Generationswechsel vor Vollzug?

Von Gunnar Göpel
Die Gewinner 2012: Peter Sagan, Bradley Wiggins, Thomas Voeckler und Tejay Van Garderen
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Das Gepunktete Trikot: Die Bergwertung

Das Profil der 100. Tour de France ist äußerst anspruchsvoll und mehr als hügelig. Mit den Bergwertungen auf dem Mont Ventoux, dem Col de la Madeleine, Ax-3-Domaines und der doppelten Überquerung von Alpe d'Huez müssen einige der berühmtesten und schwierigsten Prüfungen der Tour-Geschichte absolviert werden. Diese Wertungen der "Hors Categorie" (HC) sind das Non-Plus-Ultra für jeden Bergfahrer. Einen Favoriten auf das Gepunktete Trikot vorherzusagen ist schwierig: Die Historie zeigt jedoch eine deutlich sichtbare Überschneidung von Bergtrikot und den angrifflustigsten Fahrern.

Thomas Voeckler (34, FRAU / Europcar)

Im letzten Jahr gewann Thomas Voeckler die Bergwertung dank seiner offensiven Fahrweise und seinen vielen Ausreißversuchen. Auch in diesem Jahr ist der 34-jährige Publikumsliebling der Franzosen einer der Favoriten.

Im Fahrerfeld und außerhalb seines Heimatlandes ist Voeckler hingegen umstritten. 2012 wurde der Vorwurf laut, dass sich der Kämpfer zu lange im Windschatten seiner Konkurrenten aufhielt, als er das Bergtrikot bereits trug.

Mit einem Etappensieg beim Criterium hat der Europcar-Fahrer seine gute Form unter Beweis gestellt. Mit Teamkollege Pierre Roland, letztes Jahr als Gesamtachter bester Franzose, ist ebenfalls zu rechnen.

Das Movistar-Duo: Alejandro Valverde und Nairo Quintana

Auch das Team Movistar schickt ein ganz spannendes Duo ins Rennen. Der 33-jährige Alejandro Valverde ist nach der Dopingsperre zurück und wird in vielen Ausreißgruppen zu sehen sein. Spannender ist die zweite Personalie: Der Kolumbianer Nairo Quintana wird mit seinen 23 Jahren zum ersten Mal bei der Tour de France starten.

Er ist ein weiterer Fahrer aus einer glänzenden Generation kolumbianischer Radprofis, aus der unter anderem auch Sergio Henao, Rigoberto Uran (Sky) und Carlos Betancur (AG2R) hervorgingen. Seit Ende Mai bestritt der Youngster keinen Wettkampf und bereitet sich mit Alejandro Valverde gezielt auf einige Anstiege der Rundfahrt vor. Experten sind sich sicher: Quintana hat das Potential einer der besten Bergfahrer des nächsten Jahrzehnts zu werden.

Weitere Favoriten:

Fredrik Kessiakoff (33, SWE/ Astana): Der exzellente Mountainbiker aus Schweden war im letzten Jahr der Zweitplatzierte in der Bergwertung. Auch in diesem Jahr wird Kessiakoff alle Freiheiten haben, um auf Etappensiege zu zielen.

Brice Feillu (27, FRAU / Saur-Sojasun): Für einen Bergfahrer hat Brice Feillu seltsame Proportionen. Mit 1,88 Meter überragt er an steilen Anstiegen viele seiner deutlich kleineren Konkurrenten. Doch der 27-Jährige wiegt nur 66 Kilogramm. Auch er wird seine Chance in der Flucht suchen.

Das Punktetrikot: Die Sprintwertung

Das grüne Trikot wird zum Duell der beiden letzten Gewinner: Peter Sagan und Mark Cavendish. Aus deutscher Sicht ist diese Wertung die vielversprechendste: Mit Andre Greipel, Marcel Kittel, John Degenkolb und Marcel Sieberg steht, mit Ausnahme von Gerald Ciolek, das Who-is-Who der deutschen Sprinterszene auf dem Meldebogen. Auch ein Australier zählt zu den Favoriten.

Peter Sagan (23, SVK / Cannondale)

Obwohl der Slowake nicht die höchste Endgeschwindigkeit hat, geht der Vorjahressieger als Topfavorit in das Rennen. Das Profil der diesjährigen Rundfahrt ist dem 23-Jährigen wie auf den Leib geschnitten.

Sagan kommt mit deutlich weniger Problemen über die Berge. Während die zahlreichen Anstiege der Konkurrenz einiges abverlangen, kann der Cannondale-Star auch bei Ausreißversuchen und Zwischensprints Punkte sammeln. Weiterer Vorteil: Sagan, der seine Qualitäten auch bei Eintagesklassikern bewiesen hat, verfügt im Sprint mit ansteigender Zielgerade über die besten Karten.

Mark Cavendish (28, GBR / Omega Pharma-Quick Step)

Der Mann von der Isle of Man kann die höchste Endgeschwindigkeit aller Fahrer erreichen. 95 Karrieresiege und 138 Podien sind eine unfassbare Bilanz. Der Weltmeister von 2011, damals vor Matthew Goss und Andre Greipel, kann auf den vielleicht besten Sprintzug zurückgreifen. Vor allem mit Anfahrer Gert Steegmans versteht sich der 28-jährige "Cav" blind. Seine Form beim Giro d'Italia war ausgezeichnet: Er gewann die Sprintwertung.

Andre Greipel (30, DEU/ Lotto-Belisol)

Wie sein langjähriger Konkurrent Cavendish konnte auch der amtierende deutsche Meister im letzten Jahr drei Tour-Etappen gewinnen. Auch die Karrierestatistik des zwei Jahre älteren Deutschen steht der von Cavendish in nichts nach: 88 Siege und 131 Podien sind ebenfalls herausragend!

In diesem Jahr sind sich die Konkurrenten soweit es geht aus dem Weg gegangen. Der fast zehn Zentimeter größere und fünf Kilogramm schwerere Greipel ist das Kraftpaket der Sprintergemeinde. Er darf aufgrund seiner Statur nicht zu früh im Wind stehen.

Mit Marcel Sieberg unterstützt ihn ein weiterer deutscher Topsprinter bei der taktischen Anfahrt in Richtung Zielgerade.

Matthew Harley Goss (26, AUS / Orica Greenedge)

Konstanz ist die große Stärke des Australiers. Selten gewinnt er eine Etappe bei einer großen Rundfahrt, aber er fährt zuverlässig auf die vorderen Plätze. Im letzten Jahr war ein siebter Platz seine schlechteste Platzierung unter allen Sprintankünften. Das ergab Platz drei insgesamt. Dem mehrfachen Bahnrad-Weltmeister steht in diesem Jahr ein ausgezeichnetes Team zur Verfügung. Ein Sprintzug aus Stuart O'Grady, Simon Gerrans, Brett Lancaster und letztem Anfahrer Daryl Impey kann sich sehen lassen!

Das Argos-Shimano-Duo: Marcel Kittel und John Degenkolb

Mit dem 25-jährigen Marcel Kittel und dem 24-jährigen John Degenkolb stehen Argos-Shimano gleich zwei gute deutsche Sprinter zur Verfügung. Aller Voraussicht nach wird Kittel als Nummer Eins in die drei Wochen starten. Allerdings gilt auch: Die Form wird entscheiden. Sollte der einstige U23-Zeitfahreuropameister schwächeln, könnte John Degenkolb in die Bresche springen.

Die Nachwuchswertung: Der beste Jungprofi

Eine Wertung, die im letzten Jahr überraschend deutlich entschieden wurde. Tejay Van Garderen (BMC) gewann als Tour-Fünfter gleichzeitig die Nachwuchswertung.

Auf den Zweitplatzierten Thibaut Pinot (FDJ) hatte der US-Boy am Ende über sechs Minuten Vorsprung. Der Dritte Steven Kruijswijk (Rabobank) lag am Ende sogar über eine Stunde zurück.

So deutlich wird es in diesem Jahr sicherlich nicht werden. Wie im Vorjahr werden auch dieses Jahr Van Garderen und Pinaut eine Rolle spielen. Der Amerikaner hat als sehr guter Zeitfahrer einen großen Vorteil gegenüber der 23-jährigen französischen Hoffnung.

Thibaut Pinot (23, FRA / FDJ)

Pinot ist nicht zu unterschätzen: Im letzten Jahr gewann er bei seinem Tour-Debüt und jüngstem Rundfahrer die achte Etappe. Vor allem am Berg liegen die Stärken des Franzosen. Er wird sich eine mutige und beherzte Fahrweise vornehmen müssen, wenn er das weiße Trikot überstreifen will.

Nairo Quintana (23, COL / Movistar)

Der nationale U23-Zeitfahrmeister von 2009 ist ein begnadeter Bergfahrer. Neben der Jagd auf das Gepunktete Trikot sollte er auch gute Chancen auf eine gute Gesamtplatzierung haben.

Andrew Talansky (23, USA / Garmin-Sharp)

Der in Miami aufgewachsene Talansky kam über Umwege relativ spät zum Radsport. In der High-School war er ein guter Cross-Läufer, doch er verletzte er sich häufig. Mit 17 Jahren probierte er den Radsport aus und blieb dem Sport treu. Bereits 2010 gewann der gute Allrounder die Einzelzeitfahr-Meisterschaften in den USA. Andrew Talansky gilt als eines der größten Talente Amerikas und beendete die Vuelta 2012 auf einem sehr guten siebten Platz.

Die Radsport-Termine 2013