Die Miami Heat sind nach vier teils enttäuschenden Spielen bereits aus den Playoffs ausgeschieden. Der Vorjahresfinalist war gegen die Milwaukee Bucks komplett chancenlos, es dürfte einen großen personellen Umbruch geben. Auch bei Jimmy Butler könnte es eine richtungsweisende Entscheidung geben.
1. Wieso konnten die Heat den Erfolg der Bubble nicht wiederholen?
Einfach heruntergebrochen waren die Heat ein schlechteres und Milwaukee ein besseres Team als im Vorjahr, das sah auch Coach Erik Spoelstra so: "Sie waren in der Regular Season die bessere Mannschaft und haben das in den vier Spielen eindrucksvoll unterstrichen", zog Spo ein aus Heat-Sicht ernüchterndes Fazit.
Mit Jae Crowder hatten die Heat einen deutlich besseren Verteidiger für Giannis Antetokounmpo, als es Trevor Ariza sein konnte, doch auch Crowder fehlte das eine oder andere Kilo - er war mit seiner Aufgabe schlichtweg überfordert. Darüber hinaus fast versenkte er fünf Dreier pro Spiel bei 43,4 Prozent (Ariza: 1,4 3PM, 29 Prozent).
Das Hauptproblem für Miami war aber das Scoring. In den ersten drei Partien schaffte es das Team von Coach Erik Spoelstra nicht, 100 Punkte in der regulären Spielzeit zu knacken, so lässt sich in der heutigen NBA keine Playoff-Serie gewinnen. Selbst Jimmy Butler, der von Antetokounmpo abgemeldet wurde, und Bam Adebayo waren offensiv in Phasen Totalausfälle, was so mit Sicherheit nicht eingeplant war. Gerade auf den Guard-Positionen fehlte ein Akteur, der ständig Druck auf den Ring mit seinen Drives zum Korb ausüben konnte.
Im Vorjahr übernahm diese Rolle neben Butler Goran Dragic, der nun aber mit 35 Jahren und einer recht schweren Verletzung in den Finals wieder etwas an Dynamik eingebüßt hat und nicht mehr die Minutenlast schultern konnte. Miamis Spiel fußte auf Drives, auf Kick-Outs in die Ecken oder Handoffs von Adebayo, ersteres gelang nicht mehr so gut wie noch in der Bubble, wo Miami auch seine Turnover-Problematik besser im Griff hatte.
Die Heat wussten von diesem Problem, deswegen versuchten sie zur Deadline mit Kyle Lowry auf der Spielmacher-Position nachzubessern - ein Trade scheiterte jedoch. Gleiches gilt für das Experiment mit Victor Oladipo, der nur vier Spiele machte, bevor er seine Saison wegen einer Knie-OP für beendet erklärte.
Es gab Sieges-, es gab Pleiten-Serien, konstant war aber nur die fehlende Konstanz. Dass viele eine enge Serie zwischen Milwaukee und Miami vorhersagten, lag einzig und allein an der Vergangenheit und an den Zweifeln an den Bucks, die Disparität beim Talent war letztlich viel zu groß.
Bucks vs. Heat: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 22. Mai | 20 Uhr | Bucks | Heat | 109:107 OT |
2 | 25. Mai | 1.30 Uhr | Bucks | Heat | 132:98 |
3 | 28. Mai | 1.30 Uhr | Heat | Bucks | 84:113 |
4 | 30. Mai | 19.30 Uhr | Heat | Bucks | 103:120 |
2. Können Butler und Adebayo der Kern eines Contenders sein?
Beide Stars rissen keine Bäume gegen die Bucks aus, dennoch zählt dieses Duo weiter zu den Besten der NBA, insbesondere wenn es um die in den Playoffs essentiellen Two-Way-Qualitäten geht. Allerdings gibt es gewisse Parameter zu beachten, erst recht wenn Butler weiter nur um die 30 Prozent aus dem Feld (!!!) trifft.
Und genau hier kommt Adebayo ins Spiel, der beim Scoring einen Schritt nach vorne machen muss. In der Regular Season gab es vielversprechende Ansätze, der Center verbesserte sich gerade aus der Mitteldistanz enorm. Gegen die Bucks war genau dieser Wurf immer für den 23-Jährigen verfügbar, doch bestrafen konnte er die Defense dafür nicht (3/10 in der Serie).
Stattdessen versenkte Adebayo nicht einmal die Hälfte seiner Versuche aus dem Feld. Auf lange Sicht kann hier eine Verbesserung erwartet werden, gleiches gilt für die Grundlagen im Post, um kleinere Gegenspieler konsequent zu bestrafen. Durch seine Handoff-Qualitäten wird der 23-Jährige immer wieder Mismatches kreieren können, genau solche Dinge wurden gegen Milwaukee schmerzlich vermisst.
Gelingt das nicht, braucht Miami drei gute Offensivspieler um seine beiden Stars, die das Spacing nicht noch weiter beeinträchtigen, ansonsten werden die Heat auf dem höchsten Niveau weiter Schwierigkeiten haben, konstant Punkte zu erzielen. Erst recht, wenn Butler, wie gegen Milwaukee gesehen, in seinen Kreisen eingeschränkt werden kann.
Während der regulären Saison war Butler noch einer der besten Forwards der NBA, selbst ein Platz im All-Second-Team sollte nicht ausgeschlossen werden. Der 31-Jährige könnte seinen Vertrag im Sommer vorzeitig verlängern, maximal wären das über 180 Millionen Dollar über vier weitere Jahre bis 2026. Dann wäre der Forward 36 Jahre alt. Druck das zu tun, hat Miami aber zunächst keinen, schließlich läuft Butlers aktueller Vertrag noch bis 2023, auch wenn er eine Spieler-Option für das letzte Jahr hält.
Adebayo ist dagegen bereits bis 2026 an Miami gebunden, sein Maximalvertrag über 163 Millionen beginnt mit der kommenden Spielzeit. Und so werden die Heat mit dem Butler/Adebayo-Kern planen und den bestmöglichen Supporting Cast suchen. Dass ein tiefer Run möglich ist, zeigte die Bubble, allerdings gibt es eine Einschränkung: Der Osten ist auch nicht mehr so offen wie damals. Philadelphias Team steht, dazu scheinen auch Brooklyn und Milwaukee auf langfristige Sicht unter den ersten vier Mannschaften in der Eastern Conference gesetzt.
3. Hätte Miami Tyler Herro traden sollen?
Der Hype um Herro war nach der Bubble gigantisch, in Miami sahen einige im 20-Jährigen den nächsten Dwyane Wade. Vor allem die Serie gegen Boston mit den 37 Punkten in Spiel 4 nährte diese Hoffnung. Auch die Heat schienen sehr überzeugt vom Guard, vermutlich scheiterte der Lowry-Trade auch, weil Miami Herro nicht abgeben wollte. Und auch im Dezember machte Miami klar, dass Herro in einem möglichen Trade für James Harden unantastbar sei.
Die Saison sowie die Playoffs liefen hingegen enttäuschend, manche sprechen von einem "Sophomore Slump". Fakt ist, dass Herro in Disney World von heißem Shooting profitierte. In der Serie mit Milwaukee, zugegeben ein Team, das so wenig wie möglich am Ring abgibt, nahm Herro überhaupt nur fünf Versuche in der Restricted Area.
In Verbindung mit seinen defensiven Defiziten und gerade einmal sieben Assists in vier Spielen war das einfach nicht genug, um ein gewinnbringender Teil einer Playoff-Rotation zu sein. Aus dieser Sicht muss obige These bejaht werden, wenn als Gegenwert tatsächlich ein Lowry an den South Beach gekommen wäre. Ob Miami dann eine Chance gehabt hätte, ist hypothetisch und steht auf einem anderen Blatt, erst recht wenn man bedenkt, dass die Sixers, Nets und Bucks scheinbar in ihrer eigenen Liga spielen.
Langfristig gesehen könnte es aber richtig gewesen sein, an Herro festzuhalten. Die Heat spielten bis in den Oktober, hatten kaum Urlaub, wurden von Corona geplagt - all das sind Faktoren, die eine Entwicklung beeinflussen können. Natürlich hätte man mit einem Trade zur Hochzeit seines Wertes, also in der Offseason, einen guten Gegenwert erzielen können, aber die Heat sind auch bekannt dafür, geduldig eigenes Personal zu entwickeln. Das betonte auch Riley vor der Spielzeit.
Nun warten über drei Monate Offseason auf den Shooting Guard, genug Zeit an seinen Schwächen zu arbeiten, vor allem am Playmaking und an der eigenen Stärke, um in Zukunft besser in Ringnähe abschließen zu können.
Tyler Herro: Seine Statistiken für die Miami Heat
Wettbewerb | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds | Assists |
RS 19/20 | 55 | 27,4 | 13,5 | 42,8 | 38,9 | 4,1 | 2,2 |
Playoffs '20 | 21 | 33,6 | 16,0 | 43,3 | 37,5 | 5,1 | 3,7 |
RS 20/21 | 54 | 30,3 | 15,1 | 43,9 | 36,0 | 5,0 | 3,4 |
Playoffs '21 | 4 | 23,2 | 9,3 | 31,6 | 31,6 | 3,3 | 1,8 |
4. Kommt es nun zu einem Umbruch am South Beach?
Streng genommen begann dieser bereits, als Miami gefühlt das halbe Team austauschte. Kelly Olynyk, Meyers Leonard, Avery Bradley, Chris Silva, sie alle mussten Miami verlassen, auch wenn mit Ausnahme von Olynyk und mit Abstrichen Bradley keiner in der Rotation eine Rolle gespielt hätte.
Acht Spieler werden im Sommer Free Agent, dazu halten die Heat für Dragic (19,4 Mio.) und Andre Iguodala (15,0 Mio.) Team-Optionen, was der Franchise jede Menge Flexibilität und möglicherweise Cap Space von über 50 Millionen Dollar verschafft. Überhaupt haben gerade einmal fünf Spieler garantierte Verträge für die kommende Saison.
Duncan Robinson und Kendrick Nunn haben sich in den vergangenen beiden Jahren festgespielt, gerade Robinson ist mit seinem Shooting eigentlich unverzichtbar für das System der Heat. Der 27-Jährige ist Restricted Free Agent, Miami kontrolliert also seine Zukunft und kann jedes Angebot mitgehen, wenn das erwünscht ist.
Adrian Wojnarowski (ESPN) spekulierte vor einigen Wochen, dass dem früheren Division-III-Spieler Beträge von über 20 Millionen Dollar jährlich winken, Geld, welches Miami möglicherweise im Kampf um die besten Free Agents fehlen könnte. Auch Nunn (ebenfalls RFA) wird Angebote bekommen, seinen Abgang könnte Miami dagegen verschmerzen.
Interessant dürfte dagegen die Situation rund um Oladipo werden. Der Ex-Pacers-Star machte nie ein Geheimnis daraus, dass er gerne in Miami spielen wolle, nun absolvierte der werdende Free Agent nur vier Spiele für die Heat. Mit 29 Jahren wird Oladipo noch einen letzten großen Vertrag anvisieren, mit Blick auf seine zweite schwere Verletzung könnte sich der Shooting Guard in dieser Hinsicht verzockt haben.
Ira Winderman (Sun-Sentinel) schloss nicht aus, dass Oladipo an den South Beach zurückkehren könnte, dafür wird der frühere All-Star aber große finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Vieles hängt dabei vom Free-Agent-Markt ab, da Miami nach den zahlreichen Transaktionen kaum erst wieder 2024 einen Erstrundenpick verscherbeln kann und kaum noch Trademasse, also Spieler hat, sollte man die Optionen von Dragic und Igoudala nicht ziehen. Können die Heat niemanden überzeugen, ist es wahrscheinlich, dass Spieler wie Robinson, Oladipo, Dragic, Iguodala oder Ariza gehalten werden. Beißt jedoch ein Star an, könnte sich das Karussell in Miami schneller als gedacht drehen.
Miami Heat: Diese Spieler haben kommende Saison einen garantierten Vertrag
Spieler | Alter | Position | Gehalt (in Mio. Dollar) | Vertrag bis |
Jimmy Butler | 31 | Guard/Forward | 36,0 | 2023 |
Bam Adebayo | 23 | Center | 28,1 | 2026 |
Tyler Herro | 20 | Guard | 4,0 | 2023 |
Precious Achiuwa | 21 | Center | 2,7 | 2024 |
K.Z. Okpala | 21 | Forward | 1,8 | 2022 |
5. Können sich die Heat im Sommer einen weiteren Star angeln?
Ein Name hält sich in Miami hartnäckig und das ist der von Kyle Lowry. Der Raptors-Guard war schon im März gefühlt weg, doch weder Philadelphia noch die Lakers oder Miami konnten ein zufriedenstellendes Paket für die Raptors schnüren. Ab August fallen die Raptors aus dieser Gleichung heraus, dann ist Lowry mit 35 Jahren noch einmal Free Agent.
Ob er das Backcourt-Problem lösen kann, darf angezweifelt werden, Shooting und Toughness würde er aber bringen. Ebenfalls ein interessanter Name ist der von Spencer Dinwiddie, der bei den Brooklyn Nets fast die komplette Saison mit einem Kreuzbandriss verpasste. Ein guter Werfer ist er nicht, dafür aber ein bulliger Guard, der den Weg zum Korb sucht.
Als weitere Möglichkeiten können Chris Paul (Suns), Mike Conley (Jazz), Derrick Rose (Knicks), Lonzo Ball (Pelicans) oder Tim Hardaway Jr. (Mavericks) genannt werden.
Und dann ist da auch noch die große Lösung mit Kawhi Leonard. Vom Clippers-Star war bisher absolut nichts zu hören, theoretisch kann Leonard aber nach dieser Saison aus seinem Vertrag aussteigen. Sollten die Clippers in Runde eins gegen Dallas tatsächlich scheitern, könnte diese Möglichkeit ein Thema werden.
Wenn keiner dieser Spieler anbeißt, wird Miami vermutlich den Großteil des Kader zurückholen, um dann während der Saison einen Trade einzufädeln. Irgendwo wird immer ein Star unzufrieden sein, die Heat sind meistens auf solche Szenarien vorbereitet. Da jedoch erst wieder 2024 ein Erstrundenpick getradet werden kann, bedarf es einer gewissen Kreativität. An dieser hat es den Heat aber noch nie gemangelt.
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren



