Drei Thesen zur Niederlage Deutschlands gegen Brasilien: Max Kruse muss schleunigst zu seiner Form finden

Von Falko Blöding
Bild mit Symbolcharakter: Felix Uduokhai und Anton Stach kollidieren, während des überaus fahrigen und fehlerhaften Auftritts der DFB-Auswahl gegen Brasilien.
© getty

Deutschland vergeigt den Auftakt in das olympische Fußballturnier und verliert die Neuauflage des Endspiels von 2016 mit 2:4 gegen Brasilien. Die Elf von Trainer Stefan Kuntz steht damit vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Saudi-Arabien unter großem Druck, während die Südamerikaner ihren Status als Favorit eindrucksvoll untermauern. Drei Thesen zum deutschen Olympiaauftakt gegen Brasilien.

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1. Die Favoriten schwächeln - Deutschland ganz besonders

2:4 gegen Brasilien, das mag noch einigermaßen erträglich, ja sogar knapp klingen. In Wahrheit aber war die deutsche Olympiamannschaft dem Titelverteidiger absurd unterlegen. In der Form sollte niemand von einer Medaille träumen. In der Form geht es einzig darum, das Aus in der Vorrunde irgendwie zu verhindern.

Zusammengewürfelte Mannschaft, nicht einmal alle Kaderplätze besetzt, wenig gemeinsame Trainingseinheiten, kaum Testspielminuten: Es kommt nicht überraschend, dass die Deutschen den stark besetzten Brasilianern unterlegen waren. Aber die vielen leichten Ballverluste und die teils haarsträubenden Fehler im Spielaufbau sollten zu denken geben.

Torhüter Florian Müller mit einigen starken Paraden nach einem unglücklichen Auftritt beim 0:1 und die brasilianische Chancenverwertung verhinderten, dass die Kuntz-Elf mit einer verheerenden Packung in das Turnier startete. Allein Herthas Matheus Cunha hatte noch drei Treffer auf dem Fuß und verschoss zudem einen Strafstoß.

Es ist eigentlich ein gehöriges Maß an Fantasie nötig, um sich vorzustellen, dass diese Mannschaft noch zu den drei Besten bei Olympia gehört - wenn da nicht die Auftritte anderer namhafter Teams am Donnerstag gewesen wären: Die stark eingeschätzten Argentinier kassierten gegen Australien eine überraschende 0:2-Niederlage, Mexiko fertigte die Auswahl von Weltmeister Frankreich mit 4:1 ab und Mitfavorit Spanien enttäuschte - mit sechs EM-Teilnehmern im Kader - bei seiner Nullnummer gegen Ägypten.

2. Richarlison demonstriert, warum Ancelotti ihn anrief

Sommerpause? Gibt's für Richarlison in diesem Jahr nicht! Der Everton-Stürmer stand vor zehn Tagen noch mit Brasiliens A-Nationalmannschaft im Finale der Copa America, nun also Olympia mit der U23. Ein Programm, das der neue Toffees-Trainer Rafa Benitez nur zähneknirschend akzeptierte: "Er hatte Olympia die ganze Zeit im Hinterkopf und wir mussten eine Lösung finden", sagte Benitez über die Freigabe, die sein Klub dem Angreifer schließlich erst während der Südamerikameisterschaft erteilte.

Richarlison wollte also unbedingt zu Olympia und wie viel Bock der 24-Jährige auf die Spiele hat, das bekam die deutsche Hintermannschaft in den ersten 30 Minuten eindrucksvoll zu spüren. Der 24-Jährige, in der Spitze neben Matheus Cunha aufgeboten, terrorisierte seine völlig überforderten Gegenspieler Amos Pieper und Felix Uduokhai und schnürte einen Dreierpack. Abstauber, Kopfball, Schlenzer - Richarlison zeigte sein ganzes Repertoire.

Eigentlich hätte in seinen Arbeitsnachweis der ersten Hälfte auch noch das Herausholen einer Roten Karte gehört, denn Piepers Zupfer im Laufduell hätte eigentlich einen Platzverweis verdient gehabt. Schiedsrichter Ivan Barton (El Salvador) entschied sich aber für Gelb für den deutschen Innenverteidiger.

Richarlison, für den Everton vor drei Jahren knapp 40 Millionen Euro Ablöse an den FC Watford überwies, ist ein ungemein vielseitiger Stürmer. Er kann beide Flügelpositionen beackern, als hängende Spitze oder eben an vorderster Front aufgeboten werden. Dazu gesellen sich hohe Qualitäten im Abschluss. Eine Mischung, die auch Ex-Everton-Trainer Carlo Ancelotti begeistert. Der Italiener telefonierte kürzlich nach Informationen von Goal und SPOX mit Richarlison, um wegen eines möglichen Wechsels zu Real Madrid vorzufühlen.

Während des noch Zukunftsmusik ist, hat es Richarlison aktuell kurioserweise in der eigenen Hand, den Saisonstart mit seinem Klub zu verpassen. Schießt er Brasilien mit weiteren Galaauftritten wie jenem vom Donnerstagmittag in das Spiel um die Goldmedaille, wird er beim Auftakt in der Premier League sicher nicht dabei sein.

"Natürlich gefällt uns das nicht, aber langfristig werden wir profitieren", ist Rafa Benitez sicher. "Er ist glücklich, dass er nun dort sein kann und er weiß, dass er uns nun etwas schuldig ist. Er wird versuchen, den Rest der Saison abzuliefern." Gelingt ihm das ansatzweise so wie gegen Deutschland am Donnerstag, war es eine weise Entscheidung, ihn nach Tokio reisen zu lassen.

Max Kruse (r.) und Kollegen waren mit dem starken Brasilien überfordert.
© getty
Max Kruse (r.) und Kollegen waren mit dem starken Brasilien überfordert.

3. Max Kruse muss schleunigst zu seiner Form finden

Ein großes Problem der deutschen Mannschaft: Die ohnehin schon bedenklich wackelnde Defensive bekam kaum Entlastung. Wurde mal ein Ball gewonnen, war der praktisch postwendend wieder weg.

Auch, weil Max Kruse als Zielspieler lange Zeit praktisch nicht stattfand. Der Stürmer agierte neben Marco Richter in der Spitze und ließ sich in bekannter Manier immer etwas zurückfallen. Bekam er dann Zuspiele, gelang ihm damit kaum Brauchbares.

Kruse, der immer wieder betonte, wie viel Lust er auf Olympia hat, leistete sich eine Menge Fehlpässe und traf häufig falsche Entscheidungen. So auch in der 12. Minute, als er den Ball am Sechzehner eben nicht für den startenden Arne Maier durchließ.

Zwar wurde es nach dem Seitenwechsel besser, als der Union-Star etwas mehr involviert war und auch beim 1:3 durch Nadiem Amiri seine Füße im Spiel hatte, unterm Strich bleibt aber eine schwache Leistung des etatmäßigen Anführers. Kruse wirkte zudem auch nicht, als spiele er in körperlicher Top-Verfassung. Nach 67 Minuten hatte er bereits Feierabend.

"Wir werden alles daransetzen, Gold zu holen", sagte Kruse neulich in einem launigen Instagram-Live mit Mannschaftskamerad Richter. Zeit, diese Worte mit stärkeren Leistungen als der vom Donnerstag zu untermauern.

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