Der ultimative Akt der Verwüstung

Von Maurice Kneisel
Nach einem Superplex von Mark Henry gegen The Big Show brach der komplette Ring zusammen
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Mit Vengeance aus San Antonio, Texas lieferte die WWE einen der stärksten Pay-per-Views des Jahres ab. Einen Titelwechsel gab es zwar nicht zu bestaunen, dafür zerstörten Mark Henry und The Big Show sich nicht nur gegenseitig, sondern auch den Ring. Alberto Del Rio und John Cena lieferten sich anschließend ein überragendes Last Man Standing-Match in den Trümmern.

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Tag-Team-Champions Kofi Kingston & Evan Bourne vs. Jack Swagger & Dolph Ziggler

Eigentlich ging mir Kofi Kingston ja schon seit geraumer Zeit unwahrscheinlich auf den Wecker. Mäßiges Charisma, dazu die immer gleichen Spots. Aber Air Boom sind ein Volltreffer. Die WWE hat mittlerweile bewiesen, dass sie wirklich auf dieses Duo setzt und es als ernsthaftes Tag-Team etablieren will. Eine goldrichtige Entscheidung. Ihr Repertoire an Double-Team-Moves wächst von Woche zu Woche, und auch, wenn Kingston und Bourne in jedem Match die gleiche Geschichte erzählen, ist es doch äußerst unterhaltsam anzusehen. Mit Ziggler und Swagger standen ihnen zudem zwei talentierte Gegner gegenüber. Dolph bewies dabei einmal mehr, dass in der WWE mit Ausnahme von Tyson Kidd und Daniel Bryan niemand Moves so hervorragend sellen kann wie er. Ein Titelwechsel hätte hier wenig Sinn gemacht, da Kingston und Bourne die richtige Wahl als Champs sind. Swaggler haben allerdings bewiesen, dass sie auch als Tag-Team eine gute Figur machen und eine weitere Chance verdient hätten. Sieger und weiterhin Tag-Team-Champions: Air Boom.

United-States-Champion Dolph Ziggler vs. Zack Ryder

Gleich im Anschluss an das Tag-Team-Match Zack Ryder in die Halle zu schicken, war ebenfalls die richtige Entscheidung, auch weil er viel zu populär ist, als dass man ihm diese kleine Heel-Taktik übel nähme. Nach einem kurzen Match, das der Long Island Iced Z dominierte, verteidigte Ziggler den Gürtel dank des Eingreifens von Vickie Guerrero und Jack Swagger. Positiv daran ist, dass Ryder somit nicht klar verloren hat. Aber hätte man ihm den Titel nicht geben und seinen Push somit auf die nächste Ebene führen können? Das Signal ist eindeutig: Ziggler behält den US-Titel, weil seine Allianz mit Swagger bald enden wird und eine Fehde zwischen den beiden um den Gürtel ansteht. Schade um das Team, aber mal abwarten, was sich hieraus ergibt - und wer eigentlich Face turnen soll. Ich tippe und hoffe auf den All-American American. Sieger und weiterhin United-States-Champion: Dolph Ziggler.

Divas-Championesse Beth Phoenix vs. Eve Torres

Vor dem Match gab es per Videoeinspieler die Erklärung, wieso Kelly Kelly und Natalya nicht am Ring dabei sein durften: Eine Schlägerei backstage. Umso besser, auf Kellys penetrante "Come on, Eve!"-Rufe im Drei-Sekunden-Takt kann ich mehr als dankend verzichten. Stattdessen gab es ein solides Diven-Match, das erwartungsgemäß besser war als die vorangegangenen zwischen Phoenix und K2. Eve zeigte einige gute und ausgefallene Aktionen, beispielsweise als sie Beth mit deren Gürtel im Seil fesselte. Zudem war der Konter gegen den ersten Glam Slam-Versuch absolut gelungen. Am Ende stand der logische Sieg der Glamazone, bei dem Eve aber im Ring eine gute Figur machte und auch eine ordentliche Portion Offensive zeigen konnte. Siegerin und weiterhin Divas-Championesse: Beth Phoenix.

Sheamus vs. Christian

Ordentliche Match-Länge, gute In-Ring-Action und ein starkes Finish: dieses Match bot feine Kost, hatte aber ein klares Manko; nämlich dass wohl kein Mensch ernsthaft glauben konnte, Christian hätte gegen den Celtic Warrior eine Chance. Der Ire ist derzeit unfassbar heiß und muss nun endlich in den Main Event von SmackDown! gepusht werden. Nichtsdestotrotz war es ein starkes Match; vor allem auch, da Christian einmal mehr bewies, dass er seinem Busenfreund Edge in nichts nachsteht, was die Konterfähigkeit angeht. Gerade gegen Ende des Matches folgte ein gekontertes Move auf das andere, und das Finish, bei dem zunächst Christian dem Brogue Kick auswich, um das Spear zu zeigen, nur um kurz danach mit seinem zweiten Spear-Versuch mitten in den Brogue Kick zu rennen, war grandios. Sieger: Sheamus.

CM Punk & Triple H vs. The Miz & R-Truth

Unterhaltungstechnisch ist R-Truths Heel-Turn wirklich eine der besten Entscheidungen, die die WWE-Booker in den letzten Jahren getroffen haben. Am Mikro ist der Kerl pures Gold, und ob er nun backstage, beim Entry oder während des Matches mal eben ganz Texas gegen sich aufbringt - es ist unfassbar unterhaltsam. Sogar so sehr, dass er The Miz die Show stiehlt. Im Ring wiederum klauten beide Männer ihren Gegnern den Sieg, wobei sie auf tatkräftige Unterstützung bauen konnten. Triple H und CM Punk sahen lange wie die Sieger aus, aber im Hinblick auf die Survivor Series war eigentlich klar, dass die Heels triumphieren mussten. Und so war es mal wieder Kevin Nash, der durch seine Attacke auf Triple H außerhalb des Rings CM Punk ablenkte und diesen so den Sieg kostete. Dass Hunter sich ungerne covern lässt, ist hinlänglich bekannt, dafür steckte er anschließend immerhin eine ungemein brutal aussehende Jackknife Powerbomb ein. Unterhaltsames Match und die Fehde für den kommenden Big-Four-PPV wurde perfekt fortgeführt. Sieger: Awesome Truth.

Randy Orton vs. Cody Rhodes

Was soll man über Cody Rhodes überhaupt noch schreiben? Man hat den Eindruck, der Kerl macht weiterhin von Match zu Match deutliche Entwicklungssprünge, auch bei Vengeance sorgte er wieder für einige Highlights. Dass Orton nach seinen Niederlagen gegen Mark Henry nicht zum dritten Mal in Serie bei einem Pay-per-View verlieren würde, war klar. Zudem konnte Cody bereits in einer Wochenshow einen Sieg gegen seinen früheren Legacy-Mentor einfahren. Trotzdem hatte das Match Momente, in denen die Überraschung möglich erschien. Nach Rhodes' zweitem spektakulärem Moonsault beispielsweise und natürlich in erster Linie nach den Cross Rhodes. Am Ende wurden ihm stattdessen - passend zu seinem Gimmick - seine Arroganz sowie das Eingreifen seiner Tütenträger zum Verhängnis. Rhodes' Push tut dies jedenfalls keinen Abbruch, der Weg zeigt weiterhin eindeutig Richtung Welt-Schwergewichts-Titel. Und so darf man zumindest schon mal vorsichtig von einer Fehde zwischen Cody und Sheamus träumen. Sieger: Randy Orton.

Welt-Schwergewichts-Champion Mark Henry vs. The Big Show

"Holy Shit! Holy Shit!" Die Reaktion des ansonsten größtenteils drögen Publikums in San Antonio fasste dieses Match perfekt zusammen. Henrys Titelrun musste weitergehen und da man Big Show angesichts der intensiven Fehde der beiden Schwergewichtler nicht als Aufbaugegner verheizen wollte, war eine spezielle Lösung notwendig. Und so entschied man sich dafür, das Match nach einigen Near-Falls für Big Show in einem No Contest enden zu lassen. Was in der Regel als Frechheit gegenüber den Besuchern in der Halle sowie den PPV-Käufern angesehen werden muss, wurde hier zum ultimativen Highlight: zum zweiten Mal nach dem 12. Juni 2003, als Brock Lesnar Big Show einen Superplex verpasste, sorgte diese Aktion dafür, dass der Ring kollabierte. Das Ergebnis waren komplettes Chaos, ein Matchabbruch und zwei Superstars, die diese Aktion perfekt verkauften. Big wurde nach einigen Minuten, in denen beide regungslos am Boden lagen, fluchend abtransportiert. Henry kam zwar kaum auf die Beine, attackierte aber noch ein paar Offizielle. Und nebenbei wurde so ein denkwürdiger Main Event vorbereitet...

WWE-Champion Alberto Del Rio vs. John Cena (Last Man Standing-Match)

...nämlich das Last man Standing-Match zwischen Alberto Del Rio und John Cena. Praktischerweise braucht man für diese Matchart kein funktionstüchtiges Seilgeviert, da letzten Endes eh nur zählt, wer bis Zehn nicht mehr auf die Beine kommt. Der defekte Ring sorgte nicht nur für eine in der WWE bislang einmalige Matchathmosphäre, sondern auch für einige äußerst witzige Momente. Beispielsweise, als Cena beim Entry wie üblich unter den Seilen hindurch in den Ring schlittern wollte, unten an der Rampe angekommen aber einsehen musste, dass das nicht möglich ist. Sein Blick: unbezahlbar. Oder aber als er Ricardo Rodriguez mit dessen ganzer Männlichkeit voran in den umgekippten Ringpfosten hämmerte und anschließend Del Rio auf das andere Ende beförderte, um dem Ringsprecher per Hebelwirkung den Rest zu geben. In Erinnerung bleiben wird ansonsten vor allem der Backstage-Ausflug, bei dem unter anderem Del Rio vier Metallaufbauten auf Cena krachen ließ und von einem Gestell hinunter durch einen Tisch geschleudert wurde. Das Ende, bei dem der Champion zunächst von einer Treppe aus durch das Kommentatorenpult ge-Attitude-Adjustet und anschließend durch das Eingreifen von The Miz und R-Truth gerettet wurde, war spektakulär. Die Fehde endet damit wohl vorerst, Cena wird sich nun The Rock zuwenden, während Del Rio eine Fehde gegen CM Punk um die WWE-Championship starten soll. Sieger und weiterhin WWE-Champion: Alberto Del Rio.

Fazit: Eben das ist es doch, wofür man sich als WWE-Fan unzählige Nächte um die Ohren haut: Für einen starken Pay-per-View und diese wunderbaren Mark-Out-Momente. Genau das bot Vengeance, und zwar nicht zu knapp. War es der PPV des Jahres? Nein, dieser Titel ist Money in the Bank nicht zu nehmen. Muss er aber auch gar nicht.

Die Show bot acht unterhaltsame Matches, Stinker gab es nicht mal in Ansätzen und selbst die so oft gescholtenen Diven wussten zu überzeugen. Die In-Ring-Action war durchgängig zumindest solide, dazu wurden die laufenden Fehden gut weiter geführt. Auch die Tatsache, dass bei fünf Titelmatches kein einziger Gürtel wechselte, ist keineswegs störend, sondern bringt diesen vielmehr endlich mal wieder etwas Konstanz.

Zu kritisieren ist lediglich, dass man Dolph Ziggler nach der Niederlage im Tag-Match bei der sofort im Anschluss folgenden United-States-Titelverteidigung durchaus hätte entthronen dürfen. Zack Ryder hat - ob es den Kritikern nun gefällt oder nicht - seit Monaten ein irres Momentum und hätte hier den Gürtel verdient gehabt. Gerade auch, weil man Ziggler durch die Darstellung keineswegs geschwächt hätte.

Zudem lieferten die drei US-Kommentatoren, die sich scheinbar kontinuierlich gegenseitig zu unterbieten versuchen, einmal mehr eine katastrophale "Leistung" ab. Während Booker T, wie üblich, in der Endlosschleife seiner eigenen Floskeln gefangen schien und sich pausenlos selbst widersprach, konzentrierte sich Jerry Lawler auf miese Wortspiele.

Absolutes Negativhighlight: Am Ende des Henry/Big Show-Matches betonten sie immer wieder, einen solchen Ring-Kollaps noch nie gesehen zu haben, bis Lawler irgendwann endlich kleinlaut einwarf, dass es da ja die Szene mit Brock Lesnar und Big Show gab. Richtig Jerry, die ist beispielsweise auf der kürzlich erschienen "WWE's OMG! Top 50 Shocking Moments" DVD zu bewundern. Aber sei's drum.

Ich bin auch der Meinung, dass ein wuchtiger Schlag mit der WWE-Championship nicht unbedingt ausreicht, um einen John Cena überzeugend auszuknocken. Vor allem nicht, wenn man berücksichtigt, dass er zuvor unter anderem unter vier schweren Metallaufbauten begraben wurde.

Der Main Event war aber nichtsdestotrotz überragend und bot mit dem Prügelknaben Ricardo Rodriguez sowie Spots mit Mark-Out-Garantie so ziemlich alles, was man sich nur wünschen konnte. Dazu ein zertrümmerter Ring mit überzeugend dargestellten Folgen und ein überraschender Auftritt von Kevin Nash - was will man mehr? Danke WWE für drei Stunden Unterhaltung pur.

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