Wimbledon-Erkenntnisse: Novak Djokovic ist gleichzeitig Thanos und Iron Man

Von Stefan Petri
Novak Djokovic hat acht der letzten 12 Grand Slams gewonnen.
© getty
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3. Zverev und Kerber: Der nächste deutsche Grand-Slam-Titel ist nicht in Sicht

Angelique Kerber kann man zu ihrem überraschenden Run ins Halbfinale nur beglückwünschen. Wo wohlmeinende Fans und Experten nach extrem dürren Monaten und vielen frühen Niederlagen schon das Karriereende am Horizont nahen sahen, gewann sie fast aus dem Nichts das Turnier in Bad Homburg und spielte auch in Wimbledon um den Titel mit. Hut ab!

Gleichzeitig ist die dreifache Major-Gewinnerin aber auch schon 33 Jahre alt. Selbst wenn man sich des Eindrucks erwehren will, dass es auf Slam-Ebene ihr letztes großes Hurra gewesen sein könnte: Er lauert dennoch im Hinterkopf. Es wäre natürlich umso schöner, wenn es tatsächlich klappen sollte, aber einen Grand-Slam-Titel darf man von ihr eigentlich nicht mehr erwarten.

Dafür ist eigentlich Alexander Zverev da. Der 24-Jährige war bei den US Open 2020 schon ganz nah dran - so nah, dass das Urteil dieses Autors durchaus zuversichtlich ausfiel. Knapp ein Jahr später muss man allerdings festhalten, dass der letzte große Schritt weiter auf sich warten lässt.

Zwar liest sich die Bilanz der bisherigen Slams im Jahr 2021 nicht unbedingt schlecht (Halbfinale - Viertelfinale - Achtelfinale), die Niederlagen gegen unterklassige Gegner bei den Slams hat er längst abgestellt. Aber die Matches gegen die hochklassigen Gegner verliert er eben immer noch - und zwar alle. Weiterhin hat er bei einem Major noch nie einen Top-10-Spieler schlagen können. Und so kann man einen ganz großen Titel eben nicht gewinnen.

Natürlich sollte niemand die Hoffnung aufgeben, am wenigsten Zverev selbst. Er ist noch jung, es gibt klare Verbesserungsmöglichkeiten wie etwa beim Aufschlag. Schon oft war er richtig nah dran. Aber die Konkurrenz schläft nicht, die Traube der Hoffnungsvollen hinter Djokovic (und Nadal) wird immer dichter. Deshalb muss man an dieser Stelle leider festhalten: Die Chancen auf einen schnellen ersten Herren-Slam seit Boris Becker 1996 (Australian Open) sind in den letzten Monaten eher gesunken.

4. Ashleigh Barty kann Ordnung ins Damentennis bringen

Die Unberechenbarkeit in den Slams bei den Damen ist längst legendär - und sie wird immer ... legendärer? Fakt ist: In den letzten drei Majors wurden die 24 zu vergebenen Achtelfinal-Plätze von 22 verschiedenen Damen belegt - lediglich Ashleigh Barty und Karolina Muchova gaben sich zweimal die Ehre. Und: Seit unglaublichen fünf Slams gab es kein Duell zweier Top-Ten-Spielerinnen mehr. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Die Gründe dafür sind vielschichtig: Die WTA-Tour ist sicherlich breiter aufgestellt, wenn es darum geht, wer Top-Spielerinnen schlagen kann. Dazu kommen Verletzungen, zuletzt die Corona-Absagen und die Beläge, die teilweise einen größeren Unterschied machen als bei den Herren: Eine Naomi Osaka ist auf Hartplatz grandios - aber eben nur auf Hartplatz. Ob man dieses "Flatterhafte" als Zuschauer bevorzugt oder nicht, ist letztendlich Geschmackssache, bei den Herren kippte das Verhältnis in den vergangenen 15 Jahren schließlich ins andere Extrem.

Eine Ashleigh Barty brächte allerdings das nötige Rüstzeug mit, um wieder etwas Ordnung in den Damen-Kosmos zu bringen. Die Australierin hat nun einen French-Open- und einen Wimbledon-Titel vorzuweisen und auch auf Hartplatz hat sie schon große Turniere gewonnen, darunter die WTA Finals 2019. Mit ihrem enorm vielseitigen, adaptiven Spiel kann sie sich auf ihre Gegnerinnen einstellen, Taktiken wechseln und Schwachstellen attackieren. Gleichzeitig ist sie in der Defensive stark, ihr Rückhand-Slice ist eine echte Waffe. Und sie hat einen sehr vernünftigen Kopf auf den Schultern und kann mit Druck umgehen.

Sie steht dabei sinnbildhaft für eine WTA-Tour, die sich in den letzten Jahren wegbewegt hat vom einseitigen Ballgedresche, als sich Spielerinnen in ihrem Härter-ist-besser-Stil sehr ähnlich waren. Barty, French-Open-Championesse Barbora Krejcikova, Iga Swiatek, aber auch eine Ons Jabeur, die in Wimbledon mit ihren Stopps begeisterte oder die unerschütterliche Su-Wei Hsieh. Die Ära von Serena Williams ist beendet, das WTA-Zepter sucht eine neue Besitzerin. Und die Auswahl ist groß - auch in puncto Vielfalt auf dem Court.

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