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Jameis Winston vor der Free Agency: Der Prophet im eigenen Land

Jameis Winston könnte die Tampa Bay Buccaneers in der diesjährigen Free Agency verlassen.
© getty
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Jahr 2 unter Arians: Winstons Explosion?

Und dann gibt es noch einen anderen Faktor: Erfahrung.

Es gibt kaum einen besseren Ansprechpartner für diesen Punkt in der Arians-Offense als Carson Palmer, den Arians 2013 als eine seiner ersten großen Entscheidungen bei den Cardinals nach Arizona holte - und der einige Zeit brauchte, ehe er sich in der Offense zurechtfand. 22 Interceptions warf Palmer 2013, es ist die einzige Saison in seiner NFL-Karriere, in der er mehr als 20 Picks warf.

"Man hat im ersten Jahr nicht die notwendige Erfahrung", stellte Palmer jüngst in der Rich Eisen Show klar. "Man braucht dieses erste Jahr, um dann zurückblicken, das Tape analysieren und erkennen zu können, wo man Fehler gemacht hat. Das gilt auch für die Receiver; und dann im zweiten Jahr greifen die Rädchen deutlich besser ineinander. Diese Chemie beginnt dann sich zu entwickeln, genau wie das Vertrauen in die Offense. Wenn Jameis in Tampa bleibt, glaube ich, dass er ein tolles zweites Jahr spielen wird."

Letztes Jahr schien genau dieses Vertrauen zunehmend holpriger zu werden - von beiden Seiten. Womöglich war das London-Spiel ein Knackpunkt, zumindest wurde von Arians' Seite anschließend der Ton gegenüber Winston in der Öffentlichkeit rauer. Arians hätte sich schnellere Fortschritte gewünscht, das steht außer Frage. Winston derweil warf zehn seiner 30 Interceptions, nachdem er sich den Daumen an seiner rechten Hand gebrochen hatte und er spielte trotz eines Meniskusrisses.

Winstons Alternativen: Colts? Bears?

Diese Dinge sollten nicht als Ausrede herhalten, doch genau wie die Tatsache, dass man die Schwierigkeit der Offense für den Quarterback berücksichtigen muss, gilt es aus Bucs-Sicht, möglichst viel Kontext anzubringen, ehe man eine so enorm wichtige Entscheidung trifft. Und das gilt auch für Winston selbst, wenn es darum geht, welche Art Vertrag er - in Tampa oder anderswo - jetzt unterschreibt.

Er ist 26 Jahre alt und selbst der größte Winston-Kritiker kann kaum umhinkommen, zu sagen, dass er unter dem Strich ein durchschnittlicher Starting Quarterback ist. Aktuell nicht mehr, dafür sind die Fehler und Turnover zu gravierend - aber auch nicht weniger, dafür sind die Big Plays zu konstant.

Winston kommt an diesen Punkt nur anders als so ziemlich jeder andere Quarterback, den man als Durchschnitt bezeichnen würde. Hier denken viele an Spieler wie Derek Carr oder Andy Dalton oder inzwischen womöglich auch wieder Teddy Bridgewater - Quarterbacks, die deutlich weniger fehleranfällig sind, dafür jedoch auch deutlich weniger Offense kreieren.

So gut er auf den ersten Blick in Arians' Offense passt: Womöglich wäre umgekehrt eine andere Situation für Winston selbst besser. Eine Offense, in der er zwar auch vertikal attackieren würde, die ihm gleichzeitig aber auch mehr helfen würde, indem mehr "sichere" Pässe Teil der Offense sind. Etwa eine Offense wie die von Frank Reich in Indianapolis oder von Matt Nagy in Chicago.

Zocken die Buccaneers mit Winston?

Und so spitzt sich die Situation in Tampa Bay immer weiter zu. "Ich hätte gerne einen besseren Dezember von ihm gesehen", legte Arians bei der Combine laut JoeBucsFan.com nach, "Ende November, Anfang Dezember, normalerweise ist das der Zeitpunkt, an dem es bei uns Klick macht. So war es bei Carson in Arizona und auch für Ben Roethlisberger in Pittsburgh. Es war bei jedem so. Aber Jameis hat im Dezember noch Fehler gemacht, die mir nicht gefallen haben."

Das könnte sehr gut Arians' Art sein, zu sagen, dass er auch nicht den Sprung im zweiten Jahr erwartet. Es könnte auch ein Hinweis auf eine etwas andere Strategie sein: Tampa hätte die Möglichkeit, Winston den Transition Tag zu geben; es wäre für beide Seiten der spannende Weg, um herauszufinden, wie Winstons Markt wirklich aussieht.

Womöglich sind Arians' Aussagen zumindest über die letzten Wochen auch deshalb so kritisch, weil man Winstons Markt in einem solchen Szenario nicht zusätzlich pushen will. Zuletzt sprachen Arians und Bucs-GM Jason Licht offen darüber, dass sie gerne einen Quarterback im diesjährigen Draft auswählen würden.

Bucs: Die gefährliche Suche nach Alternativen

Klar ist: Die Buccaneers sehen sich jetzt in einem Fenster, in dem sie gewinnen können. Sie haben das wohl beste Wide-Receiver-Duo der Liga und eine junge Defense, die sich im Laufe der Saison merklich weiterentwickelt hat. Es gilt dort, kritische eigene Free Agents wie etwa Shaq Barrett zu halten, doch die zentrale Frage lautet: Sieht Arians, der selbst nicht mehr allzu lange coachen wird, in Winston das Potenzial, ein Titelfenster zu öffnen? Oder könnte Tampa Bay tatsächlich eine Option für Brady sein, die ihn aus der AFC bringt und in eine gut besetzte Offense packt?

Das wäre die eine Lösung, die ein sicheres, wenn auch kurzfristiges, Upgrade darstellen würde. Aber sonst? Rivers spielte letztes Jahr wie eine schlechtere Version von Winston selbst, die zuletzt kolportierten Bridgewater oder auch Derek Carr via Trade passen überhaupt nicht in die Arians-Offense. Vielleicht könnte jemand wie Andy Dalton die Offense umsetzen und dabei die Turnover im überschaubaren Rahmen halten. Aber ein sicheres Upgrade gegenüber Winston sieht anders aus.

Und so muss Tampa Bay aufpassen, dass sie am Ende nicht im übertragenen Sinne auf das reinfallen, was das Sprichwort meint, das sagt: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Es ist verständlich, dass Winstons Turnover Coaches, Verantwortliche und Fans in den Wahnsinn treiben, und um wirklich - individuell aber, auch was das ganze Team angeht - einen Schritt nach vorne zu machen, muss Winston diese reduzieren.

Gleichzeitig aber würde Tampa große Schwierigkeiten haben, einen Quarterback zu finden, der Arians' Offense besser umsetzt; der Winstons Arm, Aggressivität und hohe "Toleranz" gegenüber eigenen Fehlern innerhalb eines Spiels hat. Die Buccaneers wären gut beraten, Winston ein zweites Jahr in der Arians-Offense zu geben und alles daran zu setzen, eine langfristige Entscheidung auf der Position ein Jahr hinauszuzögern. Ein etwas diplomatischeres Auftreten in der Öffentlichkeit wäre dafür nicht die schlechteste Idee.

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