NBA

"Dallas macht einen starken Eindruck"

Von Florian Regelmann
Chicago Bulls vs. Dallas Mavericks: Wer einen ganz gewagten Finals-Tipp abgeben will...
© Getty

Der NBA-Saisonstart rückt immer näher - höchste Zeit, die Situation bei den Dallas Mavericks zu beleuchten. Wer könnte sich zum Sidekick von Dirk Nowitzki mausern? Warum muss man sich um Rodrigue Beaubois Sorgen machen? Welcher Rookie gibt Anlass zur Hoffnung? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Mavs.

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Wie geht es Rodrigue Beaubois?

Gleich zu Beginn die wichtigste Frage. Der 22-jährige Franzose ist nach seiner beeindruckenden Rookie-Saison ein absoluter Schlüsselspieler für die Mavericks. Explosiver erster Schritt, starker Finisher, kann auch Dreier werfen - es ist klar, was von Roddy erwartet wird. Er soll den nächsten Schritt zum Star machen. Er soll neben Jason Kidd im Backcourt in der Starting Five stehen. Er soll Dallas besser machen. Aber: Er ist verletzt. Nach wie vor.

Nachdem sich Beaubois im Sommer in der WM-Vorbereitung der französischen Nationalmannschaft einen Mittelfußbruch zugezogen hatte und im August operiert worden war, machte seine Genesung lange gute Fortschritte.

Bis zuletzt die Nachricht aus Dallas kam, dass Beaubois wieder einen Spezialschuh tragen muss. Nachdem er diesen zuvor bereits abgelegt und erste, leichte Laufeinheiten absolviert hatte. Ein klarer Rückschlag, auch wenn es die Mavs als Vorsichtsmaßnahme abtun.

"Wir wollen einfach überhaupt kein Risiko eingehen. Wir werden uns die Zeit nehmen, die es braucht und Woche für Woche schauen, wie es sich entwickelt. Das Wichtigste ist, dass ich für die Regular Season bereit bin", sagte Beaubois.

Genau das wird er aber aller Voraussicht nach nicht sein. Bis Beaubois wieder vollkommen fit und vor allem in der nötigen körperlichen Verfassung ist, wird noch einige Zeit vergehen. Das komplette Training-Camp zu verpassen, ist für jeden Spieler problematisch. Für einen Spieler, der erst in seinem zweiten Jahr ist und noch jede Menge lernen muss - Stichwort Point-Guard-Skills - ganz besonders.

Wie gut ist Rookie Dominique Jones?

Gerade aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Mavs zu Beginn ohne Beaubois auskommen müssen, rückt Jones in den Fokus. Kurzer Rückblick: Dallas ging lediglich mit dem 50. Pick in den Draft und hätte so nie eine Chance auf Jones gehabt.

Aber dann entschied sich Besitzer Mark Cuban nicht zum ersten Mal in seinem Leben, den Geldbeutel aus der Hosentasche zu holen und erkaufte sich für drei Millionen Dollar schlicht und ergreifend den 25. Pick in Runde eins. Einen Pick, mit dem sich Dallas Jones sicherte.

Einen Shooting Guard von der Universität aus South Florida, einen echten Slasher, der vor allem für eines bekannt ist: seinen unfassbaren Zug zum Korb. Jones' große Stärke ist seine ungeheure Dynamik, mit der er immer wieder völlig furchtlos in die Zone penetriert und dort entweder seine Finisher-Qualitäten ausspielt oder Fouls zieht. Jones lebt quasi an der Freiwurflinie.

Und nach den Eindrücken der Preseason muss man feststellen: Es deutet vieles darauf hin, dass die Mavs einen guten Fang gemacht haben. Dass sie vor allem einen Spieler gedraftet haben, der ihnen nicht erst in einigen Jahren weiterhelfen kann. Sondern sofort.

Jones hat einen NBA-Body, er ist ein guter Verteidiger - und er hat schon bewiesen, dass er auch gegen NBA-Defenses sein Spiel durchziehen kann. Beim Vorbereitungsspiel bei den Chicago Bulls stand er beispielsweise 15 Mal an der Freiwurflinie.

Allerdings traf er davon nur neun Versuche. Genau das ist Jones' Problem in der Vorbereitung: Er kommt zum Korb, verlegt aber noch viel zu viele Layups. "In der NBA hast du es mit größeren Gegenspielern zu tun, die die Lücken schneller schließen. Ich habe meine ganze Karriere über Layups und Freiwürfe getroffen, damit habe ich aktuell so meine Schwierigkeiten", gibt Jones zu.

Der 22-Jährige muss sich noch an die NBA gewöhnen und er muss sich vor allem einen anständigen Jumpshot aus der Mitteldistanz zulegen. Denn es wird nicht lange dauern, bis sich seine Fähigkeiten in der Liga herumgesprochen haben und viele Teams ihn "soft" verteidigen und zum Schuss zwingen werden.

Wie wird die Rotation der Mavericks aussehen?

Bevor Dallas am 27. Oktober mit einem Heimspiel gegen die Charlotte Bobcats in die Saison startet, stehen noch zwei Vorbereitungsspiele gegen Orlando und Houston auf dem Programm.

Zwei letzte Gelegenheiten für Coach Rick Carlisle, um noch einmal verschiedene Kombinationen zu testen. Trotz der Carlisle'schen Unberechenbarkeit scheint aber schon jetzt klar, wie der Plan ist. Beim Preseason-Sieg bei den Bulls zeichnete sich eine 9-Mann-Rotation ab.

Die Starting Five: Jason Kidd, Jason Terry, Caron Butler, Dirk Nowitzki, Tyson Chandler. Und vier Bankspieler: J.J. Barea, Dominique Jones, Shawn Marion und Brendan Haywood. Terry soll solange in die Startformation rücken, bis Beaubois zurückkommt.

Marion muss sich zum ersten Mal in seiner Karriere mit einer Bankrolle anfreunden. Rookie Jones hat sich Spielanteile verdient. Einziges Fragezeichen ist die Center-Position: Chandler und Haywood werden sich die Minuten ziemlich gleich aufteilen, aber wer startet?

Eigentlich war davon auszugehen, dass Haywood (neuer Sechsjahresvertrag über 55 Millionen Dollar im Sommer) startet, aber Chandler machte im Camp den besseren Eindruck und könnte sich dadurch den Starting-Job gesichert haben.

Da die Mavs über die vielleicht tiefste Bank der gesamten NBA verfügen und es ein absolutes Muss ist, die Regular-Season-Minuten von Nowitzki und Kidd zu reduzieren, läuft nach Beaubois' Comeback alles auf eine bis zu zehn Mann tiefe Rotation hinaus.

DeShawn Stevenson, Ian Mahinmi und Alexis Ajinca sind als Nummer 11, 12 und 13 fest im Kader. Um den 14. Platz streiten sich aktuell Brian Cardinal (Trainereinschätzung: Eduardo Najera mit einem Jumpshot) und Steve Novak (Typ: Scharfschütze). Da sich beide durch ihre Leistungen für einen Kaderplatz angeboten haben, ist aber auch möglich, dass die Mavs das Maximum ausreizen und beide behalten.

Wo ist Dirk Nowitzkis Sidekick?

LeBron James? Ähm, nein. Dwyane Wade? Ähm, nein. Na dann wenigstens Joe Johnson? Ähm, auch nicht. Alle Mavs-Fans, die in der Offseason auf einen Superstar-Neuzugang gehofft hatten, wurden bitter enttäuscht.

Tyson Chandler ersetzt Erick Dampier, sonst hat sich in Dallas nichts geändert. Nun ist es durchaus vorstellbar, dass sich die Chandler-Verpflichtung noch als starker Move herausstellen könnte. Sehr gut vorstellbar sogar.

Chandler ist ein deutliches Upgrade gegenüber dem unbeweglichen Dampier. Wenn er zu der Form zurückfindet, in der er vor seinen Verletzungsproblemem auch mal mit New Orleans den Mavs in den Playoffs sehr weh tat, wird er mit Haywood ein starkes Twin-Tower-Duo bilden. Aber das ändert selbstredend nichts an der Tatsache, dass die Offseason der Mavs niemanden begeistern konnte. Sie war mit einem Wort: todlangweilig.

Wieder bekam Nowitzki keinen Sidekick an seine Seite gestellt. Die Mavs mögen noch so tief besetzt sein, aber es ist unerlässlich, dass ein Spieler sich als Go-to-Guy neben Nowitzki etabliert. Und der am besten geeignete Kandidat heißt Caron Butler.

Der ehemalige All-Star war schon in der Playoff-Serie gegen San Antonio ein Lichtblick und ist entschlossen, die beste Saison seiner Karriere zu spielen. Butler hat im Sommer fünf Kilo abgenommen und befindet sich in der besten Verfassung seines Lebens. Seine Motivation könnte zudem nicht höher sein, Butler hat das letzte Jahr seines Vertrags vor sich. Er muss was zeigen.

"Wenn Caron eine gute Mischung in seinem Spiel hat, macht das einen riesigen Unterschied. Wir wissen alle, dass ich ein Jumpshooter bin und wenn wir beide nur noch Sprungwürfe nehmen, ist das nicht gut. Wenn wir beide gut mischen, sind wir am besten", erklärte Nowitzki die Bedeutung Butlers.

Wo stehen die Mavs realistisch gesehen im Westen?

Die Kräfteverhältnisse in der Western Conference sind vor der neuen Saison denkbar einfach zu beschreiben. An der Spitze stehen die Los Angeles Lakers, danach gibt es mehrere Teams auf einem Level. Oklahoma City, San Antonio, Utah, Houston - und sicher auch Dallas.

"Die Lakers sind wieder die großen Favoriten. Aber danach müssen wir uns vor niemandem verstecken", sagt auch Nowitzki. Das grundsätzliche Problem der Mavs ist nicht das Talent in der Mannschaft. Das Problem ist, dass Dallas in vier der letzten fünf Jahren in den Playoffs in der ersten Runde ausgeschieden ist.

Da können die Mavs noch so viele 50-Siege-Saisons aneinanderreihen, das Loser-Image bleibt. Zumal sich das Zeitfenster für die aktuelle, alte Mavs-Mannschaft immer mehr schließt.

Dallas hat keine Zeit zu warten. Dallas muss jetzt gewinnen. Man muss kein besonders guter Prophet sein, um vorauszusagen, dass Nowitzki und Co. eine starke Regular Season spielen werden. 17 der ersten 26 Spiele finden im heimischen American Airlines Center statt. Dallas wird von Beginn an alles daran setzen, die relativ schlechte Heimbilanz (28-13) aus der letzten Saison zu verbessern.

Die Wahrheit wird aber wie immer erst in der Postseason ans Licht kommen. Ob die Mavs die nächste Playoff-Enttäuschung vermeiden werden? Aus heutiger Sicht schlicht nicht zu beurteilen. Möglich ist es. Wenn Nowitzki wie Nowitzki spielt, wenn Kidd ausgeruhter ist, wenn Butler sein Spiel auf ein neues Level hebt, wenn Beaubois' Entwicklung weitergeht, wenn das Center-Duo funktioniert, wenn Terry wieder zum besten sechsten Mann der Liga wird, wenn Marion seine Bankrolle lieben lernt. Aber ist es wahrscheinlich? Gefühlsmäßig eher nicht.

Die Konkurrenz hat Dallas aber auf jeden Fall auf dem Zettel. Lakers-Star Ron Artest nannte die Mavs als eines der ersten Teams, die dem Champion gefährlich werden können. Artests Einschätzung: "Dallas macht einen starken Eindruck."

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