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NBA - Atlanta Hawks (mal wieder) am Scheideweg: Der große Knall ist nicht weit weg

Von Robert Arndt
Das gab Gerüchte um einen möglichen Rücktritt von Hawks-Coach Nate McMillan.
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Die Atlanta Hawks sind erneut sehr mäßig in die Saison gestartet - trotz großer Ambitionen. Das neue Backcourt-Duo um Trae Young und Dejounte Murray funktioniert noch nicht wie gewünscht.

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Dazu könnte es für Coach Nate McMillan bald sehr eng werden, nicht zuletzt weil dieser mit All-Star Trae Young im Clinch lag.

Das gab Gerüchte um einen möglichen Rücktritt von Hawks-Coach Nate McMillan.
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Atlanta Hawks: Coach McMillans Stuhl ist warm

Es rumort schon eine Weile in Atlanta. Spätestens seit Anfang Dezember, als Franchise-Star Trae Young ein Spiel gegen Denver verpasste, weil er Berichten zufolge nicht am Shootaround des Teams teilnehmen wollte, um sich an der Schulter behandeln zu lassen. Coach Nate McMillan strich den Guard in der Folge für eine Partie aus seinem Aufgebot.

Es war nicht das erste Mal, dass Young mit einem seiner Coaches aneckte, schon vor zwei Jahren wurde berichtet, dass der All-Star eine gewichtige Rolle bei der Entlassung des damaligen Head Coaches Lloyd Pierce spielte. McMillan könnte der Nächste sein, zuletzt gab es Spekulationen, dass der 58-Jährige einen Rücktritt in Erwägung ziehen würde.

McMillan verneinte zwar, mit Shams Charania (The Athletic) gesprochen zu haben - was dieser in seinem Artikel auch nicht behauptete -, dementierte aber die Möglichkeit nicht, dass diese Spielzeit seine letzte bei den Hawks sein könnte. Nicht ausgeschlossen, dass ihm das Team zuvorkommt. Mit einer Bilanz von 17-19 belegen die ambitionierten Hawks nur Platz neun im Osten, nun steht ein anspruchsvoller Trip an die Westküste auf dem Programm, welcher die Krise in Georgia nur noch verschärfen könnte.

Atlanta Hawks: Die kommenden Spiele

DatumUhrzeitGegnerOrt
3. Januar4 UhrGolden State WarriorsA
5. Januar4 UhrSacramento KingsA
7. Januar4.30 UhrLos Angeles LakersA
9. Januar3 UhrL.A. ClippersA
12. Januar1.30 UhrMilwaukee BucksH
14. Januar1 UhrIndiana PacersA
15. Januar1.30 UhrToronto RaptorsA
Dejounte Murray
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Atlanta Hawks: Murray-Trade macht sich noch nicht bezahlt

Dabei sollte doch nach einer enttäuschenden Vorsaison alles besser werden. Nach dem deutlichen Playoff-Aus gegen Miami in Runde eins (1-4), krempelten die Hawks ihren Kader ordentlich um, wobei insbesondere der Trade für All-Star Dejounte Murray für Schlagzeilen sorgte. Drei Erstrundenpicks (zwei ungeschützt), ein Pick-Swap und Danilo Gallinari war Atlanta der Guard wert.

In der Theorie löst Murray mehrere Probleme. Die schwache Point-of-attack-Defense wurde aufgepolstert, dazu übernahm der Ex-Spurs-Guard den Ballvortrag, wenn Young nicht auf dem Feld ist. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Der Murray-Trade war nicht der einzige Move, wenig später musste mit Kevin Huerter - der eine Bomben-Saison in Sacramento spielt - der beste Shooter gehen, vornehmlich weil Atlanta das Zahlen der Luxussteuer vermeiden wollte.

Die große Diskrepanz zwischen Startern und Reservisten konnte nicht gelöst werden, auch wenn Murray oder Young zumeist auf dem Feld steht - die Probleme haben sich dabei nur etwas verändert. Ist nur Young im Spiel, haben die Hawks eine katastrophale Defense (Net-Rating: -5,5). Sitzt hingegen Young und Murray spielt, bricht die Offense komplett ein (Net-Rating: -6,0). Eine Balance ist nicht gegeben.

Trae Young und Dejounte Murray harmonieren noch nicht wie gewünscht.
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Atlanta Hawks: Die Offensive hat abgebaut

Fairerweise muss auch erwähnt werden, dass Atlanta noch nicht einmal seine stärkste Rotation aufbieten konnte. Die designierte Starting Five absolvierte nur 19 Spiele zusammen (Bilanz: 12-7), in ihren 324 Minuten erzielten die Starter pro 100 Ballbesitze 10,8 Punkte mehr als der Gegner. In mindestens 200 Minuten sind nur die Starter der Warriors und Nuggets besser.

Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass alles noch nicht so wirklich passt - vor allem im Angriff. Hier mal ein kurzer Überblick über einige Kennzahlen, die schnell deutlich machen, warum die Hawks als Team nur Platz 22 im Offensiv-Rating belegen:

  • Dreierquote: 33,3 Prozent (Platz 27)
  • Dreierversuche: 31,0 pro Spiel (Platz 25)
  • Freiwürfe: 21,9 pro Spiel (Platz 25)
  • Assists: 24 pro Spiel (Platz 20)
  • Gespielte Pässe: 252 pro Spiel (Platz 30)
young-off-ball
© NBA.com/stats

Trotz zweier überdurchschnittlicher Point Guards ist die Offense zu behäbig, es wird viel gestanden und geschaut, was der Ballführende eben gerade so macht. Es kommt nicht von ungefähr, dass kein Team weniger Pässe als Atlanta spielt. Es wird im Vergleich zu den Vorjahren mehr isoliert und jede Menge Pick'n'Roll gelaufen, bei welchem der Ballhandler abschließt. Der Ball bewegt sich zu wenig.

Besserung ist kaum erkennbar, gerade Young wirkt Off-Ball häufig desinteressiert, sodass Atlanta nicht selten quasi Vier-gegen-Vier spielt. Hier mal ein Beispiel dafür, wie Young sich nach einem gespielten Pass aus dem Play nimmt und sein Gegenspieler absinken kann. Davon lassen sich dutzende Szenen finden.

"Wir können gefährlich sein", meinte zuletzt Murray. "Wir müssen erwachsen werden, um große Dinge zu erreichen. Dafür brauchen wir aber mehr Konstanz." Dies ist ein Teil der Wahrheit, gleichzeitig passen die Teile scheinbar nicht wie gewünscht. Zu nennen ist hier die Rolle von John Collins, der in Youngs Rookie-Saison noch der beste Scorer der Hawks war und inzwischen nicht mehr als eine Randerscheinung ist.

John Collins steckt seit Jahren in Trade-Gerüchten.
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Atlanta Hawks: Die Trade-Gerüchte um John Collins bleiben

Der Power Forward hat seinen Dreier komplett verloren (23 Prozent), doch ein Spieler seiner Klasse sollte mehr als nur 10 Würfe pro Spiel nehmen. Collins ist kaum eingebunden ins Offensivspiel, sodass es nicht verwundert, dass der 25-Jährige weiter in zahlreiche Trade-Gerüchte verwickelt ist.

McMillan hat noch keinen Weg gefunden, dem Forward mehr Touches zu verschaffen. Seine Stärken als Roll Man kommen kaum zur Geltung, auch weil er meist an der Seite von Capela oder Okongwu aufläuft. Für 25,3 Millionen Dollar jährlich ist das beinahe verschenkt und inzwischen darf Collins als austauschbar angesehen werden.

Durch den Murray-Trade haben die Hawks an Flexibilität eingebüßt, es stehen nur noch drei First Rounder für Trades (2023, Kings-Pick 2024, 2029) zur Verfügung. Dennoch würde es überraschen, wenn Atlanta bis zur Deadline die Füße still hält. Auch im Management gab es zuletzt Veränderungen, der langjährige GM Travis Schlenk wechselte in eine beratende Rolle, während Assistent Landry Fields die Geschicke übernahm.

Schlenk galt stets als Collins-Fan, womöglich hat Fields weniger Bedenken, Collins endlich zu einem neuen Team zu verfrachten. Der frühere Knicks-Spieler kommt in keine einfache Situation. Die Besitzergruppe um Tony Ressler gilt als chronisch ungeduldig, erst recht nach der enttäuschenden Vorsaison. Die beiden großen Trades im Sommer waren eine erste Folge, die Veränderungen im Front Office dürften als weitere gewertet werden.

Wenig hilfreich ist dabei, dass konkurrierende GMs gegenüber Chris Haynes (Yahoo) bereits darüber spekulierten, wann Young die Geduld verliert und selbst einen Trade fordern könnte. Mit Ausnahme der Teilnahme an den Conference Finals 2021 (womöglich ein "Ausrutscher"?) können die Hawks in der Ära Young bisher wenig vorweisen, vom Contender-Status ist Atlanta in einer starken Eastern Conference weit entfernt.

Trae Young
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Atlanta Hawks: Bleibt Trae Young unumstritten?

Gleichzeitig sollte die Frage auch in die andere Richtung gehen. Kann Trae Young der beste Spieler eines Titelkandidaten sein? Seine offensive Klasse ist unbestritten, doch als kleiner Point Guard unterliegt auch er Limitationen. In den Playoffs gegen Miami war Young schlichtweg schlecht und wurde von einer physischen, athletischen Defense komplett aus dem Spiel genommen.

Das kann einen Lerneffekt haben, gleichzeitig werden andere Konkurrenten genau hingeschaut haben. In Verbindung mit seiner Zielscheibe auf dem Rücken in der Defense wurde Young so eher zu einem Minusspieler. Nun haben nicht alle Teams die defensiven Tools wie Miami, es zeigt dennoch, dass Young ausgebremst werden kann.

Durch Murray sollte "Trae Ball" etwas reduziert werden, doch in den ersten Saisonmonaten war nicht erkennbar, dass Young sich anpassen kann, auch wenn er gebetsmühlenartig betonte, dass er auch Off-Ball agieren könne und dies über Jahre in seiner Jugend gemacht hat. McMillan scheint zumindest noch nicht zu ihm durchgedrungen zu sein.

"Ich trainiere jetzt eine andere Generation von Spielern", verteidigte sich der Coach kürzlich. "Die Kommunikation ist eine andere, auch wie das Spiel gespielt und gesehen wird." McMillan gilt schon länger als Old School, schon seine Pacers-Teams fielen vor allem dadurch auf, dass sie viel aus der Mitteldistanz operierten und dann in den Playoffs weitestgehend chancenlos waren.

Der überraschende Run 2021 mit McMillan als Interimscoach wirkte im Vorjahr nach, diesen Bonus gibt es jetzt nicht mehr. Es stehen entscheidende Wochen für den Coach, für das Team und auch für die Franchise an. Bis zur Trade Deadline stehen gleich zwei lange Trips in die Western Conference an, von diesen 19 Spielen gibt es 13 gegen Teams mit positiver Bilanz sowie satte 14 Auswärtsspiele. Es kann bald richtig ungemütlich werden.

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