NBA

"Big Three haben ihren Schrecken verloren"

Von Interview: Marcel Friederich
Magic Johnson (r.) spielte unter Heat-Boss Pat Riley für die Los Angeles Lakers
© getty

Magic Johnson gehört zu den größten Basketballern der NBA-Geschichte. Im Gespräch mit SPOX analysiert er die NBA-Finals, lästert über Lakers-Coach Mike D'Antoni und rät Dwight Howard zu einem Wechsel nach Houston.

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SPOX: Herr Johnson, nach Miamis Einbruch im dritten Finalspiel war LeBron James die Lachnummer der Nation. Wie hat er es geschafft, sich so eindrucksvoll zurückzumelden?

Magic Johnson: LeBron war viel, viel aggressiver als in den vorherigen drei Spielen der Finals. Er hat stark verteidigt und ist offensiv mit sehr viel Power in die Zone gegangen. Zudem hat er endlich die Jumpshots getroffen, so dass er kaum zu verteidigen war. Dank ihm haben auch Dwyane Wade und Chris Bosh einen großen Schub an Selbstvertrauen hinzugewonnen. Wenn LeBron so weiterspielt, haben die Heat sehr gute Chancen.

SPOX: Was würde es jedoch für James bedeuten, wenn Miami gegen die Spurs verliert? Bei seiner vierten Finalteilnahme wäre dies schon die dritte Pleite für ihn.

Johnson: Natürlich würde es bei LeBron Spuren hinterlassen, sollten die Heat den Kürzeren ziehen. Aber man dürfte ihn dann nicht als Alleinschuldigen betrachten. Auch Wade und Bosh hätten dann versagt. Man muss sich ja immer wieder vor Augen führen, dass LeBron mit 28 Jahren schon viermal als MVP ausgezeichnet wurde. Das allein bestätigt, dass er zu den größten Basketballern aller Zeiten gehört. Auch wenn er vielleicht nicht so viele Meisterschaften gewinnt wie von ihm selbst erhofft.

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SPOX: Glauben Sie an eine gemeinsame Zukunft von James, Wade und Bosh im Trikot der Heat?

Johnson: Um ehrlich zu sein: nein! Ich tippe auf ein baldiges Ende der Big Three in Miami. Zwar haben sie es diesmal wieder in die Finals geschafft. Doch es hätte nicht viel gefehlt, und es wäre schon gegen die Pacers in den Conference Finals das Aus gekommen. Die gegnerischen Teams stellen sich immer besser auf sie ein. Die Big Three haben ihren Schrecken verloren. Wade ist verletzungsanfällig, Bosh spielt unkonstant. Um dauerhaft erfolgreich zu bleiben, muss sich der Kader deutlich verändern. Am besten schon in diesem Sommer. Dabei vertraue ich auf Pat Riley, dem besten General Manager der Liga.

SPOX: Auf Seiten der San Antonio Spurs könnte Tim Duncan zum fünften Mal die Meisterschaft gewinnen. Was halten Sie von ihm?

Johnson: Sollte er zum fünften Mal den Titel gewinnen, wäre er für mich der beste Power Forward, der jemals in der NBA gespielt hat. Noch vor Kevin McHale, den ich bislang auf einer Stufe sehe. Mich beeindruckt vor allem die Art und Weise, wie Tim Basketball spielt. In einem Zeitalter, wo das Ego der meisten Spieler an erster Stelle steht, ist er ein großartiger Teamplayer geblieben. In dieser Hinsicht würde ich ihn mit Bill Russell vergleichen - uneigennützig, smart und trotzdem sehr erfolgreich. Ich bin ein riesengroßer Bewunderer von Tim. Das habe ich ihm auch so gesagt, als wir uns gestern über den Weg gelaufen sind.

SPOX: Abgesehen von den Finals geht es in der Liga drunter und drüber. Besonders die Zukunft von Dwight Howard bestimmt die Schlagzeilen. Was würden Sie ihm raten? Soll er bei den Los Angeles Lakers bleiben?

Johnson: Die Frage ist ja auch, ob ihn die Lakers behalten wollen? Sein Einsatzwille hat mir in dieser Saison überhaupt nicht gefallen. Das muss ganz dringend besser werden. Ein Neuanfang bei den Lakers wird schwierig, deshalb würde ich ihm zu einem Wechsel raten.

SPOX: Zu welchem Team?

Johnson: Dwight und die Houston Rockets, das könnte sehr gut passen. Mit Kevin McHale haben die Rockets den perfekten Trainer, um Dwights Centerspiel weiterzuentwickeln. Zugleich würde Dwight in das junge und athletische Rockets-Team sehr gut hineinpassen. Dwight an der Seite von James Harden, Jeremy Lin und Chandler Parsons - das klingt nach geballter Offensivpower. Sollte dieser Wechsel tatsächlich zustande kommen, würde Houston zu den heißen Titelkandidaten aufrücken.

SPOX: Was passiert im Gegenzug mit Ihrem ehemaligen Team, den Lakers?

Johnson: Das ist eine gute Frage. Die Lakers stehen vor einem hochspannenden Sommer. Was wird mit Dwight? Kommt Kobe wieder gesund zurück? Keine Ahnung, was bei den Lakers geschehen wird. Auf jeden Fall darf so eine schwache Saison wie 2012/13 nicht noch einmal passieren.

SPOX: Ist Mike D'Antoni der richtige Headcoach für die Lakers?

Johnson: Ich persönlich bin überhaupt kein Freund der Art und Weise, wie D'Antoni Basketball spielen lässt. Er achtet nicht auf die Defense, sondern fast ausschließlich auf die Offense. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Man sieht das ja bei den beiden Teams, die derzeit in den Finals stehen. San Antonio und Miami spielen großartige Defense. Mit Defense gewinnt man Meisterschaften. Für den außenstehenden Fan macht es zwar großen Spaß, D'Antonis Mannschaft bei ihrem Offensivfeuerwerk zuzuschauen. Aber hat er in Phoenix eine Meisterschaft gewonnen? Oder in New York? Nein! Und ich glaube auch kaum, dass er es bei den Lakers gebacken bekommt.

SPOX: Die Brooklyn Nets haben vor wenigen Tagen für eine Überraschung gesorgt und Jason Kidd als neuen Headcoach vorgestellt. Was halten Sie von dieser Entscheidung?

Johnson: Ich freue mich sehr für Jason. Er besitzt einen großen Basketball-Sachverstand, weshalb ich überzeugt bin, dass er ein toller Trainer wird. Allerdings muss er vorsichtig sein. In seinem neuen Job wird eine ganz Menge Arbeit auf ihn zukommen. Für einen Trainerneuling kann das problematisch sein.

SPOX: Sie sprechen aus eigener Erfahrung?

Johnson: Das stimmt. 1994 habe ich 16 Spiele lang als Headcoach bei den Lakers ausgeholfen. Im Vergleich zum gemütlichen Spielerdasein gab es viel mehr Arbeit zu erledigen. Ich stand 24 Stunden lang unter Strom, habe Tag und Nacht Gameplans entwickelt und mir unzählige Videos angeschaut. Das war eine wahnsinnig intensive Zeit. An manchen Tagen habe ich keine einzige Stunde geschlafen. Das möchte ich eigentlich nicht mehr erleben. Andererseits hat mir diese Erfahrung geholfen, mehr Respekt gegenüber den Coaches der Liga aufzubringen.

SPOX: Das Trainerkarussell in der NBA rotiert enorm. Bei den 16 Mannschaften, die den Sprung in die Playoffs geschafft hatten, wurden insgesamt schon sechs Headcoaches gefeuert. Was halten Sie davon?

Johnson: Das ist eine traurige Entwicklung. Am schlimmsten finde ich das Beispiel der Memphis Grizzlies. Die spielen eine bärenstarke Saison unter Lionel Hollins und schaffen sogar den Einzug in die Conference Finals. Und was machen sie dann? Sie feuern ihren Erfolgscoach! Das kann ich nicht nachvollziehen.

SPOX: Auch die Los Angeles Clippers suchen einen neuen Coach, nachdem Vinny Del Negro gefeuert wurde. Wen würden Sie den Clippers empfehlen?

Johnson: Ich denke, Byron Scott wäre eine sehr gute Wahl. Er hat Nets zweimal in Folge in die Finals geführt, ebenso hat er schon mit Chris Paul in New Orleans zusammengearbeitet. Deshalb wäre es eine logische Entscheidung, ihn zu nehmen. Aber auch Brian Shaw oder Lionel Hollins könnten gut passen.

SPOX: Und hätten Sie auch einen Ratschlag für die Denver Nuggets, wer als Nachfolger von George Karl geeignet wäre?

Johnson: Da würde ich ebenfalls Byron Scott empfehlen. Die Nuggets haben ein junges Team mit großem Potenzial. Mit seiner Championship-Erfahrung wäre Scott der richtige Mann, um die Nuggets zu führen. Allen voran den jungen Point Guard Ty Lawson, der von einem Trainer wie Scott viel lernen könnte. Dieser hat schließlich schon mit Chris Paul oder Jason Kidd zusammengearbeitet.

SPOX: Vor einem spannenden Sommer stehen auch die Boston Celtics...

Johnson: Das kann man wohl laut sagen. Ich möchte derzeit nicht in der Haut von Bostons General Manager Danny Aigne stecken. Was passiert mit Paul Pierce und Kevin Garnett? Soll man noch ein letztes Mal versuchen, mit diesen beiden die Meisterschaft anzupeilen? Oder kommt es nun endgültig zum Rebuild? Früher oder später ist das sowieso unausweichlich. Aber wenn man so viele Erfolge gefeiert hat wie Pierce und Garnett in Boston, da fällt es natürlich wahnsinnig schwer, eine Ära zu Ende gehen zu lassen. Und sollte man sich für einen Rebuild entscheiden, was wird dann aus Headcoach Doc Rivers? Das werden ganz schwierige Entscheidungen für die Celtics. Da möchte ich auch keine Ratschläge geben.

SPOX: Und was wird aus den New York Knicks? Kann das Team aus Manhattan nächste Saison um den Titel kämpfen?

Johnson: Eigentlich sind die Knicks ziemlich nah dran. Aber dann auch doch wieder so fern.

SPOX: Warum?

Johnson: Mit Carmelo Anthony vertrauen die Knicks auf einen Spieler, der häufig zu viel will und überdreht. Auch J.R. Smith ist zu unkonstant. Daher bräuchten die Knicks noch einen weiteren Spieler, der regelmäßig punktet. Dieser ist allerdings nicht in Sicht.

SPOX: Könnte Amar'e Stoudemire das sein?

Johnson: Nein. Dazu spielt dessen Gesundheit einfach nicht mit. Seinem Körper kann man nicht mehr vertrauen. Meiner Meinung nach müssten die Knicks ihre Bank deutlich verjüngen und besser machen. Trotzdem glaube ich, dass im Osten die Heat, die Pacers und auch die Chicago Bulls mit Derrick Rose auf Dauer einfach stärker sind.

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