Militär-Weltspiele als Superspreader? "Das war COVID-19"

SID
Die Militär-Weltspiele fanden vom 18. bis zum 27. Okrober 2019 im chinesischen Wuhan statt.
© imago images

Die Militärweltspiele in Wuhan im Oktober könnten ein Corona-"Superspreader" gewesen sein. Einige Indizien sprechen dafür.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Maatje Benassi lebt in ständiger Angst. "Es ist, wie von einem Albtraum in den nächsten zu stürzen", klagt die Radsportlerin und Reservistin der US Army. Seit sie Ende Oktober von den Militär-Weltspielen in Wuhan heimkehrte, ist nichts, wie es vorher war: "Wenn jemand meinen Namen googelt, wird dort für immer stehen: Patient null."

Maatje Benassi, 52, erhält Morddrohungen. Sie wurde zwar weder positiv auf das Coronavirus getestet noch hatte sie je die einschlägigen Symptome, es ist schlicht alles Unfug. Doch ein bekannter Verschwörungstheoretiker mit großer YouTube-Reichweite hat beschlossen, sie habe Wuhan damals als lebende Biowaffe betreten: Um China zu schaden, das den USA den Platz an der Sonne streitig macht.

Dies ist die abwegige Seite. Interessant ist allerdings: Mehrere Indizien nähren die Theorie, die Armee-Weltspiele mit fast 10.000 Athleten aus 110 Ländern seien ein sogenannter Corona-"Superspreader" gewesen. Womöglich sogar der erste.

Fecht-Olympiasieger sicher: "Das war COVID-19"

Italiens Fecht-Olympiasieger Matteo Tagliariol ist sich da ziemlich sicher. "Als wir in Wuhan eingetroffen sind, sind wir alle erkrankt. Alle sechs Personen in meiner Wohnung waren krank, auch viele Athleten anderer Delegationen", berichtete der 37-Jährige der Zeitung Corriere della Sera.

Er habe schwer gehustet, nach der Rückkehr bekam er "sehr hohes Fieber, ich konnte kaum atmen. Auch Antibiotika halfen nicht." Schließlich habe sich sein zweijähriger Sohn infiziert, dann seine Freundin: "Als man begonnen hat, vom Virus zu sprechen, dachte ich: Ich habe mich angesteckt. Das war COVID-19."

Zwar wird der erste offizielle Coronafall weiterhin auf Anfang oder Ende Dezember datiert, doch Studien legen einen früheren Ausbruch nahe. Ein deutsch-britisches Forscherteam hat laut Süddeutscher Zeitung errechnet, dass dieser mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen dem 13. September und 7. Dezember stattgefunden hat - die Weltsoldatenspiele liefen vom 18. bis 27. Oktober.

10.000 Menschen, die sich aus aller Welt kommend an einem Ort versammeln und nach zehn Tagen wieder zurückreisen, dazu 230.000 freiwillige Helfer, alles in einer 11-Millionen-Stadt. Das klingt als Verteilerkreisel für ein Virus geradezu logisch. Die Sommerspiele von Tokio, eigentlich geplant für diesen Sommer, wurden aus der Angst verlegt, eine ähnliche Drehscheibe zu werden.

Zahl der Erkrankungen im deutschen Team niedrig

Laut der französischen Sporttageszeitung L'Equipe haben sich die frühere Fünfkampf-Weltmeisterin Elodie Clouvel ("Wir waren alle krank") und ihr Kollege Valentin Belaud, Weltmeister 2019, wahrscheinlich ebenfalls bei den Spielen in Wuhan infiziert. Weitere Fälle werden aus Italien gemeldet, in Luxemburg gibt es zumindest einen Verdacht.

Und in Deutschland? "Im Nachhinein haben wir natürlich schon gescherzt: Wuhan, da waren wir doch, das kannte vorher ja keiner", sagte Luftpistolenschützin Sandra Reitz aus Regensburg dem SID am Freitag. Reitz hat bei den Militärspielen Gold gewonnen, Außergewöhnliches hat sie unter den 243 deutschen Sportlern nicht bemerkt: "Es gab auch in unserem Umfeld verschiedene Erkrankungen. Das ist aber nichts Verwunderliches, das war eigentlich immer so."

Laut Auskunft des deutschen Delegationsleiters Christian Lützkendorf lag die Zahl der Erkrankungen im deutschen Team sogar unter jener vergangener Spiele. "Wir haben gar nichts davon gehabt", sagte er dem SID.

Maatje Benassi auch nicht. Dennoch steht ihr Leben kopf, besonders, seit chinesische Medien die Verschwörungstheorie als willkommene Ablenkung entdeckt haben. "Was immer auch als nächstes geschieht", sagte Benassi im CNN-Interview, "der Schaden ist längst angerichtet."

Artikel und Videos zum Thema