Die Saison der Cleveland Cavaliers ist beendet - und nun beginnt ein Sommer voller Fragezeichen. Wie kann die Lücke zu den Golden State Warriors geschlossen werden - und wer trifft überhaupt die Entscheidungen? Welchen Spielraum hat Cleveland? Und was ist dran an den Spekulationen um LeBron James? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie groß ist der Graben zwischen Cleveland und Golden State?
Natürlich kann man sich in Cleveland noch lange darüber beschweren, dass Spiel 3 dank dem Dagger von Kevin Durant doch noch verloren ging, oder darüber, dass KD in Spiel 5 nicht das dritte Foul bekam, als er LeBron im zweiten Viertel beim Dunk offensichtlich foulte. Auch der frenetischste Cavs-Fan wird aber wohl zugeben, dass die Warriors in diesem Jahr das bessere Team waren.
Und zwar relativ deutlich. Die Cavaliers konnten zwar mithalten, solange LeBron auf dem Court stand, in den Minuten ohne ihn wurden sie indes regelmäßig filetiert. Und die enorme Last zehrte an James, was sich regelmäßig in den letzten Vierteln der Spiele zeigte. Dort waren er und auch Kyrie Irving zumeist sichtlich angeknockt, während Durant und Stephen Curry sich ihre Kräfte einteilen konnten.
Der gravierende Unterschied zwischen beiden Teams: Die Warriors hatten bekanntlich eine sensationelle Starting Five, sie hatten aber auch kompetente Two-Way-Player von der Bank, die von Spiel zu Spiel wichtige Rollen übernehmen konnten. Dubs-Coach Steve Kerr hatte den Luxus, dass er immer mindestens zwei All-NBA-Kaliber auf dem Court haben und seinen Stars Pausen geben konnte.
Bei den Cavs sah das anders aus - Cleveland verfügt abgesehen von LeBron in erster Linie über Spezialisten, gerade von der Bank eigentlich fast nur Shooter. Ein Channing Frye oder ein Kyle Korver mögen gegen die Pacers oder Celtics eine Waffe sein, von einem Team wie den Warriors hingegen wurde jede Schwachstelle in der Defense gnadenlos attackiert und entblößt.
Dadurch wurden große Teile der Cavs-Rotation faktisch unspielbar in den Finals. Der verlässlichste Bankspieler der Serie war noch der gefühlt 55-jährige Richard Jefferson, der aber auch lange nicht den Impact hatte wie 2016. Die gefeierte Verpflichtung von Deron Williams erwies sich als Reinfall - D-Will kam in fünf Spielen auf 5 Punkte. Insgesamt.
Die Warriors in den Finals: Das Lied von Eis und Feuer
Kurzum: Die Cavaliers brauchten 2016 schon eine ganze Reihe von komischen Zufällen, allen voran der Suspendierung von Draymond Green, sowie Herkules-artige Leistungen von Irving und James, um die Warriors zu bezwingen. Dieses Jahr waren sie besser als 2016, aber lange nicht auf dem Niveau der Warriors mit Durant.
Die letzten drei Spiele zeigten, dass die Cavs einen Weg finden konnten, um mit den Warriors immerhin mitzuhalten. Um aber gegebenenfalls 2018 vier von sieben Spielen gegen Golden State gewinnen zu können, müsste sich in Cleveland vermutlich einiges tun - zumal die Abstimmung zwischen KD und den restlichen Dubs bis dahin ja sogar noch besser werden dürfte.
Welche Spieler werden Free Agents?
Kurz und knapp: Eigentlich zu wenige! Nur die Verträge von Kyle Korver, James Jones, Dahntay Jones, Derrick Williams und Deron Williams laufen aus, wobei nur Korver und D-Will in den Finals überhaupt noch Teil der Rotation waren - und letzterer auch nur aus Mangel an Alternativen. Williams' Performance in den Finals war ein stummer Schrei nach Karriereende.
Auch beim 36-jährigen Korver könnte dies eine Option sein, der Veteran ist allerdings noch immer einer der besten Shooter der Welt und würde daher problemlos wieder ein Team finden. Auch die Cavs würden ihn für den richtigen (=niedrigen) Tarif mit Sicherheit halten wollen. Vergangene Saison verdiente Korver 6 Millionen Dollar.
Blöd für die Cavaliers: Sie haben dermaßen viele dicke Verträge in ihren Büchern stehen, dass sie selbst dann über dem Cap stehen würden, wenn sie alle fünf Free Agents ersatzlos ziehen ließen. Das Trio aus Smith, Frye und Iman Shumpert etwa verdient nächste Saison zusammen über 30 Millionen Dollar.
Zudem stehen bei den Cavs mit LeBron (33,3 Mio.), Kevin Love (22,6), Irving (18,9) und Tristan Thompson (16,4) eben bekanntlich vier Max-Player im Kader. Das ist kein Grund sich zu beschweren und alle vier haben ihren Wert in den Playoffs abermals bewiesen - aber es verringert eben auch den Spielraum.
In der Free Agency werden die Cavs kein Faktor sein - zumal sich auch die Ringchaser, die für das Minimum bei einem Contender anheuern, nun wohl eher bei den Dubs bewerben werden.
Mit welchen Moves kann sich Cleveland verbessern?
Um das Team signifikant zu verbessern, müssen die Cavs daher eigentlich fast schon einen Trade einfädeln. Ihre Optionen sind aber auch hier limitiert - ihre Erstrundenpicks 2017 und 2019 haben sie bereits abgegeben, und da Teams nicht in aufeinanderfolgenden Jahren Firstrounder abgeben dürfen, könnten sie erst den 2021er Pick wieder anbieten.
Auch sonst haben sie relativ wenig Assets anzubieten. Niemand wird sich um Kay Felder oder Walter Tavares prügeln, Shumpert bietet zu wenig für sein Gehalt, J.R. Smith ist J.R. Smith (und teuer) und Thompson können sie eigentlich nicht abgeben. Sie verfügen über ein paar Trade-Exceptions, diese sind aber auch nur dann nützlich, wenn man dem aufnehmenden Team noch irgendetwas bieten kann.
Daher richteten sich die Augen schon während den Finals wieder einmal auf Love. Das ist freilich ein alter Hut, schon seit seinen ersten Wochen in Cleveland wurde regelmäßig über seine Zukunft spekuliert, sogar nach dem Titel im vergangenen Jahr. Love ist im richtigen Setting ein Star, die Finals haben aber wieder einmal gezeigt, welche Limitierungen er eben auch mit sich bringt.
Love riss sich in der Defense den Hintern auf und verteidigte für seine Verhältnisse sehr gut, aber eben auch nur für seine Verhältnisse - er ist kein guter Athlet und hat nicht die laterale Geschwindigkeit, um nach Switches gegen Golden States Guards (oder Durant) auszuhelfen. Und auch vorne konnte er sich nicht behaupten - der vermeintliche Post-Experte kam in der Serie auf 16 Punkte bei nur 38,8 Prozent aus dem Feld.
Insofern werden wie erwähnt bereits mögliche Trades diskutiert. Love für Paul George, der in sein letztes Vertragsjahr geht, nach Indiana? Love für ein Paket von Wingplayern aus Boston, die den Cavs dringend benötigte Athletik und Defense bieten würden?
Gerade die Personalie George ist interessant - er würde Cleveland sofort besser machen und ihnen eine (sehr gute) Defensiv-Option gegen Durant geben, die LeBron entlasten könnte. Den Pacers würde der Trade insofern helfen, dass sie George nicht ohne Gegenwert verlieren würden, zumal Love noch einen bis 2020 gültigen Vertrag hat.
Gleichzeitig kann es aber auch gut sein, dass Indiana ein besseres Angebot bekommt oder grundsätzlich (wie Boston) keine Lust darauf hat, den Cavaliers zu helfen. George hat bekanntlich auch schon mehrfach durchsickern lassen, dass er 2018 vermutlich in Los Angeles unterschreiben wird.
Fakt ist: Love ist die beste Option der Cavs, um sich via Trade irgendwie zu verbessern, und probieren werden sie es mit ziemlich großer Sicherheit. Der Forward ist bei weitem nicht allein schuld an der talentmäßigen Unterlegenheit der Cavs gegenüber Golden State, aber er ist der ideale Sündenbock, da er für das ewige Duell gegen die schnellen Dubs einfach nicht der richtige Spielertyp ist.
Wer trifft bei den Cavaliers die Entscheidungen?
Zwei weitere Elefanten sitzen bei den Cavaliers derzeit im Raum. Der erste: Der Vertrag von David Griffin läuft am 30. Juni aus und es gibt immer noch keine Gewissheit, ob der General Manager in Cleveland bleiben wird. "In den nächsten Tagen" werde man sich zusammensetzen, sagte Besitzer Dan Gilbert nach der Niederlage in Spiel 5, über eine Tendenz wollte er aber keine Auskunft geben.
Die Hängepartie in den Verhandlungen verwirrte schon während der Saison, Griffin war schließlich der Architekt des letztjährigen Meisterteams und gilt als einer der besten GMs im Geschäft. Auch Gilbert sagte nach den Finals, dass er zufrieden mit der Ausrichtung der Franchise und dem Personal sei.
Nach Infos von cleveland.com fordert Griffin eine Gehaltserhöhung sowie ein paar strukturelle Veränderungen in der Cavs-Organisation. Geld war für Gilbert eigentlich noch nie ein Problem, wie man am Kader der Cavs sieht, allerdings wurde gelegentlich über Unstimmigkeiten zwischen GM und Besitzer spekuliert.
Sollten sich Gilbert und Griffin nicht schnell einigen, hat Griffin andere Optionen - die Magic und Hawks etwa hatten bei ihrer GM-Suche schon um ein Interview gebeten, dafür jedoch von den Cavs keine Erlaubnis erhalten. Auch in Milwaukee wird er als Kandidat gehandelt. Wer bei einem Griffin-Abgang derweil den GM-Posten in Cleveland übernehmen würde, ist unklar.
Verlässt LeBron James die Cavaliers wieder?
Und hiermit kommen wir beim größten Elefanten im Raum an: Es kursieren Gerüchte, dass LeBron nach der kommenden Saison ein weiteres Mal das Weite sucht. Im Sommer 2018 kann er aus seinem Vertrag aussteigen und nach Informationen von sowohl Adrian Wojnarowski als auch Bill Simmons besteht eine reelle Chance, dass er zu einem der beiden Teams in Los Angeles oder sogar zurück nach Miami wechseln könnte.
Zwei Faktoren spielen bei diesem Gedankenspiel hinein: LeBron hat noch immer kein gutes Verhältnis mit Dan Gilbert, der ihn 2010 für seinen Wechsel nach Miami auf übelste Art und Weise öffentlich diskreditiert hatte. In dem Uninterrupted-Video "The Shop", das während den Finals veröffentlicht wurde, verriet James, dass seine Frau und seine Mutter ihn sogar davon abhalten wollten, wieder für Gilbert zu spielen.
Mit dem Titelgewinn 2016 hat James sein "Soll" in Cleveland gewissermaßen erfüllt - und hier kommen wir beim zweiten Faktor an: Der King hat nichts mehr zu beweisen, er weiß aber auch, dass er am Ende seiner Karriere nicht an den Finals-Teilnahmen, sondern an den Ringen gemessen werden wird.
Er macht keinen Hehl daraus, dass er der beste Basketballspieler aller Zeiten sein will, und für manch einen ist er das auch bereits - aber er wird mit drei Ringen im Endeffekt nicht gegen Michael Jordan "gewinnen" können. Völlig egal, dass MJ nie einen Finals-Gegner wie die Warriors hatte - Logik ist bei der Goat-Diskussion ohnehin nicht gefragt.
James wird also alles tun, um ein weiteres "Superteam" zu kreieren, das mit dem Monstrum in der Bay Area mithalten kann. Nach den Finals sagte er, die aktuellen Cavs seien keines, und das durfte als Wink mit dem Zaunpfahl ans Front Office gewertet werden. Als Aufforderung, ihn so zu unterstützen, dass er mit einem Triple-Double-Schnitt in den Finals eine realistische Siegchance haben kann.
Man muss deswegen aber noch nicht zwingend in Panik verfallen - James wird 2018 dort unterschreiben, wo er die beste Titelchance hat. Es ist gut möglich, dass dies in Cleveland sein wird, wo er in Kyrie bereits einen bombastischen Sidekick hat. Scorer wie Irving wachsen bekanntlich nicht auf Bäumen.
Man sollte nur eben nicht den Fehler machen, es für garantiert zu halten, dass James seine Karriere in Ohio beendet. Genau das haben die Cavs bekanntlich schon einmal gedacht.
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