NBA

"Kevin, du klaust unsere Übungen!"

Holger Geschwindner hat mit seinem Schützling Dirk Nowitzki noch Großes vor
© imago

Spannendes Experiment: Holger Geschwindner will seinen Schützling Dirk Nowitzki noch mehr zum Shooting Guard ausbilden. Außerdem übt er deutliche Kritik am DBB und der BBL - und stellt klare Forderungen an den neuen Bundestrainer Chris Fleming. Der Nowitzki-Mentor über "Plagiator" Kevin Durant, überforderte deutsche Nationalspieler - und seine Elite-Talenteförderung der anderen Art in einer umgebauten Fabrikhalle.

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SPOX: Im ersten Teil des Interviews sprachen Sie darüber, dass Sie mit Ihrem Schützling Dirk Nowitzki weiter am legendären Hook Shot arbeiten, um ihn vielseitiger zu machen. In diesem Sommer überraschten Sie zudem mit der Ankündigung, Nowitzki zum Shooting Guard ausbilden zu wollen. Was steckt dahinter?

Geschwindner: Bevor sich die NBA für Dirk interessierte, haben wir uns folgende Frage gestellt: Was muss man können, damit die weltbeste Liga etwas von einem will? Damals gab es fast keine Big Men, die Dreier werfen konnten - und diese Idee funktioniert jetzt in der 17. Saison. Mittlerweile beherrschen das allerdings mehrere. Dirk kapiert zudem das Spiel relativ gut. Daher die Überlegung, ihn weiter in das Playmaking zu involvieren. Im Grunde erledigt er jetzt schon viele Jobs aus dem Repertoire eines Shooting Guards. Nach einem Block rollt er ja nur selten zum Korb, das überlässt er Tyson Chandler. Für Dirk wird Pick'n'Pop gelaufen, damit er zum Distanzwurf kommt - ähnlich einem Shooting Guard. Die Idee ist, dass Dirk auf jede Basketballfrage eine Antwort hat. Das ursprüngliche Positionsverständnis löst sich immer mehr auf und ein großer, schlauer Spieler kann genauso den Ball verteilen wie ein klassischer Playmaker. Aber das ist nichts Revolutionäres, das gab es alles schon, etwa zu Zeiten von Arvydas Sabonis. Boris Diaw von den Spurs tendiert genauso in diese Richtung.

SPOX: Wie einflussreich war Nowitzki für die Sportart? Nach dem Erreichen der Top-10-Scorerliste wurde diskutiert, ob er, Tim Duncan oder Karl Malone der beste Power Forward aller Zeiten ist.

Holger Geschwindner im Interview: "Dirk beherrscht den Hook Shot wirklich"

Geschwindner: Diese Debatte ist für uns wenig relevant. In den 50er und 60er Jahren wurden die Mehrfachweltmeister Hans-Jürgen Bäumler und Marika Kilius im Eiskunstlaufen von allen für Fähigkeiten bejubelt, die heute achtjährige Kinder beherrschen. Bill Russell und Michael Jordan - ich bin ein großer Fan von ihnen - haben die NBA und die Sportart grundlegend verändert. Heute gibt es einige Spieler, die technisch das Gleiche können. Und wenn man ehrlich ist: Dass Dirk unter den Top Ten aller Scorer liegt, hängt zu einem nicht unerheblichen Teil damit zusammen, dass er ähnlich wie Kobe seit 17 Jahren fast ohne große Verletzungen durchspielt. Die anderen All-Time-Scoring-Leader haben ja fast alle gespielt, bis sie 40 waren. Gesundheit ist eine Voraussetzung.

SPOX: Wenn die Heim-EM 2015 ansteht, ist Nowitzki 37 Jahre alt. Gibt die Gesundheit den Ausschlag über seine Teilnahme?

Geschwindner: Nicht nur. Die Frage ist: Wie weit kommt Dallas? Würden die Mavs die Finals erreichen, ginge die Saison bis Ende Juni, mit allem Gedöns vielleicht bis Anfang Juli. Das muss sein Körper erstmal wegstecken. Daher Frage Nummer zwei: Wird Dirk gesund sein? Die dritte Frage: Wenn Dirk über 100 Spiele absolviert hat, wird er nicht die komplette DBB-Vorbereitung mitmachen können - doch was heißt das für die Mannschaftsbildung? Und danach bleiben immer noch etliche organisatorische und pragmatische Fragen. Klar ist, dass Dirk großes Interesse hat. Dennoch können wir Stand jetzt keine realistische Einschätzung abgeben.

SPOX: Sie trafen sich unter anderem mit dem neuen DBB-Vizepräsidenten Armin Andres, der verantwortlich ist für den Leistungssport, und Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt. Um was ging es?

Geschwindner: Mit unserem neuen Vizepräsidenten für Leistungssport saß ich zusammen, wir haben uns im Sinne der Sache ausgetauscht. Mit Wolfgang Brenscheidt und mit Chris Kaman trafen wir uns vor dem Spiel der Mavs in Portland, um zu besprechen, wie wir gemeinsam den Basketball nach vorne bringen können.

Offizielles All-Star-Voting: Stimmt jetzt ab

SPOX: Bei den Gesprächen soll es unter anderem um den neuen Bundestrainer Chris Fleming gegangen sein, dem Sie - so heißt es im Umfeld seiner vorherigen Station Bamberg - skeptisch gegenüberstehen.

Geschwindner: Ich habe nur einmal mit Chris Fleming zusammengesessen, und zwar im Lockout-Jahr 2011, als wir mit den Bayern, mit Alba und mit Bamberg darüber gesprochen haben, ob sich Dirk bei einem kompletten Saisonausfall einem der Klubs anschließen würde. Ansonsten hatte ich nie direkten Kontakt mit ihm. Es muss jedem klar sein, um was es im kommenden Sommer geht: Es ist die letzte Chance auf die Olympischen Spiele in Rio. Wir taten alles, um die EM-Bewerbung zu unterstützen. Uns liegt es wirklich am Herzen, dass wir eine starke Nationalmannschaft haben, weil nur so richtige Begeisterung für den deutschen Basketball entfacht werden kann. Wir haben genügend Bundestrainer mitgemacht und wir haben eine Idee, was funktioniert und was nicht. Die kommende EM im eigenen Land ist kein Experiment. Individuelle Eitelkeiten sollten nicht zählen, wir brauchen die bestmögliche Truppe.

Seite 1: Geschwindner über Nowitzki und den Bundestrainer

Seite 2: Geschwindner über Kaman, Schröder und die Jugendarbeit

Seite 3: Geschwindner über die BBL und den DBB

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