain Defoe (12 Tore) und Robbie Keane (6). Zudem wird Spielmacher Modric nach seinem Beinbruch schrittweise wieder herangeführt.
Dennoch gibt es Defizite, vor allem im Angriff. Für Defoe/Keane fehlen veritable Backups, da Crouch (nur 2 Tore) wie auch Pavlyuchenko meilenweit von der Form vergangener Jahre entfernt sind. Sprich: Tottenham sucht mindestens einen neuen Stürmer. In der Verlosung: Doumbia (Bern), van Nistelrooy (Real Madrid) und Pandev (Lazio).
Auf der Abschlussliste stehen hingegen Pavlyuchenko, Bentley sowie Hutton.
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Manchester City
6., 26 Punkte, 29:21 Tore
Die Indizienkette ist erdrückend: Gegen Topteams ist das Abschneiden der Citizens exzellent (so wie zuletzt beim 2:1 gegen Chelsea), doch im Duell mit wesentlich schlechteren Mannschaften versagten sie regelmäßig. Daher auch die Remis-Flut mit acht Unentschieden in den letzten neun Partien.
Womöglich ein Hinweis darauf, dass ManCity vor allem dann Probleme bekommt, wenn es selbst das Spiel machen muss? Die Abwehr gefällt (mit Toure/Lescott im Zentrum), auch das Mittelfeld ist gut bestückt (Barry, de Jong, Kompany, Ireland, Wright-Phillips, Petrow) - doch im Spiel nach vorne fehlt trotz prominenter Namen das gewisse Etwas.
Adebayor, Robinho, Tevez, Bellamy, Santa Cruz, Wright-Phillips: Vor lauter Millionentransfers wurde offenbar vergessen, einen Spieler zu verpflichten, der die Stürmer einsetzen kann. Die Ausbeute von 29 Toren ist die schwächste unter den Top-7-Teams.
Dennoch wurden zuletzt nur Namen als Neuzugänge bei ManCity gehandelt, die ihre Stärken nicht unbedingt in der Spielorganisation haben. Nur einige Beispiele: Außenverteidiger Lahm (Bayern), Flügelspieler Abate (Milan) und Teenage-Sensation Muniain (Bilbao).
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FC Liverpool
7., 24 Punkte, 32:22 Tore
Die Reds sind im freien Fall. Besonders eklatant: In den letzten Jahren zeigte das Team gegen Topteams gute Leistungen und schwächelte gegen vermeintlich schwächere Kontrahenten. Jetzt gelingen nicht mal mehr die Big Points, wie das Champions-League-Aus beweist.
Keine Frage, dem Kader fehlt die Breite. Beispiel Abwehr: Die Rotation in der Innenverteidigung mit Skrtel, Carragher und Agger verkörpert internationale Klasse, auch die Außenverteidigung ist okay (Johnson/Insua). Der Rest ist aber nur Durchschnitt (Kyrgiakos, Aurelio, Dossena, Degen).
Noch verheerender die Situation im Mittelfeld. Lucas ist ein Xabi Alonso für Arme, Mascherano denkt mehr an einen Weggang als an Liverpool, Benayoun ist bei aller Torgefährlichkeit zu unbeständig und Sommer-Top-Transfer Aquilani braucht weiterhin Zeit nach seinem langen Ausfall.
So wie das Mittelfeld von Gerrard abhängig ist, so verkommt der Sturm zur Torres-Show. Oder eben zur Torres-No-Show, wenn er wie diese Saison des Öfteren verletzt ausfällt. N'Gog: zu jung, Babel: zu renitent, Woronin: zu schlecht. Bleibt nur noch Kuyt.
Wer helfen könnte? Liverpool wird mit dem japanischen Spielmacher Honda (Venlo) in Verbindung gebracht, genauso wie mit West Hams Scott Parker und Reals Ersatz-Stürmer van Nistelrooy. Alles begabte Fußballer - aber taugen sie auch als Hoffnungsträger?
FC Everton
15., 17 Punkte, 22:30 Tore
Vor der Saison plante Everton den großen Angriff auf die Top Four. Herausgekommen ist bisher ein Rohrkrepierer. Trotz des gleichen Trainers und trotz eines mehr oder weniger gleichen Kaders wirkt Everton wie ausgetauscht. Evident besonders der Formverfall des Mittelfelds.
Arteta, Cahill, Osman und Fellaini erzielten letzte Saison alleine 28 Treffer, dieses Jahr sind es bisher nur vier. Insbesondere der wegen Kreuzbandrisses fehlende Arteta wird vermisst. Die Folge: Neben Top-Torjäger Louis Saha (10 Treffer) hat kein weiterer Everton-Spieler mehr als zwei Tore erzielt. 24-Millionen-Euro-Stürmer Jo hat in 15 Spielen noch kein einziges Mal eingenetzt.
Konsequenterweise werden offenbar etliche Offensivspieler gesichtet: Zuletzt wurde über Namen wie Donovan (LA Galaxy), Honda (Venlo) sowie die beiden Schalker Rakitic und Holtby spekuliert.
FC Portsmouth
20., 11 Punkte, 14:24 Tore
Lange Zeit war Portsmouth so etwas wie der moderne Premier-League-Glücksritter. Mit viel Ehrgeiz und noch mehr Geld plante der Klub den Sprung in den europäischen Wettbewerb. Die Qualifikation für die Europa League gelang letztes Jahr tatsächlich - doch seitdem ging es bergab.
Mittlerweile hoch verschuldet droht dem Tabellen-Letzten nun sogar der Gang in die zweite Liga - auch wenn nach sieben Niederlagen zum Saisonstart zumindest der Anschluss zu einem Nicht-Abstiegsplatz wieder hergestellt ist.
Grund für die Krise: der Sturm. Oder besser: der fast nicht existente Sturm. Mit 14 Toren stellt Portsmouth trotz Namen wie Dindane, Kanu und Utaka die schwächste Offensive der Liga. Die Existenz bedrohende Harmlosigkeit kann auch Kevin Boateng (mit 3 Toren zweitbester Torschütze) nur bedingt beheben.
Doch während die Jahre zuvor Spieler wie Crouch, Glen Johnson, Kranjcar, Muntari, Lassana Diarra oder Jermain Defoe verpflichtet wurden, fehlt diesen Winter wohl das Geld, um sich zu verstärken. Bittere Aussichten.
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