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Von ganz unten nach ganz oben

Von Philipp Dornhegge
Nerlens Noel und Michael Carter-Williams sind zwei Eckpfeiler der Sixers-Planungen
© getty

In einer Saison, die von vornherein "Übergangsjahr!" geschrien hatte, sind bei den Philadelphia 76ers (16-57) viele Spieler nicht mehr als Platzhalter. Die Traditions-Franchise will in den kommenden Jahren zu einem Titelanwärter werden und musste dafür in diesem Jahr erst komplett im Keller der NBA-Standings ankommen. Zumindest geht so die Theorie von GM Sam Hinkie. Ein Teil des aktuellen Kaders hat keine Zukunft in der Stadt der brüderlichen Liebe, einige wenige sind aber als Eckpfeiler für das kommende Jahrzehnt eingeplant. SPOX wagt eine Prognose.

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"Wir haben hier nichts verheimlicht. Wir sind, was wir sind, und wir stehen dafür gerade." Selten hat ein offizieller Vertreter eines NBA-Klubs deutlicher klargestellt, dass die eigene Mannschaft keinerlei Interesse daran hat, übermäßig viele Spiele zu gewinnen wie Brett Brown am Sonntag.

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Das Stichwort - in dieser Spielzeit mit all ihren miesen Teams wird das Wort inflationär gebraucht - ist "Tanking", und die Philadelphia 76ers machen keinen Hehl daraus, dass sie genau diese Strategie verfolgen, von der Commissioner Adam Silver kürzlich noch sagte, dass es sie in der NBA gar nicht gebe.

"Es mag einigen nicht passen, aber so sieht unser Weg aus", fuhr der Coach der Philadelphia 76ers fort. "Das ist unser Plan, und ich denke, dass die Stadt das akzeptiert. Dafür sind wir dankbar. Wir wollen das Vertrauen in Zukunft zurückzahlen."

Noch so ein Stichwort: "Zukunft". Denn darauf ist alles ausgelegt bei den Sixers, die in diesem Jahr bewusst ein Schattendasein im Keller der NBA fristen, um für die kommende Draft Lottery die bestmöglichen Chancen zu haben. Der 3-0-Start in die Saison weckte falsche Hoffnungen, der jüngste Sieg gegen die Detroit Pistons war die dringend benötigte Erlösung nach zuletzt 26 Niederlagen in Folge. Dem alleinigen Negativrekord entging man damit bei der allerletzten Gelegenheit.

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Dennoch war das Ziel durchaus, so schlecht wie möglich zu sein, und dafür braucht man vor allem eins: Eine wild zusammengewürfelte Truppe mit vielen schlechten Spielern. Spielern, die nur als Übergangslösung gedacht sind und schon nächstes Jahr Geschichte in Philly sein sollten. Dazu später mehr.

Was man jedoch so früh wie möglich braucht, ist eine Identität, eine Philosophie und das passende Management-Trainer-Gespann, das die Richtung vorgibt und mit einer Zunge spricht. Hinkie und Brown verkörpern diese geforderte Einheit und sind nur zu bewundern. Zu keinem Zeitpunkt in dieser von Tiefschlägen geprägten Saison haben die beiden ihren Optimismus verloren, haben die Mannschaft stets unterstützt und bekommen exakt das Feedback, das ihren eigenen Status als Macher der Zukunft zementieren sollte.

Seit Saisonbeginn schwärmen die Spieler vom Enthusiasmus Browns, Hinkie wird von den Manager-Kollegen und den Medien für seine Kaltschnäuzigkeit und konsequente Linie gelobt. Die Sixers setzen auf Brown und Hinkie, warum sollten sie nicht? Aber welche Spieler haben in der Stadt der brüderlichen Liebe eine Zukunft? Ein Überblick:

1. Michael Carter-Williams (PG)

Vertrag: 12 Mio. Dollar bis 2018

Kein Spieler sitzt so fest im Sattel wie MCW. Der Rookie-of-the-Year-Kandidat. Der Youngster, der sich immer mehr zum Leader entwickelt. Der Spielmacher wird bei jeder Gelegenheit von Brown gelobt, ob seiner basketballerischen Fortschritte, vor allem aber aufgrund des Reifeprozesses, den er in den letzten Monaten durchlaufen hat.

Bei der Niederlage gegen die Houston Rockets, der 26. in Folge, mit der man den Negativrekord der Cleveland Cavaliers einstellte, war es Carter-Williams, der die Kollegen in der Kabine wieder aufbaute und eine motivierende Ansprache hielt. "Das hätte er vor zwei Monaten, vielleicht sogar vor zwei Wochen, sicher noch nicht getan", meint Brown.

Wenn man davon ausgeht, dass der 22-Jährige die richtigen Lehren aus der Saison zieht, an seinem Shooting arbeitet und die Ballverluste minimiert, dann wird er auf Jahre ein mehr als potenter Starting-Point-Guard sein. Einer, der vor allem auch für die Defense alles mitbringt.

2. Nerlens Noel (C)

Vertrag: 17 Mio. Dollar bis 2018

Der Rookie, von den Kentucky Wildcats nach Philly gekommen, wird wohl auch im kommenden Jahr ein Rookie sein. Aufgrund eines Kreuzbandrisses hat der schlaksige Center noch kein Spiel absolviert, und weil er sich körperlich noch entwickeln muss, haben die Sixers keine Eile, Noel in dieser Saison noch auf den Court zu schicken. Mit einem vollständig ausgeheilten Knie und einem weiteren Sommer voller Kraft- und Wurftraining könnte Noel trotz des zu erwartenden starken Draft-Jahrgangs nächste Saison einer der besten Rookies sein.

Das soll aber nur der erste Schritt in der Entwicklung des 20-Jährigen sein: "Wenn ich Joakim Noah sehe, hoffe ich immer das zu sehen, was wir bald in Nerlens Noel haben werden", zog Brown nach dem letzten Duell mit den Chicago Bulls einen optimistischen Vergleich. "Wir wollen einen jungen Spieler behutsam aufbauen, und Joakim ist ein erstklassiges Beispiel dafür, wie so etwas erfolgreich ablaufen kann."

3. Tony Wroten (PG/SG)

Vertrag: 6,5 Mio. Dollar bis 2017

Bei den Memphis Grizzlies bekam der Lefty in seiner Rookie-Saison nie eine Chance, in Philly sollte Wroten zunächst genau so eine Übergangslösung sein wie viele andere. Doch schon in der Preseason stellte sich heraus, dass der 20-Jährige mit seinem Länge und seinem Einsatzwillen exzellent ins System von Brown passt.

Worten zerriss sich schon in der Vorbereitung in jedem Spiel und avancierte so zu einem Publikumsliebling im Wells Fargo Center. Wroten hat wie MCW noch Probleme mit seinem Wurf, die Technik ist aber sauber. An der Quote lässt sich also arbeiten. Genauso wie an der Konstanz, die Wroten vor allem als Bankspieler ab und an vermissen ließ.

Es ist unwahrscheinlich, dass er auf Jahre unersetzbar sein wird in Philadelphia. Dennoch könnte Wroten als Energizer von der Bank für beide Guard-Positionen eine wichtige Rolle einnehmen.

4. Thaddeus Young (PF)

Vertrag: 19 Mio. Dollar bis 2016

Der mit Abstand teuerste Spieler im Kader steht genau deshalb zur Disposition. Eigentlich war man schon zur Trade Deadline davon ausgegangen, dass sich die Wege von Young und den Sixers trennen würden, Hinkie soll Angebote für einen Trade eingeholt haben.

Letzten Endes waren die Offerten aber wohl zu wenig reizvoll, als dass der GM hätte zuschlagen wollen. Denn Linkshänder Young könnte durchaus auch in der Zukunft eine Rolle spielen. Mit seiner Mischung aus Länge (Spannweite: 2,11m) und Athletik ist Young ein wandelndes Mismatch auf der Power-Forward-Position, kann Jumper treffen, am Korb agieren und Fastbreaks laufen.

In der Defense kann er mehrere Positionen effektiv verteidigen. Und mit 25 Jahren ist er immer noch jung und entwickelt sich weiter.

5. Hollis Thompson (SG)

Vertrag: läuft aus

Der 22-Jährige wurde 2012 im Draft übergangen, spielte später in der D-League (Tulsa) und bewarb sich 2013 im Summer-League-Team der Spurs für ein NBA-Engagement. Die Sixers schlugen zu, dachten zum damaligen Zeitpunkt aber wohl auch nicht, dass Thompson zum wichtigen Rotationsspieler reifen würde.

Das Georgetown-Produkt steht 22 Minuten pro Spiel auf dem Court und legt, für einen Neuling, solide Quoten aus dem Feld (46 Prozent), von der Dreierlinie (38 Prozent) und der Freiwurflinie (71,6 Prozent) auf. Mit seiner Größe von 2,01m bringt er die nötige Länge mit, um zum guten Verteidiger zu reifen.

An seiner Schnelligkeit hat Thompson offenkundig seit seiner College-Zeit gearbeitet, die Athletik ist ebenfalls da. Wenn Thompson noch Muskelmasse aufbaut, kann er auch gegen Small Forwards bestehen - und Vielseitigkeit hat bekanntlich immer ihren Wert. Darüber hinaus dürfte er zu günstigen Konditionen zu halten sein.

Seite 1: Die Philosophie und die Eckpfeiler

Seite 2: Die Spieler im Wartestand

Seite 3: Keine Zukunft in Philly

Seite 4: Wie geht's weiter?

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