Magic Mariota und Manning-Misere

Von Adrian FrankeJan Höfling
17. September 201515:58
Rookie Marcus Mariota hatte ein historisches NFL-Debütgetty
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Marcus Mariota feierte ein historisches Bilderbuch-Debüt, während die Verletzungen weder Rang noch Namen kennen. Der Big Point der Woche geht an die Cowboys, der Katastrophen-Call im Gegenzug an die Giants. Außerdem: Die Manning-Brüder erleben einen bitteren Auftakt, Pacman Jones schießt über das Ziel hinaus und die Rams öffnen Seattles Super-Bowl-Wunde. SPOX lässt den ersten Spieltag Revue passieren.

Top der Woche: Marcus Mariota. Kann ein Rookie-Quarterback ein besseres Debüt haben? In der NFL soll man niemals nie sagen, bisher zumindest hat aber noch kein QB bei seinem Debüt vier Touchdown-Pässe in einer Halbzeit aufgelegt. Mariota gelang mal eben ein perfektes Passer Rating (158,3) und am Ende hatte er mehr Touchdowns als Incompletions.

Dass in der Partie seiner Tennessee Titans gegen die Tampa Bay Buccaneers (42:14) auf der anderen Seite ausgerechnet Jameis Winston, der im Draft direkt vor ihm an erster Stelle gezogen worden war, stand, setzte dem ganzen selbstverständlich noch die Krone auf. Blöd für Winston: Sieht man sich in der Zwischenzeit nicht im Super Bowl oder wechselt das Team, gibt es die Revanche erst 2019.

Verletzung(en) der Woche: Der erste Spieltag hat gleich zwei prominente Opfer gefordert: Ravens-OLB Terrell Suggs riss sich im Duell mit den Denver Broncos (13:19) die Achillessehne und wird somit den Rest der Saison verpassen. Der Verlust des 32-Jährigen wird den Ravens in zweierlei Hinsicht wehtun. Einmal fehlt, nachdem Pernell McPhee in der Offseason bereits ziehen gelassen wurde, ein weiterer Top-Pass-Rusher - hier aber ist Baltimore mit Courtney Upshaw, Elvis Dumervil und Albert McClellan nach wie vor solide aufgestellt.

Allerdings ist Suggs das Herz der Ravens-Defense und einen solchen Leader auf dem Platz zu ersetzen, ist eine Herkulesaufgabe. Gleiches gilt für den Versuch, Dez Bryants Ausfall aufzufangen. Der Cowboys-Receiver feierte zwar nach dem Last-Minute-Sieg über die Giants mit viel Adrenalin im Blut noch im Gang vor der Kabine mit seinen Teamkollegen, zuvor aber hatte er sich einen Knochen im Fuß gebrochen. Ohne Bryant auf dem Platz werden gegnerische Defenses noch stärkeren Fokus auf die Run-Defense legen und aggressiver in ihren Blitz-Packages werden.

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Nicht unerwähnt sollte allerdings darüber hinaus bleiben, dass die Suggs-Verletzung nicht die einzige im Broncos-Ravens-Spiel war: Schiedsrichter Gary Arthur prallte im ersten Viertel an der Seitenlinie mit einem Spieler zusammen und erlitt dabei einen Schlüsselbeinbruch. Arthur musste vom Feld gefahren werden - ist aber bestimmt gut krankenversichert.

One-Hit-Wonder der Woche: Dass Freud und Leid auch in der NFL eng beisammen liegen, bewies in Week 1 Johnny Football - und zwar auf eindrucksvolle Art und Weise. Nachdem Clevelands Quarterback Josh McCown nach einem Dropback inklusive anschließendem Sprint Richtung Endzone ordentlich abgeräumt wurde (Helicopter-Style!) und mit einer Gehirnerschütterung raus musste, kam der Auftritt Manziels.

Als gäbe es nichts Leichteres, übernahm der Backup der Browns das Kommando und führte sein Team mit einer unglaublichen Sicherheit sowie einem 54-Yard-Touchdown-Pass auf Travis Benjamin in die Endzone der New York Jets - und damit zur 7:0-Führung Clevelands.

Das Team aus dem Big Apple hatte jedoch so gar keine Lust auf die Show von Johnny Football und zerlegte den 22-Jährigen im Anschluss nach allen Regeln der Kunst. Manziel fraß nicht nur drei Sacks, sondern brachte nur 13 seiner 24 Versuche an den Mitspieler, ein Ball landete sogar in den Amen von New Yorks Marcus Williams. Zudem erzwangen die Jets zwei Fumbles von Manziel. Endstand: 31:10 Jets. Ouch!

Tweet der Woche: Der Thriller in St. Louis war wohl das Comeback der ersten Woche - sorry Cowboys. Mit dem Ausgang dürften wohl nur die wenigsten Fans gerechnet haben - und nicht nur die. Nachdem die Rams dank eines 37-Yard-Touchdown-Passes von Quarterback Nick Foles auf Lance Kendricks gegen den haushohen Favoriten tatsächlich noch die Overtime erzwingen konnten, ging es drunter und drüber.

Seattle ließ in der Verlängerung zwar nur ein Field Goal von Legatron Greg Zuerlein zu, der das Leder aus 37 Yards zwischen die Stangen knallte, konnte aber trotz eigenen Ballbesitzes und Marshawn Lynch die Blamage zum Auftakt nicht mehr verhindern. Klar, dass im Anschluss die Social-Media-Kanäle nahezu explodierten. Die Vorlage zum Tweet der Woche lieferte jedoch jemand, auf den der geneigte User auf Anhieb wohl nicht kommen würde: Russell Wilson.

Der Quarterback der Seahawks lehnte sich vor dem Spiel schon mal aus dem Fenster und prophezeite mit den Worten "1-0 #GoHawks" den Auftaktsieg des Teams von Head Coach Pete Carroll. Was sollte schon schiefgehen? Diese Steilvorlage ließen sich die Rams natürlich nicht entgehen und legten nach sechs Sacks auf dem Feld noch einen via Twitter nach: Bitte nicht löschen, DangeRuss. Tja, wer den Schaden hat...

Big Point der Woche: Der Sieg der Cowboys gegen die Giants, und das aus mehrerlei Hinsicht. Zunächst einmal steht Dallas jetzt als einziges Team aus der NFC East mit einem Sieg da und hat so prompt Kapital aus der überraschenden Eagles-Pleite geschlagen, ehe das direkte Duell mit Philadelphia ansteht.

Darüber hinaus sollte der Sieg auch aus moralischer Sicht etwas bewirken: Dallas gewann das Spiel ohne Dez Bryant auf dem Feld und ohne ein konstantes Running Game. Tony Romo ist fit und kann die Offense tragen, wenngleich das nicht der erste Plan sein sollte. Dass die Giants den Cowboys dabei enorm unter die Arme griffen, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen - doch dazu später mehr.

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Seite 2: Das Giants-Debakel und Mannings Karriereende

Flop der Woche: Andrew Luck. Was wurde über die Colts-Offense nicht alles geschrieben. Es sollte, beflügelt durch die Neuzugänge Andre Johnson und Frank Gore, die womöglich beste Offensive aller Zeiten werden. Gegen eine gnadenlose Bills-Defense landete Indy erst mal wieder auf dem Boden der Tatsachen. Luck leistete sich zwei Picks und steht hier stellvertretend für eine enttäuschende, schlecht ausbalancierte Offense - Gore führte die Running Backs mit acht Versuchen für 31 Yards an.

Luck war nicht in der Lage, sein Team im Spiel zu halten - was den Kritikern, die ihn noch nicht im Elite-Status sehen, neue Nahrung gab. Seine beiden TD-Pässe kamen erst, als Buffalo schon deutlich führte. Knapp dahinter: Der von vielen Experten so gelobte Derek Carr, der gegen Cincinnati kurz vor dem Ende der ersten Hälfte mit einer Handverletzung raus musste. Carr verzeichnete bei zwölf Versuchen sieben Completions für lediglich 61 Yards.

Dümmster Playcall der Woche: Hier muss man nicht lange suchen. Die Giants führten mit 23:20 in Dallas, 1:40 Minuten vor dem Ende, die Cowboys ohne übrige Timeouts. Doch anstatt bei Third and Goal einen Laufspielzug zu wählen und so in jedem Fall die Uhr weiter laufen zu lassen, sofern es keinen Touchdown gibt, wählten die Giants einen Play-Action-Pass - und Manning warf den Ball unter Druck weg, anstatt wenigstens noch den Sack einzustecken.

Das schenkte den Cowboys 40 Sekunden, die ihnen am Ende den Last-Minute-Sieg ermöglichten. Es war zudem nicht der einzige Bock, den die G-Men bei ihrem vorentscheidenden Drive schossen. So startete Manning knapp vier Minuten vor dem Ende einen Spielzug, obwohl noch 17 Sekunden auf der Play Clock waren und ließ hier weitere wertvolle Zeit auf der Uhr.

Week 1 im Roundup: Mariota düpiert Winston - Seattle stolpert

Doch damit nicht genug: Kurz vor dem verhängnisvollen Play-Action-Pass-Versuch sagte Manning Running Back Rashad Jennings, dass er nicht in die Endzone laufen solle - selbst wenn er die Chance hätte, damit die Uhr weiterläuft. Dabei hätte ein Touchdown das Spiel entschieden und Dallas konnte die Uhr ohnehin noch zu oft anhalten. "Ich glaube, Eli war verwirrt was die verbleibenden Timeouts anging. Er dachte, Dallas hätte nur noch ein Timeout und wollte die Uhr runter laufen lassen, obwohl sie noch zwei hatten", bestätigte Coach Tom Coughlin. Alles in allem eine mehr als peinliche Situation für Manning Junior und die Giants.

Ausraster der Woche: Klare Sache: Pacman Jones. Im zweiten Viertel der Partie seiner Bengals gegen die Oakland Raiders gingen mit dem Defensive Back die Nerven durch. Jones, nach einem Spielzug über Raiders-Rookie-WR Amari Cooper kniend, schob Coopers Helm zur Seite und knallte dann den Kopf des Rookies auf eben jenen Helm. "Ich will einfach Football spielen und schrecke vor niemandem zurück", erklärte der 31-Jährige anschließend bei ESPN. Aha. Ja gut.

SPOX meint allerdings: Mit Football hatte das wenig zu tun. Doch umso beeindruckender war Coopers ruhige Reaktion: "Es ist ein physisches Spiel, deshalb musst du auch mit so etwas rechnen." Man könnte glatt den Rookie und den Routinier verwechseln...

Zitat der Woche: "Es ist Fourth Down, und wem sonst sollten sie den Ball denn geben? Ich denke, sie wissen inzwischen, was passiert, wenn sie Lynch in so einer Situation den Ball nicht geben. Deshalb wussten wir, was passieren würde." Rams-DT Michael Brockers gewährte im St. Louis Post-Dispatch Einblicke den entscheidenden Fourth-Down-Stopp gegen die Seahawks - nicht ohne die Wunde des berüchtigten Plays aus dem vergangenen Super Bowl nochmals zu öffnen...

Unmittelbar vor dem Karriereende... steht selbstverständlich Peyton Manning. Nicht wenige glauben, dass es sich eher um Wochen, als um Monate handeln könnte, ehe der zukünftige Hall-of-Famer sein letztes NFL-Spiel macht. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass Mannings bereits in der Preseason sichtbare Probleme auch gegen Baltimore auftraten. Arm- und damit Wurfstärke sind große Fragezeichen, Manning gelang keine Completion von über 20 Yards. Mehr "Schwung" in den Pässen war zuvor vollmundig angekündigt worden. Zu sehen war davon nichts.

Gegen eine knallharte Ravens-Defense steckte Manning zudem einige Sacks ein - gleichzeitig darf aber auch das Playcalling hinterfragt werden. Die Broncos, die unter Gary Kubiak monatelang eine ausbalancierte Offense und stärkeren Fokus auf das Running Game gepredigt haben, ließen Manning in der ersten Hälfte bereits 25 (!) Pässe werfen.

Insgesamt 40 waren es am Ende, das kann im Vorfeld niemals der Game Plan gewesen sein. Und dennoch: Setzt sich der Trend bei Manning fort, werden früher oder später, so verrückt das zunächst klingt, Stimmen lauter, die Brock Osweiler eine Chance geben wollen. Bis dahin darf Manning aber weiter ran. Die nächsten Gegner? Kansas City und Detroit, beides auswärts. Na viel Spaß dabei.

(Was wir nicht ganz verschweigen wollen: Schon 2012 wurde dem Touchdown-Rekordjäger der Rücktritt nahegelegt. Es folgten ein MVP-Award (einmal Zweiter), eine Super-Bowl-Teilnahme und 131 Touchdowns in drei Jahren. Vielleicht... versteht der Mann sein Handwerk ja doch.)

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