Ion Tiriac feiert 75. Geburtstag

SID
Für Ion Tiriac ist sein Alter nicht von großer Bedeutung
© getty

Irgendwie sieht er immer noch so aus, als würde er gleich um die Ecke ein paar wertvolle Teppiche verkaufen. Am Freitag wird Ion Tiriac 75. "Eine Zahl", sagt er, "nur eine Zahl."

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Einst nannte man ihn den Zausel. Schwerer Gang, nach vorne abgeknickt, dunkle Kräuselhaare, finsterer Blick, ein Mordsschnauzer verdeckte jede emotionale Regung. Inzwischen hat Ion Tiriac keine Wolle mehr auf dem Kopf, und er ist auch nicht mehr jener Zausel, den die Tenniswelt kannte und fürchtete. Am Freitag (9. Mai) wird der Macher von Boris Becker 75.

Tiriac ist immer noch Tiriac, nicht immer geliebt, aber stets geachtet. Er war kein großer Spieler, aber fleißig und mit einem unglaublichen Näschen für Geld. Geschäftlich hat er alles erreicht, ob im Privatleben auch, bleibt fraglich. Zwei Kinder hat er, keine Ehefrau, "die Freunde sind meine Familie", sagt er.

Wegen des finsteren Tiriac sprang nirgendwo in der Welt ein Tennisfan hoch, eher für den fünf Jahre jüngeren Künstler Ilie Nastase, seinen alten Wegbegleiter. Tiriac brachte es dennoch weiter. In seiner Garage stehen Ferrari, Mercedes, Bentley, dort steht auch der gepanzerte Wagen des früheren deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt. Zu Hause ist Tiriac in der ganzen Welt, doch daheim, "bin ich in Rumänien".

Vom Fließband an die Spitze

Ion Tiriac stammt aus Kronstadt in Siebenbürgen. Dort stand er am Fließband einer Kugellagerfabrik und prüfte den Härtegrad der Lager. Er wohnte in der gleichen Straße wie Günther Bosch (77), der testete neben ihm im gleichen Lastwagenwerk das Material. Bosch spielte Tennis, irgendwann gab er Tiriac die ersten Trainerstunden.

Nach drei Jahren war der Zausel besser als sein Lehrer. Beide knatterten mit einem Java-Motorrad zu Turnieren in Rumänien, Tiriac brachte Bosch zwischendurch bei, wie man Geld verdient. Bosch hatte dann die Idee mit Boris Becker, Tiriac trieb das nötige Geld ein. Bosch glaubte an Becker, er gab seinen Beamtenjob als Bundestrainer des Deutschen Tennis Bundes auf und tingelte mit dem rothaarigen Jungen durch die Lande. Doch die Turnierreisen kosteten gut und gerne 200.000 Mark im Jahr. "Ich brauchte jemanden, der auch an Boris glaubte", sagt Bosch.

Eines Tages sagte Bosch zu Tiriac, er solle sich diesen Becker doch wenigstens mal anschauen. Tiriac ließ den jungen Leimener mit dem Argentinier Guillermo Vilas, damals einer der Weltbesten, nicht weniger als fünf Stunden in Monte Carlo Bälle schlagen. Vilas kannte Becker nicht, aber Tiriac war halt sein Manager. Am Ende war Becker kurz vor dem Erbrechen, Vilas auch. Tiriac sagte zu Bosch: "Günther, wir müssen mit den Eltern von Boris reden."

Man traf sich 1983 im Flughafenhotel in Frankfurt/Main, dass Tiriac eigens einen Rollys-Royce anmietete, um Eindruck zu schinden, gehört allerdings ins Reich der Fabel. Tiriac sagte Karl-Heinz und Elvira Becker, ihr Sohn könne ein Weltklassespieler werden, er werde dann aber kaum noch daheim sein. Und er sagte, der Junge habe das Talent und den Biss eines Wimbledonsiegers. Das Trio wurde eine starke Firma: Becker spielte, Bosch trainierte, Tiriac beschaffte Verträge und Geld.

Tiriac als Zugpferd

Der ehemalige rumänische Eishockey-Nationalspieler und Olympia-Teilnehmer Tiriac wurde für alle Beteiligten zu einem Glücksgriff. Und er kassierte ordentlich mit und ab. Vom Preisgeld behielt er zehn Prozent ein, von den Werbeeinnahmen 30 Prozent. Boris Becker wurde dennoch locker zum Multimillionär.

Auch dem Deutschen Tennis Bund schaufelte der Rumäne in jenen Jahren Millionen zu, geblieben ist davon nichts. Die deutschen Landesverbände haben zwar weltweit die besten Leistungszentren, aber keinen entsprechenden Nachwuchs.

Als Ion Tiriac neun Jahre alt war, starb sein Vater. Er musste sich allein nach oben durchkämpfen, und das war im damaligen Ostblock wahrlich beschwerlicher als im Westen. Er klagte dennoch nie. Tiriac war Präsident des Nationalen Olympischen Komitees seines Landes, er besitzt Wohnungen in New York, Paris, Monte Carlo und London.

Geld, so erzählte er mal, hatte nie eine große Bedeutung für ihn, mit seinem ewigen Doppelpartner Ilie Nastase schlief er oft auf den Fahrten von Turnier zu Turnier in Eisenbahnwagons, einmal sogar in einem Restaurant. Seine Maxime war damals wie heute dieselbe: "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss." Ion Tiriac hat es immer getan.

Die Weltrangliste der ATP im Überblick

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