Tottenham-Präsident Daniel Levy und der Kane-Poker: Bayern beißt auf Granit

Daniel Levy ist Spurs-Fan seit Kindestagen, 2001 übernahm er das Amt des Präsidenten.
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Der FC Bayern München will Harry Kane, Harry Kane will zum FC Bayern München - aber was will Daniel Levy (61)? Der Transfer hängt am wohl ausdauerndsten und härtesten Verhandler des Weltfußballs.

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Noch 60-mal schlafen, dann ist endlich wieder Daniel Levys Lieblingstag: der sogenannte Deadline Day. Der Tag also, an dem das Transferfenster in den europäischen Top-Ligen schließt. Der letzte Tag, um große Deals abzuschließen. "Levy Time", wie sie in England gerne sagen.

Spätestens dann gibt es eine Entscheidung, ob Harry Kane zum FC Bayern wechselt. Falls ja, selbstverständlich nur zu den Konditionen des langjährigen Mitbesitzers und Präsidenten von Tottenham Hotspur. 70 Millionen Euro sollen die Münchner für ihren Wunschstürmer bereits geboten haben, spekuliert wird über eine neues Angebot in Höhe von 93 Millionen Euro, Levy will offenbar mindestens 100 Millionen.

Das wäre eine durchaus stattliche Summe für einen bald 30-jährigen Fußballer, dessen Vertrag im kommenden Sommer ausläuft und der noch dazu keine Anstalten macht, diesen zu verlängern. Ganz im Gegenteil: Kane selbst strebt einen Wechsel an, dem Vernehmen nach sind sich seine Berater mit dem FC Bayern längst einig.

Sollten sich die Münchner dazu durchringen, tatsächlich 100 Millionen Euro für Kane zu bieten, will Levy aber vermutlich 100 Millionen Pfund. Levy liebt es, Verhandlungen bis ans Äußerste zu treiben, am besten bis zum Deadline Day. Nicht umsonst gilt er als ausdauerndster und härtester Verhandler im Weltfußball.

Harry Kane: Das Eigengewächs erzielte bereits 280 Tore für Tottenham Hotspur.
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Daniel Levy: Seine Deals am Deadline Day

Ein Beispiel gefällig? 2008 drängte Tottenhams damaliger Star-Stürmer Dimitar Berbatov wochenlang auf einen Wechsel zu Manchester United. Es ging hin und her und her und hin, ehe Levy Berbatov am Deadline Day für 38 Millionen Euro verkaufte. Es war der zweitteuerste Transfer jenes Sommers.

Uniteds Trainer Sir Alex Ferguson nannte die Verhandlungen mit Levy anschließend "noch schmerzhafter als mein neues Hüftgelenk". Dazu muss man wissen: Der Einbau eines neuen Hüftgelenks ist durchaus ziemlich schmerzhaft - und Ferguson darüber hinaus nachweislich hart im Nehmen. Er wuchs schließlich im Glasgower Arbeiterviertel Govan der Nachkriegszeit auf.

Levy kaufte am Deadline Day auch schon klug ein, 2012 etwa für lediglich 12,6 Millionen Euro Hugo Lloris von Olympique Lyon. Der Franzose sollte zum langjährigen Stammkeeper und Kapitän avancieren. Rafael van der Vaart und Jermaine Defoe kamen einst ebenfalls kurz vor Transferschluss und erwiesen sich als echte Verstärkungen. Zuletzt schlug Levy spät bei Emerson Royal, Rodrigo Bentancur und Pedro Porro (Leihe) zu.

Gareth Bale: Daniel Levys Meisterstück

Seinen spektakulärsten Deal schloss Tottenhams Präsident aber ausnahmsweise nicht am Deadline Day ab, sondern ganz entspannt am vorletzten Tag des Transferfensters: 2013 verkaufte er Gareth Bale für 101 Millionen Euro an Real Madrid, zu diesem Zeitpunkt der teuerste Transfer der Fußball-Geschichte. Der englische Telegraph pries Levy anschließend als "König der harten Deals" und "Geschäftsmann mit einer derart unnachgiebigen Entschlossenheit, dass er aus Granit gemeißelt sein könnte".

Bei Real wussten sie schon vor den Bale-Verhandlungen, mit wem sie es zu tun bekommen werden. Im Jahr zuvor war Luka Modric für 35 Millionen Euro nach Madrid gewechselt - nach zähem Poker samt bestreikten Trainingseinheiten und einer Geldstrafe für Modric.

Levy unterschreibt einen Deal erst dann ab, wenn er vollends überzeugt davon ist - und im Zweifel lieber gar nicht. 2018 beendete Tottenham als erster Premier-League-Klub der Geschichte ein Sommer-Transferfenster ohne einen einzigen Wechsel.

Daniel Levy ist Spurs-Fan seit Kindestagen, 2001 übernahm er das Amt des Präsidenten.
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Tottenham gewann unter Daniel Levy nur einen Titel

Auch bei Vertragsverhandlungen mit Spielern setzt Levy auf eine harte Linie, weshalb Tottenhams Gehaltsniveau dem Vernehmen nach deutlich niedriger ist als das der übrigen Premier-League-Topklubs. Weshalb sich wichtige Spieler aber auch regelmäßig verabschieden.

Mit seinen Methoden treibt Levy nicht nur Verhandlungspartner in den Wahnsinn, sondern auch die eigenen Fans. Traditionell wird ihm vorgeworfen, wirtschaftliche Erfolge über sportliche zu stellen. In der jüngeren Vergangenheit investierte Levy zwar höhere Summen - vergangenen Sommer holte er beispielsweise Cristian Romero und Richarlison für jeweils über 50 Millionen Euro und in diesem bereits Pedro Porro und James Maddison für jeweils rund 45 Millionen - aber das ist hauptsächlich der generellen Ablöse-Inflation geschuldet.

Fertige Stars kommen selten, bei fast jedem Transfer setzt Levy auf Entwicklung. Damit etablierte er Tottenham über die Jahre als Top-Sechs-Klub, gewann außer einem League Cup von 2008 aber keine Titel. Als die Mannschaft in dieser Saison erstmals seit 2009 aus den internationalen Startplätzen schlitterte und letztlich nur auf Rang acht landete, geriet Levy bei vielen Fans massiv in die Kritik. "Profit before glory" war im Zuge großer Protestaktionen auf Bannern zu lesen, oder: "Daniel Levy Out".

Daniel Levy bei Tottenham Hotspur: Ein Fan als Präsident

Diese Proteste dürften Levy auch persönlich getroffen haben, ist er doch seit Kindestagen Spurs-Fan. Geboren in der Nähe von London, studierte er in Cambridge und baute dann gemeinsam mit seinem Partner Joe Lewis den Investment-Trust ENIC auf.

Ende der 1990er-Jahre erwarb das Unternehmen Anteile an mehreren Profiklubs: den Rangers aus Glasgow, AEK Athen, Slavia Prag, dem FC Basel, LR Vicenza und eben Tottenham. 2001 übernahm ENIC bei den Spurs schließlich die komplette Kontrolle und Levy das Amt des Präsidenten. Die Anteile an den anderen Klubs mussten aufgrund von UEFA-Regularien verkauft werden.

Levys größtes Projekt bei Tottenham war der über eine Milliarde Euro teure Stadion-Neubau. Entworfen hat die Arena Architekt Christopher Lee, der Levy bei der BBC anschließend den "forderndsten Klienten, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe" nannte. "Er war unfassbar engagiert und hat sich um alles bis ins kleinste Detail gekümmert." Sieben Tage die Woche würde Levy laut Lee arbeiten - aber lediglich zwei bis drei Stunden pro Nacht schlafen.

Erstmals seit 2005 verpasste Tottenham Hotspur in dieser Saison die Qualifikation für das internationale Geschäft: Bei den Fans kam deshalb Unmut gegen Präsident Daniel Levy auf.
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Harry Kane: Levy verhinderte einen Wechsel zu Manchester City

Levy selbst gibt übrigens nur äußerst ungern Interviews, womöglich umweht den markanten Glatzkopf auch wegen dieser öffentlichen Unnahbarkeit eine besondere Aura. Im persönlichen Umgang sei Levy "schüchtern, sensibel und lustig", berichtete Tottenhams langjähriger Trainer Mauricio Pochettino.

Von 2014 bis 2019 trainierte er die Spurs, mit Abstand die längste Trainer-Amtszeit seit Levys Amtsübernahme. Davor und danach feuerte der Präsident munter vor sich hin. Die neueste Errungenschaft Ange Postecoglou ist bereits der sechste Trainer seit Pochettinos Abschied. Auch diese fehlende Kontinuität auf dem Trainerposten werfen Levy viele Fans vor.

Postecoglous Aussichten auf Erfolge dürften stark von Kanes Zukunft abhängen, seit seinem Durchbruch 2014 ist das Eigengewächs schließlich Tottenhams Lebensversicherung. 280 Tore erzielte Kane bereits für die Spurs, 213 davon in der Premier League. Rekordtorschütze Alan Shearer liegt nur noch 47 Treffer vor ihm.

2021 deutete schon einmal alles auf einen Abschied des Stürmers hin. Manchester City bot 150 Millionen Euro. Kane wollte wechseln, schwänzte Trainingseinheiten und verpasste auch den Saisonstart - aber Levy blieb hart. Kein Wechsel, nicht einmal am Deadline Day. Klappt es diesmal? Kane und der FC Bayern wollen, aber das muss noch nichts bedeuten.