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NBA Playoffs - Boston Celtics retten sich in Spiel 7 gegen Miami Heat: Vom lieben Gott erhört

Von Robert Arndt
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© getty

Die Boston Celtics sind drauf und dran, NBA-Geschichte zu schreiben. In Spiel 6 kollabieren die Celtics in typischer Art und Weise - und werden dank Derrick White gegen die Miami Heat doch noch vom Glück geküsst.

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Jayson Tatum ist nicht gerade für seine besonders inspirierenden Pressekonferenzen bekannt, aber nach dieser Achterbahnfahrt zeigte auch der Superstar der Celtics echte Emotionen. "Oh mein Gott, das war unglaublich", seufzte der Forward und vergrub dabei seine Hände im Gesicht. Es fiel einiges von den Celtics ab, denen in Miami die Saison (mal wieder) aus den Fingern zu gleiten schien.

Heat vs. Celtics: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
118. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat116:123
220. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat105:111
322. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics128:102
424. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics99:116
526. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat110:97
628. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics103:104
730. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat
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© getty

Es war eigentlich das perfekte Skript für die Heat und es war absolut Celtics-like, wie sich die Partie im vierten Viertel entwickelte - bis eben Derrick White mit seinem Buzzerbeater alles zur Seite wischte und Boston nun doch noch die Chance gab, als erstes Team der NBA-Geschichte ein 0-3 noch umzubiegen.

10 Sekunden dauerte die Review der Referees, um zu überprüfen, ob White den Wurf rechtzeitig loswurde. Es waren die längsten 10 Sekunden der Celtics-Saison, bevor vor allem eines vorherrschte: Erleichterung.

Boston verspielte eine zweistellige Führung in der Crunchtime, Jimmy Butler schaltete aus dem Nichts in den God Mode und Rollenspieler wie Duncan Robinson, Caleb Martin oder Gabe Vincent hatten Phasen, in denen sie scheinbar nicht daneben werfen konnten. Es schien, als könne Boston die Fragen nicht beantworten, welche sich viele Experten vor dieser Partie stellten.

  • Können die Celtics auch ein Spiel gewinnen, wenn sie von draußen nicht alles treffen?
  • Können die Celtics auch ein enges Spiel gewinnen?
  • Wird man Jimmy Butler erneut kontrollieren können?
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© getty

Boston Celtics: Vom lieben Gott erhört

Drei Sekunden vor dem Ende konnte all dies verneint werden, das Aus drohte. "Ich hatte gar keine Zeit darüber nachzudenken", meinte Tatum, aber wirklich abnehmen wollte ihm das niemand. Jaylen Brown war da schon ehrlicher: "Ich habe nur noch zum lieben Gott gebetet", sagte Tatums Co-Star, dessen Stoßgebete erhört wurden. Dabei meinte es der basketballaffine Mann im Himmel in den Stunden zuvor (160 Minuten Spielzeit für ein Spiel ohne Overtime sind unerhört) nur bedingt gut mit den Gästen.

Boston war die bessere Mannschaft, schaffte es aber vor allem in den ersten drei Vierteln nicht, für klare Verhältnisse zu sorgen. Auch weil die Rollenspieler der Heat von Downtown ablieferten - wenn auch mit gütiger Hilfe der Celtics, die immer wieder in Blöcken hängen blieben und schlechte Closeouts liefen.

Und dann waren da diese letzten vier Minuten, als Boston mal wieder komplett den Faden verlor und im Schnelldurchgang eine zweistellige Führung verspielte. Miami stellte auf Zonenverteidigung um (darauf haben die Celtics weiter keine Antwort), forcierte Fehlwürfe und schloss dank Butler selbst schnell ab. Es war beinahe eine Kopie von Spiel 7 aus dem Vorjahr, als Boston an selber Stelle ebenfalls eine fast sichere Führung beinahe aus der Hand gab und letztlich mit mehr Glück als Verstand triumphierte.

"Wir sind einfach nur froh, dass wir gewonnen", meinte auch White. "Es ist völlig egal, was hier heute passiert ist." Und das zu erklären, ist keine leichte Sache. Coach Joe Mazzulla versuchte es mal mit den letzten Minuten: "Das waren Backsteine. Sie haben Zone gespielt und damit unseren Rhythmus gebrochen. Wir hatten zwar gute Würfe, konnten aber einfach nicht treffen."

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© getty

Boston Celtics: Gelingt nun Historisches in den Playoffs?

Eine recht eigene Meinung, da die Celtics wie so oft bei einer Führung das Tempo verschleppten, spät in der Uhr wenig optimale Würfe nahmen und dafür in Transition bestraft wurden. Und hätte Duncan Robinson, der beste Schütze der Heat, in den letzten 90 Sekunden auch nur einen seiner beiden völlig offenen Dreier versenkt, hätte die fette Lady wohl bereits gesungen.

Man muss nur auf den Boxscore schauen und sich fragen, wie um alles in der Welt die Celtics dieses Spiel gewinnen konnten. "Es ist unglaublich. So ein Spiel habe ich noch nie erlebt", befand Al Horford, fast 37 Jahre jung, mit der Erfahrung von 166 Playoff-Spielen auf dem Buckel.

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© SPOX

Miami nahm 15 Würfe mehr, traf sieben Dreier mehr, schoss fast 47 Prozent von Downtown, leistete sich nur 5 Ballverluste - und scheiterte letztlich an seiner Unfähigkeit, am Ring abzuschließen (14/36 FG direkt am Ring). Zeitweise hielt Boston Miami bei 23 Prozent aus dem Zweierbereich, am Ende waren es knapp 30 Prozent - weiter einfach nur unterirdisch und letztlich die Zahl, welche es Boston erlaubte, doch noch eine Chance zu haben.

Die Celtics gewannen damit ihr fünftes Elimination Game am Stück, zuletzt schafften nur die Denver Nuggets in der Bubble (6) mehr. Stattdessen bekommen wir tatsächlich noch einen Epilog dieser schon jetzt historischen Serie.

Als erstes viertes Team haben die Celtics ein Spiel 7 nach 0-3-Rückstand erreicht, letztmals gelang dies den Portland Trail Blazers im Jahr 2003 gegen die Dallas Mavericks.

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Boston Celtics: Endlich den Kampf angenommen

Und wenn es einen Team zuzutrauen ist, diese Serie zu brechen, dann diese Boston Celtics. Nach Spiel 3 sprachen wir von einer zu tiefen Grube, welche sich Boston geschaufelt hat. Drei Spiele später sind die Celtics noch immer am Klettern, obwohl sie in dieser Nacht beinahe endgültig abgerutscht und heruntergeplumpst wären.

Und auch wenn dies heute Nacht eher K(r)ampf als Glanz war, kann und muss man aus Celtics-Sicht positive Dinge mitnehmen. Ja, die Offense lief nicht rund, doch Boston gewann diese Partie nach dem alten Rezept aus dem Vorjahr. Es wird verteidigt, der Ball läuft besser und - es ist erstaunlich, dass man dies schreiben kann - Boston spielt nun seit einiger Zeit mit zumindest dem gleichen Willen, der gleichen Galligkeit wie das, Zitat Erik Spoelstra, "knorrige" Heat-Team.

Auch Spiel 6 war ein Sieg des Willens, nicht des schieren Talents. Das mögen Phrasen sein, diese treffen auf die Celtics der vergangenen drei Spiele aber definitiv zu. Wir sind in einer Phase angelangt, an dem das "Wie" nicht mehr entscheidend ist. Und das scheinen die Boston Celtics endlich verstanden zu haben.

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