Schwache Leistungen trüben Olympia-Aussichten

SID
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Nürnberg - Den hochgelobten Werfern fehlt noch die internationale Klasse, die Läufer lahmen, und die Stabhochspringer sind vor allem mit sich selbst beschäftigt: 40 Tage vor dem Olympia-Start in Peking sind die Aussichten für den Saisonhöhepunkt trüber, als es der DLV wahrhaben will.

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Bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg konnten selbst Hammerwurf-Weltmeisterin Betty Heidler und Speerwurf- Europarekordlerin Christina Obergföll trotz Titelverteidigung nicht überzeugen.

Die fehlende Diskus-Seniorin Franka Dietzsch kämpft derzeit in Kienbaum um ihre minimale Olympia-Chance, die Hammerwerfer Markus Esser am Sonntag endgültig verspielte.

Cheftrainer redet Misere schön

Immerhin 58 Athleten inklusive der vier Staffeln stehen derzeit auf der Vorschlagsliste des DLV. Der Deutschen Olympische Sportbund (DOSB) nominiert am 14. Juli. Cheftrainer Jürgen Mallow bemühte sich trotz Mittelmaßes, die Titelkämpfe schönzureden.

"Das war ein Etappensieg für die Leichtathletik. Wir haben hier eine deutsche Meisterschaft und kein internationales Meeting. Fernvergleiche erscheinen mir nicht ganz gerecht", sagte er.

Besonders die Werfer - in den vergangenen Jahren immer eine Medaillenbank - suchen noch ihre Top-Form. Die zweimalige Vizeweltmeisterin Obergföll (Offenburg) bezwang erst im letzten Versuch mit 62,18 Metern ihre Leverkusener Dauerrivalin Steffi Nerius.

Vor einem Jahr war Obergföll schon fast zehn Meter weiter gekommen. "Es war schön, dass ich heute im letzten Versuch noch etwas umbiegen konnte, aber mit dieser Weite kann ich bei Olympia gar nichts umbiegen", gab die 26-Jährige zu.

Heidler enttäuscht

Noch härter ging Heidler nach ihren 68,64 Metern mit sich ins Gericht. "Schlechte Weite, schlechter Wettkampf. Mein Anspruch sind nicht 70, sondern 75 Meter", sagte die Frankfurterin. Diskus-Riese Robert Harting durfte sich zwar über seine Meisterweite von 66,26 freuen, stöhnte aber über gesundheitliche Probleme. "Mit meinen Knieschmerzen muss ich aufpassen. Mit der Anzahl der Spritzen bin ich schon am Limit", meinte der WM-Zweite aus Berlin.

Wegen zunehmender Schmerzen im Fuß musste Hochspringer Eike Onnen (Hannover) enttäuscht aufgeben. "Das war eine Vorsichtsmaßnahme, aber bis Olympia kann ich sicher den Fuß wieder so aufbauen, dass ich dort vernünftig springe", sagte Onnen. Der Titel ging mit 2,23 Metern erstmals an den Dresdner Raul Spank.

Die größte Show lieferten die Stabhochspringer. Sieben standen am Schalter für Peking, ein Trio buchte die Tickets. Als es drauf ankam, war Altmeister Tim Lobinger plötzlich wieder da: Mit 5,75 Metern durfte er sich als Meister feiern lassen.

"Mit dieser Vision bin ich in den Wettkampf gegangen, das war genau das, was ich wollte", meinte der 35 Jahre alte Wahl-Münchner triumphierend. Der 17 Jahre jüngere Raphael Holzdeppe (Zweibrücken) und Danny Ecker (Leverkusen) begleiten Lobinger nach China. Der WM-Dritte Ecker muss aber noch seine entzündete Achillessehne auskurieren.

Hingst holt Stabhochsprung-Titel

Bei den Damen wurde Carolin Hingst vom USC Mainz zum zweiten Mal nach 2004 deutsche Stabhochsprung-Meisterin. Die 27-Jährige setzte mit einer gesprungenen Höhe von 4,55 Metern durch.

Zweite wurde Nastja Reiberger (Ludwigshafen) mit 4,50 Meter vor der höhengleichen Vorjahres-Siegerin Silke Spiegelburg (Leverkusen). Dieses Trio hat die Olympia-Norm (4,50) erneut erfüllt und darf nun für die Sommerspiele in Peking planen.

Schlimm erwischte es Weltklasse-Weitspringerin Bianca Kappler. Unmittelbar vor dem Wettkampf riss sich die WM-Fünfte von Osaka die Achillessehne; danach heulte die 30-Jährige aus Rehlingen auf dem Aufwärmplatz Rotz und Wasser.

Außer Unger, Schlangen und Nytra können alle gehen

Zum Weinen ist auch die Situation für Sprinter und Läufer. Nur ein Trio wird sich im Pekinger Nationalstadion auf den Distanzen zwischen 100 und 5000 Metern verlieren: Sprint-Meister Tobias Unger (Kornwestheim/Ludwigsburg), 1500-Meter-Mann Carsten Schlangen (Berlin) und Hürden-Hoffnung Carolin Nytra (Bremen) haben bisher die Reifeprüfung für Olympia bestanden.

Schlangen fehlte allerdings wegen Magen-Darm-Problemen ebenso wie 10 000-Meter-Europameister Jan Fitschen: Wegen Sehnenproblemen in beiden Füßen erhält der Wattenscheider über 5000 Meter wohl noch eine letzte Chance am 20. Juli in Heusden/Belgien. "Schwabenpfeil" Unger sieht sich trotz der Übermacht der Sprinter aus Amerika und Jamaika nicht als Olympia-Tourist: "Ich laufe dort bestimmt nicht, um Tibet zu befreien."

Über die 800 Meter wurde Jana Hartmann von der LG Olympia Dortmund neue deutsche Meisterin - ihre Siegerzeit wird sie aber nie erfahren. Weil der Starter bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Nürnberg zu schnell schoss, wurde die elektronische Zeitmessanlage nicht aktiviert. Deshalb konnte allen acht Läuferinnen im Finale zwar ein Platz zugeordnet werden, aber keine Zeit. Eine Handstoppung gab es nicht.