Andy Schleck: "Mit großem Hunger zur Tour"

Von Interview: Torsten Adams
Leoparden unter sich: Andy Schleck (l.) und Fabian Cancellara bei der Teamvorstellung der Tour
© Getty

Andy Schleck wurde in den letzten beiden Jahren Gesamtzweiter der Tour de France - jeweils hinter Alberto Contador. Im Interview erklärt der Leopard-Kapitän, warum er dieses Jahr gewinnen kann. Zudem spricht Schleck über die Zeitfahr-Qualitäten von Fabian Cancellara und die Rolle von Linus Gerdemann und Jens Voigt.

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SPOX: Herr Schleck, was heißt eigentlich Morgenmuffel auf Luxemburgisch?

Andy Schleck: Oh, die Frage wurde mir in der Woche vor der Tour auch noch nicht gestellt. Warum fragen Sie?

SPOX: Ihr Bruder Fränk sagt, dass er morgens meist sehr still sein müsse, um Sie nicht zu nerven. Und er muss es ja wissen. Schließlich teilen Sie sich bei Rundfahrten immer das Hotelzimmer.

Schleck (lacht): Ach, das ist nur seine Version der Geschichte. Nein, im Ernst. Er hat recht, ich bin nicht wirklich eine Person, die morgens aufsteht und direkt über beide Backen strahlt. Ich brauch immer eine gewisse Anlaufzeit.

SPOX: Nicht nur Sie und Ihr Bruder verstehen sich prächtig, sondern man hat das Gefühl, dass das komplette Leopard-Team eine große Familie ist. Woran liegt das?

Schleck: Das stimmt, wir sind nicht nur Arbeitskollegen, sondern Freunde. Wir kennen uns schon seit Jahren aus dem Peloton und die meisten von uns - Fahrer genauso wie auch Mechaniker oder Physios - haben ja auch eine gemeinsame Zeit bei Saxo Bank gehabt.

SPOX: Auf den Türen des Mannschaftsbusses sieht man nur die Vornamen der Fahrer, genauso wie auf der Homepage, wenn man die Rubrik "Team" aufruft. Woher kommt diese ungewöhnliche Art der Selbstdarstellung bei Ihrem Team?

Schleck: In den Training Camps in Crans Montana und auf Mallorca haben wir den Grundstein dafür gelegt. Das war Team Building vom Feinsten. Es waren aber auch die einzigen Tage, an denen wirklich alle vom Team beisammen waren. Denn wenn die Saison erst mal begonnen hat, fährt jeder sein eigenes Programm und es kann sein, dass du einen Fahrer für eine lange Zeit nicht mehr siehst.

SPOX: Ihren Bruder sehen Sie allerdings sehr häufig, auch wenn er nicht das gleiche Rennprogramm fährt wie Sie. Wie bewerten Sie die ersten Monate von Ihnen und Fränk beim Team Leopard?

Schleck: Ich denke, wir waren sehr erfolgreich. Nach den Frühjahrsklassikern waren wir laut UCI-Liste das beste Team der Welt. Das bedeutet, dass wir einen guten Job gemacht haben.

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SPOX: Aber ein großer Sieg bei den Klassikern blieb Leopard verwehrt.

Schleck: Der ganz große Triumph fehlt, aber wir standen bei Lüttich-Bastogne-Lüttich zu zweit auf dem Podium. Zudem beendete Fabian (Cancellara; Anm. d. Red.) die Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix und Mailand-San Remo jeweils auf dem Treppchen. Nicht zu vergessen: Daniele Bennatis Zweiter Platz bei Gent-Wevelgem. Ich denke, wir können stolz sein auf unsere Ausbeute aus dem ersten Frühjahr seit der Teamgründung.

SPOX: Im letzten Jahr fuhren Sie noch unter Bjarne Riis bei Saxo Bank. Wenn Sie die beiden Teams vergleichen: Welches ist das bessere?

Schleck: Saxo Bank ist Vergangenheit, und ich schaue gerne nach vorne. Außerdem sind es zwei völlig unterschiedliche Rennställe.

SPOX: Ihr Nachfolger als Kapitän bei Saxo Bank ist gleichzeitig Ihr wohl ärgster Rivale um den Toursieg. Wie bewerten Sie die Teilnahme von Alberto Contador?

Schleck: Wir hätten es natürlich begrüßt, wenn das Internationale Sportgericht im Fall Contador schon vor der Tour zu einem Urteil gekommen wäre. Das ist nicht der Fall, also stellen wir uns der neuen Situation.

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SPOX: Wie schätzen Sie Ihre Chancen auf den Toursieg ein?

Schleck: Ich bin definitiv mit großem Hunger zur Tour gekommen. Ich habe alles Mögliche unternommen, um in diesem Jahr zu gewinnen. Meine Vorbereitungen liefen perfekt, ich war weder krank noch verletzt und liege absolut im Plan.

SPOX: Auch ihr Bruder lieferte in diesem Jahr starke Leistungen ab. Beispielsweise beim Criterium International, das er gewann. Werden Sie als alleiniger Kapitän Ihres Teams in die Tour gehen oder startet Leopard mit einer Doppelspitze Andy / Fränk?

Schleck: Es gibt zwei Fahrer für das Gesamtklassement, Fränk und mich. Diese taktische Konstellation ist ein enormer Vorteil für uns. Ich weiß nicht, warum mein Bruder auf einmal mein Helfer werden sollte. Schließlich habe ich ihn am Berg noch nie abgehängt.

SPOX: Worauf haben Sie bei Ihrer Tour-Vorbereitung besonderen Wert gelegt? Bergqualitäten oder doch eher Zeitfahren?

Schleck: Mein Training habe ich nur minimal umgestellt. Ich bin ein wenig schwerer, das sehe ich aber positiv, denn dadurch bin ich im Vergleich zum letzten Jahr auch stärker. Das kommt durch das Krafttraining im Winter. Zudem habe ich enorm an meinen Zeitfahrqualitäten gefeilt, und es gibt immer noch viel Luft nach oben. Mindestens zwei Mal pro Woche sitze ich auf der Zeitfahrmaschine.

SPOX: Mit Fabian Cancellara haben Sie den weltbesten Zeitfahrer in Ihrem Team. Hat er Ihnen gezeigt, wie Zeitfahren funktioniert?

Schleck: Der Kampf gegen die Uhr liegt Fabian einfach im Blut, genauso wie Fränk und ich sehr gut die Berge hochkommen. Für ihn ist es schwer zu sagen, was ihn in dieser Disziplin so einzigartig macht. Er ist einfach ein völlig unterschiedlicher Fahrertyp, alleine schon wegen seiner körperlichen Konstitution. Und das erfordert auch ein völlig individuelles Trainingsprogramm.

SPOX: Neben Ihnen, Ihrem Bruder und Cancellara wird auch Linus Gerdemann Teil des Tourteams sein. Was erwarten Sie von ihm in den nächsten drei Wochen?

Schleck: Linus ist ein fantastischer Fahrer. Er wird das Rennen zusammen mit Maxime (Monfort; d. Red.) und Jakob (Fuglsang; d. Red.) für die anderen Teams sehr schwer machen. Er ist ein wichtiger Eckpfeiler in unserer Mannschaft.

SPOX: Der zweite Deutsche, der in Frankreich für Leopard an den Start gehen wird ist Jens Voigt. Er wird im Herbst 40 Jahre, wie wichtig ist er für das Team?

Schleck: Jens ist einfach einzigartig, fast schon eine Legende. Seine Bedeutung für das Team ist unglaublich hoch. Ich vertraue ihm wirklich in allen Belangen. Der Altersunterschied zwischen ihm und mir ist kein Problem. Im Gegenteil, so können wir unglaublich viel voneinander lernen.

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