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Das Gefühl der Leere - Die Saison der Enttäuschten

Von Pascal De Marco
Die Cleveland Browns laufen Gefahr, die Saison ohne Siege zu beenden
© getty
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San Francisco 49ers (aktuelle Bilanz: 3-10)

Was lief falsch? Die Niners-Bilanz ohne Jimmy Garoppolo als Starter: 1-10 - Die Bilanz mit Jimmy Garoppolo als Starter: 2-0. Dementsprechend sieht die Gemütslage in der Bay-Area gerade aus. Der Hype um den neuen Quarterback hat so einige Probleme vergessen lassen, die die Übergangssaison mit sich gebracht hat. Garoppolo ist der Quarterback, mit dem man in die Zukunft gehen will. Aber gerade die Zeit vor seiner Ankunft gilt es für die nächsten Planungs- und Handlungsschritte aufzuarbeiten.

Die Niners sind ein junges Team, welches in dieser Saison einen Rekord darin aufgestellt hat, fünf Spiele in Serie mit maximal drei Punkten Unterschied zu verlieren. Talentierte Spieler, die das ein oder andere entscheidende Play vielleicht gerade deshalb nicht gemacht haben, weil sie in einem unerfahrenem und aufgeregtem Umfeld spielen, sind sicherlich ein Grund dafür, dass man sich in engen Spielen mit dem schlechteren Ende begnügen musste. Die Qualität - etwa in der defensiven Front Seven - ist aber wenigstens vereinzelt fraglos schon da.

Die Offensive war desweiteren über weite Strecken nicht in der Lage zu punkten. Dies lag zum einen am langzeitigen Quarterback Bryan Hoyer, zum anderen an der enorm wackligen Offensive Line und am Mangel an hochwertigen Skill-Position-Playern. Carlos Hyde musste hier den Großteil der Arbeit übernehmen und konnte unter den gegebenen Umständen nicht allzu viel reißen. Ging es in die Red Zone, so wirkte die Offense überfordert.

Was bleibt in dieser Saison? Trotz des Garoppolo-Hypes werden die anstehenden Aufgaben noch einmal richtig schwer zu bewältigen. Mit den Titans, Jaguars und Rams trifft man auf drei Gegner, die sich allesamt noch mitten im Playoff-Rennen befinden. Dies wird womöglich eine bittere Lektion darstellen, wie weit man sich selbst tatsächlich noch von einer solchen Ausgangslage entfernt befindet.

Wie geht es weiter? Garoppolo wird am Ende der Saison Free Agent. Der Fokus wird darauf liegen, ihn via Franchise-Tag oder dem sofortigen Einverständnis langfristig zu binden. Darüber hinaus gilt es vor allen Dingen die Offensive Line zu adressieren, Talent auf der Wide Receiver-Position hinzuzufügen und die Cornerback-Position aufzuwerten. Mit vier Picks in den ersten drei Draft-Runden sowie einer großen Menge an verfügbarem Cap Space keine unmögliche Aufgabe.

New York Giants (aktuelle Bilanz: 2-11)

Was lief falsch? Eines steht fest: Das Glück stand den Giants in dieser Saison nicht gerade zur Seite. Spätestens nach den Verletzungen von Odell Beckham Jr. und Brandon Marshall in Week 5 war schon fast klar, dass es ein Jahr nach einer Playoff-Teilnahme schon nicht mehr für Playoff-Football reichen wird. Der Schedule hat es dabei wohl auch nicht gut gemeint: Von den ersten sieben Niederlagen kamen sechs gegen Teams zustande, die gerade mit einer positiven Bilanz da stehen.

Abgesehen von der hervorragenden Rookie-Saison von Evan Engram war es das dann aber auch mit Wehmutstropfen. Die bittere Wahrheit ist ein totales Chaos, dem jüngst mit der Entlassung von Head Coach Ben McAdoo versucht wurde, zu intervenieren. McAdoo fiel unter anderem seiner eigenen Entscheidung, Eli Manning auf die Bank zu setzen und Geno Smith starten zu lassen, zum Opfer. Aber schon vorher hatte er die Kontrolle über die Umkleidekabine verloren. Spieler berichteten anonym von einer Doppelmoral, auf deren Basis beispielsweise Dominique Rodgers-Cromartie und Janoris Jenkins intern kurzfristig suspendiert worden sind.

Im Hinblick auf die Defensive ist außerdem so einiges entgegengesetzt zum ersten Jahr unter McAdoo. Jason Pierre-Paul, der vor der Saison noch einen dicken Zahltag feiern durfte, spielte inkonstant und blieb weit hinter den Erwartungen, die der 62-Millionen-Dollar-Vertrag ausdrückt. Olivier Vernon leidet wohl weiterhin an einer Knöchelverletzung und kann seinem 85-Millionen-Dollar-Vertrag ebenfalls nicht gerecht werden. Und auch das Corner-Duo Eli Apple und Janoris Jenkins konnte nach gutem letzten Jahr keineswegs überzeugen.

Kurzum: Die Defense machte kollektiv einen Schritt zurück, während die Offense - McAdoos eigentliches Steckenpferd - wie schon in der Vorsaison konstante Probleme hatte. Nicht erst nach der Verletzung von Beckham.

Was bleibt in dieser Saison? Bei den Giants steht nun das Team in der Bringschuld. Unter der Führung von McAdoo war ein großer Teil der Mannschaft nicht glücklich, so viel scheint klar. Jetzt allerdings ist dieses Kapitel Geschichte und es gibt keine Ausreden mehr. Die Giants müssen wieder ihr Potenzial umsetzen und ein positives Gefühl in die neue Saison übertragen, in der man auch seine offensiven Superstars wieder bekommen wird.

Wie geht es weiter? Das Thema Eli Manning wird die nächsten Monate bestimmen. Bleibt er, folgt er Tom Coughlin nach Jacksonville oder gibt es andere Szenarien, die der zweimalige Super-Bowl-Sieger nach dieser Saison bevorzugen wird? Eines ist klar: Die Giants haben die Situation alles andere als professionell gehandhabt.

Manning auf die Bank zu verbannen, ohne einen ernsthaften Nachfolger zur Hand gehabt zu haben, war nicht akzeptabel. Von der Entscheidung Mannings wird wohl auch der frühe Pick abhängen, den man im Draft investiert. Allerdings könnte dieser ohnehin für einen Quarterback ausgegeben werden. Mannings Zeit in der Liga geht ihrem Ende entgegen und wer weiß schon, an welcher Stelle man im nächsten Jahr wählen darf?

Wichtig wird es für den neuen Coach, wer auch immer das wird, sein, die Defense wieder konstant auf ein höheres Level zu heben. Offensiv braucht es Schemes, die nicht komplett von Beckham abhängen, etwa indem man ein funktionales Run Game installiert.

Cleveland Browns (aktuelle Bilanz: 0-13)

Was lief falsch? Blickt man ausschließlich auf die Bilanz, so lief eigentlich nichts falsch - so rein in Clevelands Sinne, versteht sich. Die Browns stehen dort, wo sie wohl zu diesem Zeitpunkt gerne sein möchten: Ganz unten. Der Rebuild kann mit dem ersten Pick im Draft fortgesetzt werden (einen weiteren hat man in der ersten und drei weitere in der zweiten Runde) und mit den zur Verfügung stehenden Salary-Cap-Überschüssen kann einerseits mit Leistungsträgern verlängert oder Talent in der Free Agency hinzugefügt werden.

Blickt man allerdings auf alles andere, so hätte nicht viel mehr schief laufen können. Die jüngste Entlassung von Vizepräsident und Geschäftsführer Sashi Brown war hier nur die Spitze des Eisbergs. Es war ein Zeichen, dass man den Plan, der die Browns-Fans über die historische Durststrecke hinwegsehen lassen sollte, so ziemlich über Board geworfen hat ("Wir haben Sashi darüber informiert, dass wir in eine neue Richtung gehen werden" - Team-Besitzer Jimmy Haslam).

Die Franchise-Quarterback-Frage ist in Cleveland weit von einer Lösung entfernt. Und das, obwohl man in der anstehenden Offseason zum dritten Mal in Folge einen 1st- oder 2nd-Overall-Pick zur Verfügung stehen haben wird. DeShone Kizers Spiel ist fehlerbehaftet, auch wenn das Scheme es ihm hierbei nicht einfach macht.

Das Thema Coaching ist ein weiteres stark diskutiertes. Eine Bilanz von 1-28 in zwei Jahren kommt nicht alleine vom mangelnden Talent des Kaders. Hue Jacksons Ruf ist nicht alleine wegen des unangepassten Schemes für seinen Quarterback, sondern auch wegen seines Umgangs mit Kizer inmitten der Saison in Verruf geraten.

Was bleibt in dieser Saison? Ganz wie in der letzten Saison, als die Browns ebenfalls lange ohne einen Sieg da standen, gilt es allein aus moralischer Sicht, noch zumindest einmal zu gewinnen. Im Rahmen des Plans in Cleveland laufen die jungen Spieler Gefahr, das Verlieren zu "akzeptieren". Die andauernden Rückschläge, all die Trainingsstunden ohne eine Belohnung kommen nicht ohne einen Preis. Nicht ohne Grund sind beim Sieg im letzten Jahr Tränen der Erleichterung geflossen. Anders als die strategische Seite, ist es auf der der Spieler enorm wichtig, keine 0-16-Saison hinzulegen.

Wie geht es weiter? Wann? Wann genau ist ein Rebuild beendet, beziehungsweise wann kann man sich von der Strategie des geringen Investments in den Kader entfernen und den Schritt in die andere Richtung gehen? Zunächst steht nach der Saison die Frage an, ob man an Jackson als Coach festhalten will. Der neue Geschäftsführer John Dorsey soll Medienberichten zu Folge Interesse daran haben, einen "eigenen Trainer" zu installieren, einen der seine Ära prägen soll.

Möglicher erneuter Zwist scheint hier so vorprogrammiert, so oder so wird der Draft einen weiteren großen Teil der tragenden Stützen für die Zukunft darstellen. Ob der Kader dann schon kompetitiv genug ist, dass die Browns bereit dafür sind auch anderweitig in den Kader zu investieren, gilt es zu bezweifeln.

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