FC Barcelona - Langweiliges Barça ist Meister: Xavi beendet die Durststrecke mit Mourinho-Spielstil

Von Thomas Hindle/Patrik Eisenacher
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Der FC Barcelona hat seinen ersten Liga-Titel seit 2019 dank einer historisch guten Defensive geholt. Die Fans hat man damit allerdings nur selten begeistert.

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Als Xavi den FC Barcelona im November 2021 als Trainer übernahm, sprach er von seiner tiefen Verbundenheit mit dem Verein. Er versicherte, ein "Culer" durch und durch zu sein. Der frühere Mittelfeldspieler Barças (1998 bis 2015) verstand, was die Fans wollten. Er sollte gewinnen und dabei schön spielen, verwies auf die Trainer-Legenden Johan Cruyff und Pep Guardiola. Vor allem aber betonte er, dass er die "Barça-DNA" verkörpere.

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Xavi wollte wieder zurück zum Stil vergangener Jahre. Sein Wunsch erfreute die Fans, die beispielsweise unter Trainer Ernesto Valverde ein 4-4-2 statt des 4-3-3 dulden mussten. Oder einen unansehnlichen Fußball und Ronald Koeman. Das war kein "totaler Fußball", wie Cruyff ihn spielen lassen wollte und kein Tiki-Taka, wie es Guardiola prägte.

Doch Xavi brachte den schönen Spielstil nicht wieder zur Blaugrana zurück. Auch beim souveränen 4:2-Sieg bei Stadtrivale Espanyol am Sonntag spielte Barça eintönig und nicht befreit. Dabei ist der spanische FCB auf nationaler Bühne eine Spitzenmannschaft, wie die Ergebnisse unterstreichen - und der erstmalige Gewinn der spanischen Meisterschaft seit 2019.

Aber Barcelonas Spielstil ähnelt aktuell eher einer Mannschaft von José Mourinho als einer von Guardiola. Und obwohl Xavi das erste große Ziel relativ schnell erreicht hat, so hat er es nicht mit der Barça-DNA getan. Mit ihm als Trainer könnten die Blaugrana eine Zukunft vor sich haben, die spielerisch alles andere als ansehnlich ist.

Xavi
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FC Barcelona: Ein starkes Rückgrat

Man muss Xavis Leistungen als Trainer aber auch Anerkennung zollen. Zuvor hatte es dem FC Barcelona lange an einem einheitlichen Spielstil gefehlt. Zu Beginn dieser Saison sah es so aus, als läge man weit hinter Titelverteidiger und Rivale Real Madrid zurück. Wenn Barça also trotzdem die Meisterschaft holen wollte, dann wohl eher mit einem weniger aufregenden Fußball.

Trainer Xavi hat sich auf die etwas schlechtere Qualität im Kader gegenüber Real eingestellt und erkannt, dass er mit spektakulärem Offensiv-Fußball wohl zu viele Gegentore kassieren würde. Daher ließ er seine Elf eher kompakt, schwierig bespielbar und pragmatisch spielen.

Barcelonas große Stärke ist dabei ein starkes Rückgrat, Torwart Marc-André ter Stegen und eine exzellent eingestellte Viererkette mit Sergio Busquets als Sechser davor. In der gesamten La-Liga-Saison haben die Katalanen daheim nur zwei Gegentore kassiert und ter Stegen stellte einen neuen Rekord für Zu-Null-Spiele auf.

Busquets erlebte derweil einen Aufschwung, durfte wieder tiefer stehen. Der Kapitän sollte schlicht die Bälle abfangen, in die Zweikämpfe gehen und sein großartiges Passspiel aufziehen.

Auch die Weiterentwicklung des 18-Jährigen Gavi hat das Team vorangebracht. Der amtierende Gewinner des Golden-Boy-Awards ist ein Spieler, der die Abwehrketten durcheinander wirbelt. Dabei ist Gavi ganz anders als die Barça-Legenden, mit denen er verglichen wurde: Sein neuer Trainer Xavi und Andres Iniesta. Denn in Wirklichkeit ist er eine kleine Version eines technisch versierten Pepe.

Der 18-Jährige stürzt sich waghalsig in die Zweikämpfe, attackiert seine Gegenspieler unerbittlich und geht ihnen 90 Minuten lang auf die Nerven. Er gibt dem spanischen Meister den dringend benötigten Biss im Mittelfeld.

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FC Barcelona: Unerwartete Verbesserungen in der Defensive

Als Xavi übernahm, war man zuversichtlich: Denn der ehemalige Weltklasse-Mittelfeldspieler würde sicherlich die Spieler auf seiner früheren Position verbessern, ebenso wie die drei Angreifer. Er könnte beispielsweise Gavi und Pedri technisch in die Weltklasse aufsteigen lassen und Frenkie de Jong zu alter Stärke verhelfen. Alle drei hat er rückblickend definitiv verbessert - doch vor allem die Defensive, Xavis Schwachstelle als Spieler, wurde in neue Sphären gehoben.

Der größte Gewinner ist hier Ronald Araujo. Der uruguayische Innenverteidiger hatte körperlich schon immer die Voraussetzungen, um ein Weltklasse-Abwehrspieler zu werden, aber Antizipation und Technik fehlten ihm. Er war oft verletzt, sein Vertrag drohte auszulaufen und sein Passspiel galt als mangelhaft. Doch mittlerweile wurde er mit einem neuen Vertrag ausgestattet, ist stets fit und deutlich ruhiger am Ball.

Araujo ist mittlerweile einer der besten Spieler auf seiner Position. Dank seines Tempos und seiner Athletik ist er für One-Touch-Football geeignet und kann auch gegnerischem Pressing trotzen. Das Potenzial war schon immer da - Xavi hat es nun freigesetzt.

Das gilt auch für Andreas Christensen. Der Däne hat sich zu einer tragenden Säule des FC Barcelona entwickelt. Mit Araujo bildet er ein großartiges, passsicheres Duo.

Doch es gibt auch Probleme mit der Viererkette: Der junge Alejandro Balde, der so gerne nach vorne stürmt, ist oft anfällig für Konter. Jules Koundé, meist als Rechtsverteidiger eingesetzt, fühlt sich auf dieser Position oft unwohl, was er sogar offen zugegeben hat. Dennoch hat diese Viererkette gemeinsam mit ter Stegen im Tor bewiesen, dass sie in der Lage ist, die spanische Meisterschaft zu gewinnen.

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FC Barcelona: Offensiv ausbaufähig

Es ist nicht zwingend ein großer Verrat am Vereinsmotto, hinten gut zu stehen. Barcelona hat im Laufe der Jahre einige der besten Defensiven Europas gehabt und einige der besten Innenverteidiger aller Zeiten ausgebildet.

Aber die Blaugrana sind eben nicht vornehmlich für ihre Defensivleistungen bekannt. Das weltweite Interesse an dem Klub, der mit Guardiola, Messi, Neymar oder Suarez aufblühte, basiert auf Angriff, Dribblings und Toren. Damit muss fortan jeder Trainer umgehen, auch Xavi. Selbst wenn er ohne einen Messi ihn Höchstform etwas anders spielen muss.

So versuchte Xavi, Barça mit den vorhandenen Spielern schön spielen zu lassen. Die früheren Dortmunder Ousmane Dembélé und Robert Lewandowski sind ehrwürdige Nachfolger für MSN. Doch der Franzose fehlt häufig verletzt und Lewandowki ist alles, nur kein Dribbler.

Der spanische FCB kann sich außerdem auf Pedri und de Jong verlassen, die mit ihren Pässen die Linie durchbrechen.

Aber es gibt auch Schwachstellen. Barcelona fehlt es im Mittelfeld oft an Kreativität, wenn es gegen tiefstehende Mannschaften geht. Gerade auf dem linken Flügel braucht es mehr Abstimmung: Baldes Läufe sind zwar durchdacht, doch seine Zuspiele für Lewandowski zu oft nicht verwertbar. Koundé auf der anderen Seite entwickelt sich offensiv nicht weiter - er ist schlicht ein Innenverteidiger.

Das Ergebnis ist eine Handvoll torarmer, aber souveräner Siege. Barcelona hat in dieser Saison 14 La-Liga-Spiele mit einem Tor Vorsprung gewonnen, erzielt im Schnitt weniger als zwei Tore pro Spiel und hat stets Siege gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte eingefahren. Kurz gesagt: Barça ist in der Defensive stark und offensiv ausbaufähig.

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FC Barcelona: Was ist die Lösung?

Und so sucht der FC Barcelona nach neuer offensiver Stärke: Eine Rückkehr von Lionel Messi ins Camp Nou wird immer heißer - zuvor müssen jedoch noch finanzielle Dinge geklärt werden.

Doch Messi ist langsamer geworden und hat seinen Spielstil daran angepasst: Er geht nur noch sehr selten in Dribblings und fokussiert sich mehr auf Vorlagen als auf Tore. Dazu braucht er Mitspieler wie Kylian Mbappé, die seine genialen Pässe verwerten. Hätte er das auch in Barcelona? Xavi müsste den offensiven Spielstil an den Weltmeister anpassen. Andere müssten dann noch mehr laufen.

Zusammenfassend gibt es keine Garantie dafür, dass Messi "seinen" FC Barcelona direkt verbessern oder offensiv spektakulärer machen würde.

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FC Barcelona: Wie geht es weiter?

Wenn die Blaugrana "ihren" Messi unter Vertrag nehmen kann, wird sie das definitiv auch tun.

Allerdings müssen die Katalanen auch damit rechnen, dass sich andere Mannschaften in Spanien ebenfalls verbessern: Real Madrid steht kurz vor der Verpflichtung von Jude Bellingham und weitere Spieler könnten bald folgen. Vinicius Jr., Rodrygo und Fede Valverde werden sich ebenfalls verbessern. Atlético Madrid scheint in der zweiten Saisonhälfte zu seiner Form gefunden zu haben und dürfte im nächsten Jahr ein weitaus schwierigerer Gegner sein.

Die Blaugrana muss sich also ebenfalls zwingend steigern. Es war eine hervorragende Saison - eine Saison, in der man den Titel gewonnen hat, eine Saison, die einem erfolgsverwöhnten Verein, der am Rande des finanziellen Ruins stand, Stabilität gebracht hat. Xavi hat seinen ersten Auftrag erfüllt und einen wichtigen Titel zurück ins Camp Nou gebracht.

Aber seine zweite Aufgabe, den Barça-Stil zurückzubringen, liegt noch in ferner Zukunft. Das könnte ab der kommenden Saison zum Problem werden.

Aktuell ist es ziemlich langweilig, seinem Team beim Spielen zuzusehen. Wenn er die Barça-DNA wiederfindet, für die er als Spieler stand, wird er noch lange Cheftrainer bleiben - ansonsten wird sich die Führungsetage ihre Gedanken machen - gerade angesichts der Spieler, die zur Verfügung stehen.

Möge Xavi fußballerisch nicht lange wie Mourinho agieren.

La Liga: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Barcelona3464:135185
2.Real Madrid3470:323871
3.Atlético Madrid3460:273369
4.Real Sociedad3445:311462
5.Villarreal3452:351757
6.Real Betis3340:37352
7.Girona3454:48648
8.Athletic Club3444:38647
9.Osasuna3432:36-447
10.Sevilla3444:49-547
11.Rayo Vallecano3340:42-246
12.Mallorca3433:37-444
13.Celta de Vigo3439:48-939
14.Valencia3438:41-337
15.Almería3443:61-1836
16.Cádiz3426:50-2435
17.Real Valladolid3430:60-3035
18.Getafe3430:43-1334
19.Espanyol3442:60-1831
20.Elche3426:64-3819
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