Rund 24 Millionen Deutsche sollen im letzten Jahr in die Sauna gegangen sein. In Sachen Privatschwitzen liegen wir sogar auf Platz zwei hinter Finnland. Doch das wird sich vielleicht ändern, denn die deutsch-finnische Saunafreundschaft hat an Tag 12 der Olympischen Spiele in Sotschi einen gehörigen Knacks bekommen.
Dabei hätte es so schön werden können. Tim Tscharnke und Sami Jauhojaervi biegen im Team-Sprint gemeinsam auf die letzten 300 Meter ein, den Russen Nikita Krijukow im Schlepptau. Das Trio teilt die Medaillen unter sich auf, vielleicht hätte man im Ziel schon mal das gemeinsame Siegerschwitzen planen können.
Doch es kam ganz anders. Der Finne fuhr Tscharnke urplötzlich vor die Füße, um ja die mittlere Loipe zu bekommen. Die Folge: Der Deutsche stürzte und blieb endlose Sekunden völlig apathisch liegen. Gold weg, Silber weg - und selbst Bronze war unserem Pechvogel nicht mehr vergönnt. "Hätte ich gewusst, dass wir so viel Vorsprung haben, hätte ich mir beim Aufstehen mehr Mühe gegeben", sagte der 24-Jährige, "aber ich hatte mich verhakt und war total blau."
Der Tag zum Nachlesen im Ticker
Man mag es ihm kaum verdenken. Der Übeltäter war sich dagegen keiner Schuld bewusst: "Das ist schade für ihn. Aber er hat die Außenkurve genommen, ich war innen. Das passiert." Ein folgenschwerer Sturz im Olympia-Finale samt Fleischwunde passiert? Nun gut, SPOX hält es da eher mit Tscharnke: "Das ist einfach scheiße. Wir hätten es so verdient gehabt, so ein Mist."
Das Drama in der Loipe samt abgewiesenem Protest war die bittere Krönung auf einen Tag, den man sich ganz anders vorgestellt hatte. Mal fehlte in den entscheidenden Momenten einfach der Punch, was vor allem bei den vierten Plätzen im Team-Sprint der Damen, von Snowboarder Patrick Bussler und der Mixed-Staffel im Biathlon deutlich wurde. Ganz zu schweigen von "Vollidiot" Stefan Luitz' Einfädler auf der Piste.
Mal enttäuschten die Hoffnungsträger wie Zweierbob-Pilotin Sandra Kiriasis oder Snowboard-Weltmeisterin Isabella Laböck. Und auf dem ovalen Eis in Sotschi ist für Deutschland eh nichts zu holen. Claudia Pechsteins Medaillentraum platzte über 5000 Meter, die 41-jährige Eisschnelllauf-Ikone blickte nach Platz fünf aber bereits nach vorne: "Ich denke weiter olympisch, nämlich an Pyeongchang 2018."
Zumindest Felix Neureuthers Auftritt im Riesenslalom machte Lust auf mehr. Der 29-Jährige verpasste zwar ebenfalls das Podium, fünf Tage nach seinem Autounfall war sein Start an sich aber schon ein Wunder. "Ich hab' probiert, wirklich zu attackieren. Aber man merkt, dass ich die letzten fünf Tage fast nur gelegen bin", so Neureuther, der bei der großen Ted-Ligety-Show immerhin Achter wurde, beim Slalom am Samstag aber "voll angreifen" will.
Im Gegensatz zu Russlands Aus im Eishockey-Viertelfinale war unser medaillenloser Tag aber nur eine kleine Lappalie. Für eine ganze Nation brach eine Welt zusammen, Wladimir Putins Auftrag, das wichtigste Gold der Spiele zu gewinnen, kann nicht mehr erfüllt werden. Vielleicht ahnte der mächtigste Mann Russlands das schon, denn der 1:3-Pleite gegen Finnland blieb er fern. Und wir wissen zumindest: Nicht nur unsereins wird von diesen Skandinaviern schlecht träumen.
An Tag 13 (8.15 Uhr im LIVE-TICKER) dürfte es aber wieder deutsches Edelmetall geben, nachdem uns die Norweger die Führung im Medaillenspiegel abgeluchst haben. Schließlich steht die Teamkonkurrenz in der Nordischen Kombination an. Nach vier Top-Ten-Platzierungen im Einzel dürfte für Eric Frenzel und Co. eigentlich nichts mehr schief gehen - diesmal können sie sich ja nicht gegenseitig umfahren. Ansonsten im Blick: Skicrosser Daniel Bohnacker und das Damen-Finale im Eishockey.
Die Entscheidungen des Tages:
Wettbewerb | Entscheidung |
Biathlon/Mixed-Staffel | Norwegen dominiert - Platz vier für DSV |
Bob/Zweier, Frauen | Deutsches Bob-Fiasko geht weiter |
Eisschnelllauf/5000 m, Frauen | Sablikova durchbricht Oranje-Festspiele |
Ski alpin/Riesenslalom, Männer | Gold für Ligety - Neureuther & Dopfer gehen leer aus |
Langlauf/Team-Sprint klassisch, Frauen | Herrmann/Böhler verpassen Bronze |
Langlauf/Team-Sprint klassisch, Männer | Tscharnke stürzt mit Gold vor Augen |
Snowboard/Parallel-Riesenslalom, Frauen | Kummer! Nächstes Gold für die Schweiz |
Snowboard/Parallel-Riesenslalom, Männer | Bussler schrammt an Medaille vorbei |
Was sonst noch wichtig war:
Curling: Die Kanadier liegen weiter auf Hattrick-Kurs. Im Halbfinale setzte man sich gegen China durch und steht damit zum fünften Mal in Folge im Olympischen Finale, es könnte nach 2006 und 2010 die dritte Goldmedaille geben. Im Endspiel wartet Großbritannien samt Skip David Murdoch, das in einer spannenden Partie Weltmeister Schweden mit 6:5 ausschaltete.
Auch die kanadischen Mädels greifen nach Gold. Nach dem Erfolg über die Britinnen kommt es im Finale zum Vancouver-Rematch mit Schweden.
Eishockey: Aus! Vorbei! Die Sbornaja muss nach einer weiteren enttäuschenden Vorstellung die Segel streichen. Gegen Finnland verzweifelten Ovechkin und Co. vor allem an Tuukka Rask (37 Saves). "Es kotzt mich einfach an. Wir beginnen gut, schießen ein Tor. Und dann kosten uns zwei Fehler das gesamte Spiel", so der Caps-Superstar nach der 1:3-Pleite völlig konsterniert.
Die anderen Goldanwärter wurden dagegen ihrer Favoritenrolle gerecht: Die USA und Schweden gaben sich gegen Tschechien bzw. Slowenien keine Blöße, Team Canada mühte sich trotz einer klaren Dominanz (Schüsse: 57 zu 16) zu einem 2:1-Erfolg über Lettland. Mehr zu den Spielen im Roundup!
Eiskunstlauf: Das wird ein echter Kür-Thriller. Die ersten drei Frauen trennen vor dem großen Finale am Donnerstag gerade mal 0,80 Punkte. In Führung liegt Titelverteidigerin Kim Yuna aus Südkorea vor der Russin Adelina Sotnikova und der Ex-Weltmeisterin Carolina Kostner (ITA). Lokalmatadorin Yulia Lipnitskaya musste sich nach einem Sturz erst mal mit Platz fünf zufriedengeben. Die Mannheimerin Nathalie Weinzierl schlug sich wacker und liegt auf Rang zehn.
Mann des Tages: Ole Einar Björndalen
Der Kannibale. Der Außerirdische. Oder einfach nur: König Ole! SPOX verneigt sich vor dem größten Winter-Olympioniken aller Zeiten. Denn nichts anderes ist Björndalen nach seinem Sieg mit Norwegen in der Mixed-Staffel jetzt auch ganz hochoffiziell. 8x Gold, 4x Silber, 1x Bronze - mit insgesamt 13 Olympischen Medaillen verdrängte der 40-Jährige den legendären Björn Dählie vom Thron.
"Das ist ein Traum. Björn war ein großes Vorbild für mich. Was er im Langlauf geleistet hat, ist einmalig", so Björndalen, dessen Karriere sich - 16 Jahre nach seinem ersten Olympischen Gold in Nagano - dem Ende neigt. "Wahrscheinlich wird das auch meine letzte Saison im Weltcup, meine letzten Olympischen Spiele werden es auf jeden Fall sein."
Noch ist die Gier nach Medaillen aber nicht gestillt. Immerhin wartet am Samstag ja auch noch die Männer-Staffel auf Björndalen: "Ich habe noch Hunger auf Titel." Einmal Kannibale, immer Kannibale!
Frau des Tages: Yulia Lipnitskaya
Eigentlich müsste die Kategorie für Yulia Lipnitskaya geändert werden. Frau des Tages passt auf eine 15-Jährige ja nicht so wirklich. Mädchen des Tages wäre wohl sinnvoller - und verdeutlicht auch noch mal, in welcher Rolle sich die Eiskunstläuferin befindet.
Seit ihrem Gold mit der Mannschaft und einer Show, mit der sie sogar Putins von der Jagd und unzähligen Reitstunden gestähltem Herzen zum Schmelzen brachte, herrscht in Russland ein irrer Hype um den Teenie. Man kann den Druck nur erahnen, mit dem sie im Kurzprogramm am Mittwoch an den Start ging.
Und es kam, was kommen musste. Ein Sturz beim Dreifach-Flip, ein Raunen durch den vollgepackten Iceberg Skating Palace und ein Mädchen, das man bei der Punktevergabe nur noch in den Arm nehmen wollte. Die Zuschauer zeigten aber Klasse und feierten ihren neuen Darling mit einem Blumenmeer. Ganz großes Kino!
Sprüche des Tages:
"Jeder, der daran geglaubt hat, dass du ein großartiges Talent besitzt, ist in diesem Moment mit dir in dieser Halfpipe." (Ski-Freestyler David Wise nach seinem Olympiasieg)
"Du Vollidiot!" (Ski-Rennläufer Stefan Luitz auf die Frage, was er nach seinem "Einfädeln" am letzten Tor des ersten Riesenslalomlaufes als erstes gedacht habe. Luitz wurde mit zweitbester Laufzeit disqualifiziert)
"Im zweiten is er gmiadlich obag'fohrn, do hätt' er nebenbei a nu a Jausenbrot essen kenna." (Der Österreicher Marcel Hirscher über den überlegenen Riesenslalom-Olympiasieger Ted Ligety)
"Ich glaube, ich bin schon ziemlich verrückt, normale Mädels würden das nicht machen." (Ski-Freestylerin Sabrina Cakmakli, einzige deutsche Starterin in der Halfpipe)
"Die sind für mich die Super-Clowns." (Magnus Moan, Norwegen, Silbermedaillengewinner in der Nordischen Kombination, über die deutsche Konkurrenz)
"Wenn dich einer abschießt, ist es schnell vorbei." (Skicrosser Daniel Bohnacker zu den Unabwägbarkeiten seiner Sportart)
"Der Moment ist mega bitter. Das war ein rabenschwarzer Tag für uns Mädels" (Besser als Selina Jörg kann man den Tag der deutschen Snowboarderinnen nicht zusammenfassen)
"Ich fühle absolut nichts!" (Sbornaja-Superstar Alex Ovechkin nach dem Viertelfinal-Aus)
"Das ist sicherlich eine harte und sehr ärgerliche Niederlage. Hoffentlich können wir uns bald rächen. Vielleicht wird es diese Rache eines Tages geben - aber bestimmt nicht mit diesem Team." (Der Kommentator des russischen Staatssender "One TV" über die Sbornaja)
Zahlen des Tages:
0 Medaillen holten die deutschen Eisschnellläufer in Sotschi. Ein solches Debakel gab es zuletzt in Innsbruck 1964.
1,15 Sekunden fehlten Denise Herrmann und Stefanie Böhler am Ende im Team-Sprint auf Bronze. Es passte zu einem bitteren deutschen Tag.
4 positive Tests sollen nachträgliche Untersuchungen der eingelagerten Dopingproben von den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin ergeben haben.
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5 Mal Gold hat Marit Björgen nach dem Erfolg im Team-Sprint auf dem Konto. Das bedeutet Platz fünf in der ewigen Rangliste der erfolgreichsten Wintersportler.
22 Jahre ist die letzte Olympische Goldmedaille im Eishockey für Russland mittlerweile her. Und die Sbornaja muss nach dem Viertelfinal-Aus mindestens vier weitere Jährchen auf die nächste Chance warten.
38 Treffer bei 40 Schüssen - die Norweger dominierten die Mixed-Staffel nicht nur in der Loipe, sondern auch am Schießstand.
1964 blieb ein deutsches Bob-Team letztmals ohne Olympisches Edelmetall. In Sotschi könnte sich (die traurige) Geschichte wiederholen.
Name des Tages: Vic Wild
Mit seinem Namen wäre Snowboarder Vic Wild eigentlich auch für eine Laufbahn im horizontalen Gewerbe prädestiniert gewesen. Stattdessen entschied er sich für den Sport - und sah sich zu Beginn seiner Karriere einigen Hürden gegenüber. Gerade die finanzielle Unterstützung in den USA ließ offenbar zu wünschen übrig.
Aber nicht verzagen, Vic fragen: Da er zu der Zeit mit Alena Zavarzina, die ebenfalls auf dem Board unterwegs ist, anbandelte, machte er die Bekanntschaft eines russischen Trainers, der sein Talent erkannte und ihn zu einem Fahnenwechsel überreden konnte.
Die Frage war nur: Wie sollte man ausgerechnet einen Amerikaner zu einem russischen Staatsbürger machen? Ideen? Ganz einfach, man veranstaltet eine Hochzeit. Aus den Liebhabern Wild und Zavarzina wurde 2011 das Ehepaar Wild und Zavarzina, Vic startete fortan unter russischer Flagge - und holte bei seinen "Heimspielen" in Sotschi Gold im Parallel-Riesenslalom.
Noch nicht perfekt genug? Zavarzina holte zehn Minuten vor ihrer besseren Hälfte bereits Bronze in derselben Disziplin, die Biathlon-Poirees aus dem Jahr 2002 bekamen damit endlich ihre Nachfolger. Nur die USA dürften sich jetzt ein wenig in den Arsch beißen...